Olympia-Nominierung: Eine Frage der Perspektive(n)

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Adelheid Morath beim Afxentia-Etappenrennen auf Zypern ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Nach Teilnahmen an den Olympischen Spielen in Peking und in London muss Adelheid Morath (BH-Sr Suntour-KMC) auf einen dritten Start bei dem sportlichen Großereignis erst einmal warten. Am Sonntagabend wurde ihr in einer Telefon-Konferenz mitgeteilt, dass Helen Grobert (Ghost Factory Racing) zur Nominierung vorgeschlagen wird. Adelheid Morath zeigt sich „zutiefst enttäuscht“ und bezeichnet die Entscheidung als „nicht objektiv und nicht transparent.“ Beim BDR will man öffentlich nicht ins Detail gehen, man glaubt aber, dass das „Gesamtpaket“ für Grobert spricht.

Dass Adelheid Morath von der negativen Nachricht getroffen ist, dass sie im Trainingslager in Livigno erst einmal Schwierigkeiten hatte das zu verdauen, das ist unschwer nachzuvollziehen.

Es ist nicht nur, dass bei der ehrgeizigen Sportlerin ein Traum geplatzt ist. Die Umstände machen es ihr noch schwerer zu akzeptieren. Einerseits verweist sie im Vergleich auf die besseren Resultate im 13-monatigen Qualifikations-Zeitraum, zum anderen auf das gesundheitliche Handicap, das sie bei den drei Frühjahrs-Weltcups einschränkte und wegen dem sie auf die EM verzichten musste.

Die Argumente, die Bundestrainer Peter Schaupp und BDR Leistungssport-Direktor Patrick Moster angeführt hätten, sagt Morath, seien widersprüchlich und deshalb „unglaubwürdig“. Wenn man sich als Sportler nicht auf Ergebnisse als Maßstab verlassen könne, auf was denn dann? Da wird man bei den meistern Sportlern auf Zustimmung treffen. Und Adelheid Morath sieht sich in Sachen Ergebnissen gegenüber Grobert im Vorteil.

Sie hat dreimal die A-Norm (Weltcup und WM Top 8, EM Top 6) erfüllt. Mit einem 5. Platz in Windham einem sechsten im Val di Sole (beides 2015) und dem siebten zuletzt in La Bresse. Helen Grobert ist das zweimal gelungen. In Albstadt und in Cairns war sie jeweils Sechste.

Die Deutsche Meisterin verbuchte insgesamt sieben Mal die B-Norm (im Weltcup und bei der WM Top 15, bei der EM Top 12), während Morath da nur vier Resultate stehen hat.

Für Morath spricht die höhere Qualität der Resultate, für Grobert eher die Stabilität. Das lässt sich auch daran ablesen, dass die nun Vorgeschlagene in zehn direkten Duellen innerhalb der Rennen, die für die Normerfüllung vorgesehen wurden mit 6:4 als Siegerin hervorgeht. Auch in Bad Säckingen und bei der DM 2015, beides Rennen, die nicht für die Quali in Betracht kamen, sah man Grobert vor Morath, die ja beide in Freiburg leben.

 

Qualität oder Quantität?

Adelheid Morath war in diesem Frühjahr gebeutelt. Erst durch die Folgen des unglücklichen Helikopter-Sturzes beim Cape Epic und dann durch gesundheitliche Probleme im Bauch, die sich in Australien erstmals bemerkbar machten. Insofern relativiert sich der Vergleich in diesem Frühjahr wieder etwas zu ihren Gunsten.

Wenn es um die nüchternen Ergebnisse geht, dann ist die Frage welche Größe man höher bewertet. Die Qualität (Morath) oder die Quantität (Grobert)? Die absolute

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Helen Grobert und Adelheid Morath beim Podiums-Foto der DM 2015. So innig mag das Verhältnis nicht sein, aber gegenseitiger Respekt ist durchaus vorhanden. ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Leistungsfähigkeit (Morath) oder die Stabilität (Grobert)? Geregelt, bzw. geschrieben ist das in den Kriterien nicht.

In den „Sportartspezifischen Nominierungskriterien“ des Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist für den Fall, dass mehr Sportler die Norm erfüllen als Plätze vorhanden sind, „das Trainerurteil/die Trainereinschätzung unter Berücksichtigung der nationalen und internationalen Ergebnisse, so wie der jeweiligen technischen und taktischen Möglichkeiten der zu nominierenden Sportler/Sportlerinnen einfließt.“

Dass Ergebnisse, also Leistungen, eine Rolle spielen sollten, versteht sich. Das hat auch Sabine Spitz in diesem Frühjahr in die Pole Position gebracht. Was die „technischen und taktischen Möglichkeiten“, angeht, werden die Kriterien natürlich weicher.

Patrick Moster spricht vom „Gesamtpaket und den gezeigten Leistungen mit Hinblick auf die Anforderungen in Rio“, was letztlich den Ausschlag für Helen Grobert gegeben habe.

 

Wer kann unter den Rio-Bedingungen am besten?

Die Details will man aber nur intern besprechen. Warum? Weil neben positiven Faktoren, die für die eine oder die andere Athletin sprechen, natürlich auch kritische Momente abgewogen werden. Und die will man in der Öffentlichkeit nicht breit treten, gibt Bundestrainer Peter Schaupp zu verstehen.

