Weltcup Albstadt Nachgedreht (2): Zwei Rekorde und ein Kettenriss im Nirgendwo

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Jaroslav Kulhavy is back: Hier führt er die Spitzengruppe in die erste komplette Runde ©Benno Dietrich

Die Lokomotive dampft wieder, ein Schweizer springt in den Pool, ein anderer steht im Nirgendwo und ein Dritter verpasst eine große Chance. Der Olympia-Traum eines Quereinsteigers ist so gut wie geplatzt und, ja, es gibt auch positive Nachrichten von Herren mit deutscher Lizenz. Zwei fahren aus hinteren Reihen in die Punkteränge und einer 100 Kilometer nach Hause. Nachgedreht, was hier aus dem Lager der Herren noch nicht geschrieben stand.

 

Nino Schurter (Scott-Odlo) hat fast unbemerkt einen neuen Rekord aufgestellt. Er ist der erste Fahrer, dem es gelungen ist fünf Weltcup-Rennen hintereinander für sich zu entscheiden. Die letzten drei im vergangenen Jahr und die ersten beiden dieses Jahr. Bisher hatten der Weltmeister, so wie Jaroslav Kulhavy (Specialized Factory Racing) und Julien Absalon (BMC Racing) sogar zweimal mit vier Siegen in Folge die Rekordmarke gehalten.

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Rekord-Sieg: Nino Schurter ©Scott Sports

An die Bestmarke bei den Damen, wo Julie Furtado in den frühen 90ern neun Mal am Stück gewann, kommt er allerdings noch nicht heran. Auch Gunn-Rita Dahle-Flesjaa (Multivan-Merida) hat schon acht Mal hintereinander gewonnen.

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Die Gesamtwertung des Herren-Weltcups führt Titelverteidiger Schurter deshalb auch schon wieder an. Vor den beiden punktgleichen Franzosen Julien Absalon und Maxime Marotte (BH-Sr Suntour-KMC). Dann folgen mit Lars Forster (BMC Racing) und Fabian Giger (Kross Racing) zwei Schweizer.

Bis zu Position 22 muss man runterscrollen, ehe man auf den ersten Deutschen stößt. Der Vorjahres-Sechste Manuel Fumic liegt auf Platz 22.

Zur kompletten Gesamtwertung geht es hier.

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Jaroslav Kulhavy is back. So kann man den vierten Platz des Olympiasiegers sicher überschreiben. „Das Gute ist: in Albstadt gibt es keinen Rock Garden“, sagte Kulhavy und lachte. „Vergangene Woche beim Czech Cup gab es Einen und da hat meine Hand doch ziemlich weh getan. Mal sehen, wie das in La Bresse gehen wird.“

Körperlich fühle er sich ziemlich gut. „Die letzten drei Wochen Training waren bestens“, erklärte er. Das bekam auch die Konkurrenz zu spüren. Vor allem in den Flachpassagen, in denen „Lokomotive“ Kulhavy unglaublichen Druck entfalten kann.

Kulhavy hatte sich Ende Februar auf Zypern die Hand doppelt gebrochen.

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Lars Forster (BMC Racing) hat die Spannung im Kampf um die Schweizer Olympia-Tickets zwei und drei erhöht. Während Florian Vogel und Mathias Flückiger in Albstadt nicht an ihre Leistungen von Cairns anknüpfen konnten, konnte Forster mit seinem fünften Platz erstmals die Norm erfüllen.

Er fuhr von Anfang an in vorderen Regionen mit und konnte jederzeit agieren. „Ich habe jetzt einen kleinen Schritt in den Pool rein gemacht, wo Florian Vogel und Mathias

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Olympia-Norm geknackt: Lars Forster ©Erhard Goller

Flückiger schon drin sind. Natürlich kommt es jetzt noch mal auf nächste Woche drauf an und dann liegt es an Swiss Cycling“, meinte Forster, der in Cairns aus einer schlechten Startposition heraus schon Sechster war.

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Im Gesicht von Fabian Giger (Kross Racing) war im Ziel ziemlich große Enttäuschung zu entdecken. Trotz eines respektablen 7. Platzes, denn es wäre viel mehr möglich gewesen. Eine große Chance auf das Olympia-Kriterium (Top Fünf) war dahin. Als Dritter, hinter Absalon und Schurter ging er in die dritte komplette Runde, gemeinsam mit Maxime Marotte (BH-Sr Suntour-KMC). Und er befand sich auf dem Vormarsch, als er sich einen Vorderrad-Defekt holte und dadurch etwa eineinhalb Minuten verlor.

