20 Köpfe für 2020(11): Karotten-Kuchen und nicht verwandelte Elfmeter

Manuel Fumic und warum Dienstag manchmal Sonntag sein sollte
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Seit 20 Jahren vertritt Manuel Fumic die deutschen Farben bei Cross-Country-Weltmeisterschaften, seit mehr als zehn Jahren verkörpert er Weltklasse-Format. Dem Kirchheimer fehlt zwar ein ganz großer Sieg, doch er gehört in der Szene seit langer Zeit zu den beliebtesten Figuren, auch bei den Fans.

Die UCI Mountainbike-Weltmeisterschaften in Albstadt werden die letzten Titelkämpfe seiner Karriere sein und in der Serie „20 Köpfe für 2020“ spricht er darüber warum die WM im Albstadt auch zu einem späteren Zeitpunkt für ihn so wichtig wäre und blickt dabei auch auf seine Laufbahn zurück. Hier war schon viel über den 38-Jährigen zu lesen, aber in diesem Text verbergen sich doch noch mal ein paar spannende Einblicke.

 

Sich mit Manuel Fumic zu unterhalten ist für Journalisten meist ein Vergnügen. Nicht nur weil der Kirchheimer auf eine lange Geschichte in seinem Sport zurückblickt. Er ist offen, authentisch, kommunikativ und schafft es immer wieder mit Metaphern Situationen oder mentale Konstellationen zu illustrieren. Zudem mangelt es ihm nicht im Geringsten an Selbst-Ironie. Lachen über sich selbst, das fällt dem dreifachen Familienvater nicht schwer und auch dieses Gespräch wird davon immer wieder gewürzt.

Manuel Fumic, Sie haben an 20 Cross-Country-Weltmeisterschaften teilgenommen, beginnend im Junioren-Alter im Jahr 2000. Albstadt wäre die 21. in Folge. Macht Sie das stolz?

Klar macht mich das stolz. Weil es meine letzte Saison ist, fragen mich grade immer wieder Journalisten, was denn der besondere Moment in meiner Karriere war. Viele wollen auf ein Rennen hinaus, aber ich habe gar nicht so diesen einen Moment. Es ist eher so das Ganze. 20 Jahre immer dabei zu sein und gerade bei Weltmeisterschaften zu denjenigen zu gehören, die es auch geschafft haben zum engeren Kreis zu gehören. Das zeigt, dass ich sehr konstant war und davon gibt es wenige. Schließlich ist das für alle ein Highlight. Darauf bin ich am meisten stolz.

Ist nicht doch die Silbermedaille bei der WM 2013 in Pietermaritzburg ein herausragender Moment in Ihrer Karriere?

Doch schon. Das war mein größter Erfolg im Elite-Bereich und mir haben nur sieben Sekunden gefehlt zum Titel. Da war er Nino Schurter kurz vor meiner Nase (lacht). Ich habe mir irgendwann mal den Replay angeguckt. Er hat damals in einer Szene gerade noch sein Rad abgefangen und war gleich wieder auf der Strecke. Wenn er da ein bisschen länger braucht, hätte es für mich vielleicht gereicht. Den Kurs habe ich immer gemocht.

Sie selber hatten damals auch zwei kritische Situationen zu überstehen, weil vor ihnen im berüchtigten Rock Garden Fahrer vom Rad mussten.

Ja, richtig. Ich hatte eine schlechte Startposition und bin von hinten gekommen. Es war die Saison als ich mir das Schlüsselbein gebrochen hatte. Nach gut 200 Metern ging es in einen Singletrail, da hatte ich keine Chance gleich vorne dabei zu sein. In der vorletzten Runde bin ich an (José) Hermida vorbei und in der Schlussrunde an den Schurter ran gefahren.

Der Schlüsselbein-Bruch ist ausgerechnet vor dem Premieren-Weltcup in Albstadt, beim Training auf der Strecke passiert.

Ja, genau. In dem Jahr war ich super gut drauf. Ich bin mit Fonsi (Team-Kollege Marco Fontana) noch einmal raus auf die Strecke. Ich war eigentlich schon fertig mit dem Training, aber Fonsi hat mich gefragt, ob ich noch mit ihm noch mal die eine Stelle abfahren kann. Ich war so gut drauf und dachte, komm’ ich fahr einfach. Ich glaube, ich habe kurz abgeschaltet.., wie es halt immer so ist.