Was aber sicher eine Rolle spielt(e) bei der Entscheidungsfindung, sind die Bedingungen, die man in Deodora, wo der olympische Bikepark liegt, vorfinden wird. Vor allem die Temperaturen, der Untergrund, das Profil des Kurses.

Adelheid Morath findet, dass sie darauf gut vorbereitet sei. Beim Cape Epic habe sie gezeigt, dass sie mit Hitze klar komme und auch der Untergrund bei dem Etappenrennen sei vergleichbar.

Das Profil der Strecke und das Layout kommen sicherlich einer Helen Grobert mehr entgegen, was aber nicht heißen muss, dass Adelheid Morath darauf keine guten Rennen bestreiten kann.

Sie kann auf dem Hintergrund dieser Faktoren die Entscheidung nicht akzeptieren. „Wenn andere besser sind, ist es okay. Dann ist man als Sportlerin auch enttäuscht, aber damit komme ich klar“, sagt Adelheid Morath. „Aber so ist das ja nicht.“ Sie habe das Gefühl, dass man sie nicht dabei habe wolle. Das sind harsche Worte.

 

Altersunterschied? Spielt keine Rolle, sagt Moster

Doch was man auch immer als Kriterium heranzieht, eine Eindeutigkeit ist nicht festzustellen. Die Perspektive lässt sich fast bei jedem Argument auch wechseln. Adelheid Morath bringt zum Beispiel Erfahrung im Umgang mit den besonderen Bedingungen bei Olympischen Spielen mit. Das spricht für sie. Gegen sie spricht, dass sie weder in Peking (18.) noch in London (16.) ihr Potenzial ausschöpfen konnte.

Es gibt noch weitere Faktoren, die man unter die Lupe nehmen kann, die in dieses Gesamtpaket hinein gehören. Die knapp acht Jahre Altersunterschied sind es laut Sportdirektor nicht. „Adelheid Morath und auch Elisabeth Brandau können auch noch zehn Jahre fahren, das sieht man ja an Sabine Spitz“, sagt Moster.

So sehr ein Verband gerne Hoffnungsträger aufbaut, dieser Aspekt ist in den (deutschen) Kriterien auch nicht erfasst. Die Schweizer haben das eingebaut, in dem sie die Perspektiven für Tokio 2020 in ihren Kriterien mit genannt haben.

Der Bundestrainer kann schon nachvollziehen, dass Adelheid Morath den Argumenten nicht folgen will. „Wir verstehen natürlich Adelheids Enttäuschung. Sie hat in den vergangenen Jahren sehr an sich gearbeitet und wäre mit Sicherheit auch keine schlechte Wahl. Aber wir haben eben nur zwei Plätze und müssen eine Entscheidung treffen, auch wenn sie hart ist. Da kann man auch falsch liegen, aber das weiß man erst hinterher. Aktuell sind wir von unserer Wahl jedenfalls überzeugt“, so Peter Schaupp.

 

Der Vorschlag: Nur eine Wette

Der baden-württembergische Landestrainer Bernd Ebler, der seit Herbst als Moraths persönlicher Coach agiert, versucht die Konstellation objektiv zu bewerten, kann aber die Enttäuschung nachvollziehen. Es sei klar gewesen, dass das Niveau bei allen Beteiligten sehr hoch war und dass man „zwei wirklich Gute“ nach Rio schicken könne.

„Wenn ich aber sehe, was Adelheid alles auf sich genommen hat, von der Cape Epic angefangen und wenn ich die Ergebnisse ihrer Leistungsdiagnostik anschaue, die so unglaublich gut sind, dann ist es schon enttäuschend, wenn das nicht mit einer Olympia-Teilnahme belohnt wird“, sagt der Kirchzartener. „Ich hätte ihr zugetraut, dass sie in Rio um die Top Fünf kämpft, an einem perfekten Tag sogar um die Medaillen.“

Das ist natürlich spekulativ, trotz Bestwerten in der Leistungsdiagnostik. Einen Platz unter den besten Drei hat Morath ja noch nie erreicht. Und auch Bestwerte im Frühjahr könnte die Frage nach sich ziehen, ob die Sportlerin ihren Leistungshöhepunkt schon zu früh erreicht hat.

Letztlich ist in diesem äußerst knappen Fall jede Entscheidung wie eine Wette auf die (nahe) Zukunft. Man kann auch auf die falsche Athletin setzen, wie der Bundestrainer anmerkt. Hinterher ist man immer schlauer. Allerdings auch nicht komplett, denn das Abschneiden einer jeweils anderen bleibt ja auch hypothetisch.

Der Umstand, dass es vor diesen Olympischen Spielen vier Damen gibt, die entsprechende Leistungsnachweise erbracht haben, ist im Grunde ja sehr erfreulich. Und Gelegenheit große Rennen zu fahren, gibt es auch außerhalb des Olympischen Events. Es wäre ja für den deutschen Cross-Country-Sport auch gewinnbringend, wenn alle vier Damen ihre Leistungsfähigkeit in zweieinhalb Wochen bei der WM unter Beweis stellen würden.

 

 

 

 

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