„Danach ist es natürlich sehr schwer sich wieder zu motivieren. Es ist sehr enttäuschend, da wäre viel drin gewesen heute“, erklärt Giger. Hätte er sich in den Top Fünf gehalten, so hätte er einerseits die Norm erfüllt und sie andererseits Lars Forster verwehrt. So geht es jetzt nach La Bresse, wo Giger vor vier Jahren schon mal ein starkes Rennen ablieferte, aber letztlich ganz knapp am Olympia-Ticket vorbeischrammte.

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Mathias Flückiger (Stöckli Pro Team) hatte man nach seiner starken Vorstellung in Cairns eigentlich ganz vorne erwartet. Er liebäugelte sogar damit in den Zweikampf zwischen Schurter und Absalon eingreifen zu können. Doch der Körper streikte aus noch unerfindlichen Gründen.

„Der Start ging noch super, aber dann fühlte ich mich irgendwie träge, ganz komisch“, versuchte Flückiger zu erklären. Eine gewisse Müdigkeit habe er schon im Training empfunden, das aber aufgrund des Programms nicht so ernst genommen.

So wurde er von Platz sieben nach der Startrunde auf Position 48 zurück gereicht.

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Matthias Stirnemann erwischte nicht seinen besten Tag ©Andreas Dobslaff/EGO-Promotion

 

Matthias Stirnemann (Möbel Märki) konnte in Albstadt nicht ganz an die Leistung von Cairns anknüpfen, als er Siebter geworden war. Möglicherweise lag der Grund dafür in einem Infekt, den er nach der EM zu überstehen hatte. Jedenfalls waren schon am Freitag die Beine nicht ganz so locker wie erhofft. Die daraus resultierende zurückhaltende Renntaktik brachte ihn dennoch erst mal in eine Gruppe zwischen Platz 10 und 15, bis ihn ein Sturz etwa zehn Positionen zurückwarf. Dieses Malheur versuchte er wieder auszugleichen, fuhr nach vorne – und büßte prompt für seine Anstrengungen. Schließlich erreichte er als 23. das Ziel.

„Heute brachte mein Körper irgendwie nur 90 Prozent Leistung“, wird Stirnemann in einer Pressemitteilung zitiert. „Eigentlich bin ich erstaunt, dass ich noch so weit vorne bin.“

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Florian Vogel (Focus XC) wurde zu Beginn des Rennens in den vorderen Reihen gesichtet, wie man das von ihm auch erwartet. Als Siebter ging er in die dritte komplette Runde, allerdings schlitterte er bereits mit einem defekten hinteren Reifen über die Zeitmessung. Die Zeit, die Focus-Mechaniker Fabian Haug für den Wechsel benötigte, war rekordverdächtig: Cirka 15 Sekunden dauerte es, ehe Vogel wieder im Sattel saß. Möglich wird das auch durch eine spezielle Achsen-Technologie.

Allein, an diesem Tag half es Florian Vogel auch nichts. „Nach dem Defekt habe ich einfach überzogen und mich ziemlich geärgert, so lange bis einfach nichts mehr ging“, bekannte der Schweizer. In der sechsten Runde gab er an 37. Stelle liegend auf.

Das Malheur hatte aber schon früher begonnen. Am Donnerstag stürzte er, noch auf vom Regen glitschigen Untergrund. „Ich bin noch mal glimpflich davon gekommen, aber irgendwie war der Wurm drin“, meint Vogel. Das setzte sich fort, als ihm bei der Morgen-Ausfahrt „im Nirgendwo“ die Kette riss und er lange warten musste, bis man er wieder zurück zum Hotel und schließlich zum Start kommen konnte. So war die Wettkampf-Vorbereitung auch schon ziemlich gestört.

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Mathieu van der Poel (Beobank-Corendon) hat seinen Traum von den Olympischen Spielen fast schon begraben. Der Ex-Cross-Weltmeister scheiterte als 34. auch in Albstadt an der niederländischen Olympia-Norm (2x Top 12). Mit Nummer 99 ins Rennen gegangen, war ihm der Weg nach vorne versperrt. Die letzten drei Runden absolviere er mit jeweils der 12. Rundenzeit, doch das brachte nicht mehr viel.

Jetzt müsste er in La Bresse schon Sechster werden. Das scheint illusorisch, auch wenn er laut mountainbike.be das dritte Weltcup-Rennen der Saison noch fahren will.

Das Handicap mit dem Startplatz ist ein wesentlicher Faktor, aber van der Poel konstatiert gegenüber dem Kollegen Simon Lamon auch, dass die Disziplin Cross-Country „ein unterschätzter Sport“ sei, in dem das Niveau „sehr hoch“ sei. Der Etappensieg beim Afxentia auf Zypern war insofern kein Maßstab, als sich die Mountainbiker erst in der Vorbereitungsphase, er aber aus der Cross-Saison kommend auf einem anderen Niveau befand.