 

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WM-Silber in Pietermaritzburg 2013: Manuel Fumic ©Marius Maasewerd/EGO-Promotion

Noch mal zur WM 2013. Ihr Team-Manager Daniel Hespeler erzählte damals, dass Sie ihn am Morgen vor diesem Rennen angewiesen haben den „Podiums-Rucksack“ zu packen.

(Lacht). Ich habe mich so gut gefühlt. Nicht, dass ich irgendwelche Zeiten oder Werte vergleiche. Es geht nur darum, dass ich einfach vom Körperlichen her in der Lage bin, das Maximum heraus zu holen. Ich weiß noch, ich habe Kuchen gekauft, weil ich gesagt habe, wir brauchen einen Kuchen zum Feiern, einen Karotten-Kuchen. Den habe zwei Tage zuvor bestellt und dann abgeholt. Die anderen haben gedacht: der spinnt (lacht). Als ich sagte, ich brauche den Podiums-Rucksack, haben mich alle komisch angeguckt. Aber dann hat es ja gepasst.

In den „Podiums-Rucksack“ werden frische Klamotten reingepackt, weil einem im Erfolgsfall das Protokoll keine Zeit mehr lässt um sich im Camper umzuziehen.

Diesen Moment für den Podiums-Rucksack, den gab es seither für Sie leider nicht mehr. Zumindest nicht bei Weltmeisterschaften.

Ja, leider. Irgendwas hat immer gefehlt. In den letzten Jahren haben wir auch versucht mehrere Höhepunkte zu setzen, wollte ein konstanterer, kompletterer Fahrer werden und bei der WM hat es dann nicht mehr ganz so hingehauen. Aber ich war trotzdem zufrieden mit den WM-Ergebnissen der letzten Jahre. Es war nicht komplett daneben, aber es zeigt halt auch wie stark das Feld, wie groß die Leistungsdichte geworden ist. Es gibt relativ viele Leute, die zwischen Platz drei und zehn rein fahren können. Wenn dir ein Prozent fehlt, dann wirst du gleich durchgereicht.

Und von außen sieht das dann aus wie eine Niederlage.

Die Leute denken dann gleich, ach, der kann nicht mehr mithalten. Auch wenn du vielleicht Zehnter bist, kannst du aber oft sehen, dass du nicht weit weg bist. Das hat sich in den letzten paar Jahren so entwickelt. Für den Laien sieht es so aus als ob du voll weit weg bist. Ich finde das wahnsinnig interessant, aber Außenstehende sehen dann nur die Platzierung. Das ist schwer zu vermitteln.

2019 sind Sie nach dem zweiten Platz beim Cape Epic nicht gut in die Saison gekommen. Was waren die Gründe?

Ich hatte mir im Winter eine Bronchitis eingefangen, konnte in Südafrika nicht richtig trainieren. Dann bin ich nach Hause gefahren, dort zu viel gemacht. Wenn man das Gefühl hat, im Rückstand zu sein, neigt man dazu zu schnell zu viel zu machen. Dann hatte ich noch Rückenprobleme und schließlich habe ich beim Cape Epic so gelitten wie selten zuvor in meiner Karriere. Da habe ich längere Zeit gebraucht, um wieder in Form zu kommen. Bei der WM habe ich gemerkt, es kommt langsam wieder, aber sie war eine, zwei Wochen zu früh für mich.

Eine Woche später, beim Weltcup-Finale in Snowshoe, da gab es gewissermaßen noch mal einen Elfmeter für Sie..

…und den hat der Fumic nicht versenkt (lacht). Der Torwart ist links rüber gehüpft und ich habe rechts vorbei geschossen. Manchmal ist das Tor offen und man trifft einfach nicht. Ich bin halt um die Kurve, ich wusste, ich muss da vorne sein. Das wäre der sichere Podest-Platz gewesen. Das hatte ich im Kopf, bin dann viel zu schnell in die Kurve rein…

und gestürzt. Die Gruppe war weg und am Ende war es Platz sechs.

Viele haben gesagt, ach schade, dumm gelaufen. Aber für mich war es so: ich habe es probiert und ich muss mir nichts vorwerfen. Es war der Moment, in dem ich es versuchen musste, es hat nicht geklappt und vorbei.

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Manuel Fumic in Snowshoe, vor dem späteren Sieger Lars Forster, begleitet von den Anfeuerungsrufen von Bundestrainer Peter Schaupp ©Erhard Goller

Es gab so manche Situationen in Ihrer Karriere, in den das Glück oder die Konzentration oder was auch immer gefehlt hat. Um mal einen großen Sieg zu feiern.