Gravierend war natürlich auch die kurzfristige Entscheidung. Wäre die bereits 2015 gefallen, hätte er Mathieu van der Poel zeitig an seinem Punkte-Handicap arbeiten können.

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Christian Pfäffle (Stevens MTB Racing) sorgte zwischen den arg gebeutelten deutschen Herren für die erfreulichste Nachricht. Auch wenn ein 47. Platz „kein Ergebnis für Luftsprünge“ ist, wie Pfäffle selber meinte, konnte er mit seiner Leistung hochzufrieden sein. Mit Nummer 128 war er ins Rennen gestartet und nachdem er ab der dritten Runde mehr oder weniger freie Fahrt hatte, lieferte er Top-40-Runden-Zeiten und war am Ende viertbester Deutscher.

„Ich bin super zufrieden, ich konnte das abrufen, was ich wollte. Eigentlich wüsste ich nicht, was ich besser machen hätte können“, bilanzierte Christian Pfäffle. Er war im permanenten Überholmodus, hielt sich aber die wenige Male, als er überholt wurde, zurück. „Ich wollte vermeiden, dass ich am Ende eingehe, wie beim Rennen in Graz“, erklärte Pfäffle. Mit den gewonnen Weltranglistenpunkten könnte sich in La Bresse beim nächsten Weltcup die Startposition schon etwas verbessern.

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Der fünftbeste Deutsche in Albstadt war: Wolfram Kurschat (Koch Engineering-Müsing Bikes). Von Position 133 ins Rennen gegangen und als eher langsamer Starter bekannt, war

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Wolfram Kurschat: Aufholjagd in alter Manier ©Benno Dietrich

der 52. Rang beachtlich. Man kann darüber spekulieren, was mit einem besseren Startplatz für den 41-Jährigen möglich gewesen wäre. „Ich fahre immer noch mit viel Spaß und war von mir selbst überrascht wie gut es läuft“, meinte Kurschat, der in diesem Jahr praktisch noch keine Rennpraxis aufweist.

Im schwierigsten Teil der Strecke nahm er die B-Linie. „Ich hatte vor einer Woche einen Sturz auf die rechte Schulter. Danach war mir speiübel und der Kreislauf war am Boden. Bei Rotations-Bewegungen wird mir immer noch schwindlig“, erklärte der älteste Teilnehmer im Herrenfeld.

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Simon Stiebjahn (Team Bulls) hat die Akte Olympia 2016 nach Platz 57 in Albstadt abgehakt. Der Deutsche Vize-Meister im Marathon wird am Sonntag in La Bresse gar nicht mehr antreten, sondern sich jetzt auf die Marathon-EM in Litauen (5. Juni) konzentrieren.

Seine Leistung in Albstadt fand er selbst „okay“, weil er „einen guten Rhyhtmus“ gefunden hatte. „In die Tiefe kann ich leider im Moment noch nicht gehen“, wies er jedoch auf die Fähigkeit hin, die er vermisst.

Bereut hat es Simon Stiebjahn nicht, den Weltcup in Albstadt noch mit zu nehmen. “Es war ein geiles Gefühl von so vielen Menschen angefeuert zu werden und ich bin froh mich doch zu einem Start entschieden zu haben. Das war Gänsehaut pur“, erklärte Stiebjahn. Zum Abreagieren radelte er die knapp 100 Kilometer am Sonntagabend noch nach Hause in den Schwarzwald.

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Ben Zwiehoff (Bergamont-Hayes) war mit großen Hoffnungen in den Heimweltcup, respektive U23-Weltcup gestartet. Der U23-EM-Vierte musste sich aber mit Rang 37 zufrieden geben. In der 3,6 Kilometer langen Startrunde reihte er sich in der siebenköpfigen Spitzengruppe ein, konnte das Tempo dort aber nicht halten und fiel in der Folge immer weiter zurück. Warum er die Leistung von der EM nicht wiederholen konnte?

„Ehrlich gesagt, ist mir das selber immer noch ein Rätsel“, bekennt Zwiehoff. Vielleicht sei zu intensives Training am Dienstag und Mittwoch, vielleicht die fehlende Grundlage wegen der Krankheit im März. „Kann sein, dass wir nur eine relativ instabile Form kreieren konnten“, fragt sich Zwiehoff. „Kann aber auch sein, dass es nur ein sehr, sehr schlechter Tag gewesen ist.“ Was aber im Grunde auch nur eine Beschreibung für Nicht-Genau-Wissen ist.

„Ich bin mir sicher, dass ich in La Bresse eine ähnliche Leistung abrufen kann wie bei der EM. Andernfalls habe ich danach fünf Wochen Zeit um einen durchgeplanten Neuaufbau in Richtung WM und Lenzerheide zu machen“, meint Ben Zwiehoff. „Von daher bin ich ganz entspannt.“

 

 

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