Darüber habe ich mir auch schon viel den Kopf zerbrochen. Ob es eine Frage von Glück oder Konzentration war, ich weiß es nicht. Man sagt ja immer: der Fumic war mal U23-Weltmeister, im Weltcup oft vorne dabei, aber der hat noch nie einen Weltcup gewonnen. Das nervt mich auch, aber es ist ja nicht so, dass ich weit weg davon war. Zum Schluss hat es einfach nicht gereicht.

 

Ein anderes Beispiel für eine vergebene Chance ist ein Weltcup-Rennen in Windham, USA. Es war Ende Juni 2012 als Fumic nach der Hälfte der Distanz mit 25 Sekunden Vorsprung in Führung lag und sich dann einen Defekt einhandelte. Oder 2010 beim Klassiker im belgischen Houffalize, als er mit 45 Sekunden Vorsprung vorne war, dann aber am Ende der vorletzten Runde vom Spanier José Hermida eingeholt und abgehängt wurde. Dass er die Führung noch abgeben musste, war damals wohl vor allem eine mentale Angelegenheit. Fumic kannte so eine Situation einfach noch nicht und Hermida wusste das auch.

Die Chancen sind also liegen geblieben.

Ja, nichts verwandelt (lacht). Man muss aber auch sehen, dass ich in einer Zeit meine Rennen gefahren bin, die von den Größten aller Zeiten dominiert wurden. Da war erst Julien Absalon, der über eine lange Phase immer gewonnen hat, wenn er gewinnen wollte. Und dann übernahm Nino Schurter. Es gab nie eine Phase, in der die Tür wirklich offen war. Ich habe es versucht, aber es hat nicht geklappt. Im Nachhinein muss ich über mich selber schmunzeln.

Seit Sie mit Phil Dixon zusammenarbeiten, sind Ihnen wohl kaum noch Fehler in der Trainingsarbeit unterlaufen. Gab es im Rückblick eine Zeit, in der Sie denken, da hätten Sie mehr aus sich heraus holen können?

Ja, so Phasen gibt es immer. Aber schwer konkret zu beantworten. Sicher gibt es Situationen, wo ich sagen kann, ja, da hätte ich was anders machen sollen. Aber das Schwierige in unserem Sport ist es, immer ‚on point’ zu sein. Deshalb Hut ab vor Leuten wie Schurter, die es geschafft haben über Monate einer Saison und Jahre einer Karriere vorne zu bleiben. Auf der anderen Seite motiviert es mich nach wie vor wahnsinnig.

Wenn ich jetzt von meinem Karriere-Ende spreche, dann ist das kein körperliches Ding. Es ist eher das Mentale. Es ist der Kopf, der sagt: jetzt ist es aber auch gut, nach 20 Jahren. Für mich war es immer ein Anreiz mich fit zu machen für die Saison, für die einzelnen Wettkämpfe. Auch auf den Körper zu hören, wo ich immer gut war.

Anstatt sich auf Werte zu verlassen?

Wenn ich die jungen Sportler sehe, wo alles dokumentiert wird, wo alles über Zahlen geht und keiner mehr auf sein Inneres hört. Das typische Beispiel ist der Karotten-Kuchen von 2013. Ich höre in mich hinein und weiß, ich kann heute aus dem Vollen schöpfen. Solche Tage hast du nicht oft. Und manchmal hast du vielleicht so einen Tag, aber dann ist nicht unbedingt Sonntag und grade WM. Es ist vielleicht Dienstag und du fährst auf deiner Hausrunde (lacht). Du denkst, Shit, hättest du so einen Tag bei der WM gehabt.

Vielleicht bin ich einer der Letzten, die ihren Körper so kennen (ohne dabei auf seine Daten zu schauen). Daraus hole ich nach wie vor Motivation. Es ist einfach ein wahnsinniges Gefühl, wenn du deinen Körper so kennst und auf dieser Ebene mit ihm kommunizierst. Dann kam eben der Dixie (Phil Dixon). Der ist ein Jahr älter als ich und der versteht, wie es damals war und wie es heute ist. Wir haben die Balance gefunden zwischen dem alten Fumic, dem Dinosaurier und den neuen Methoden. Darüber haben wir uns gefunden und deshalb funktioniert das auch so gut.

Gegen Phil Dixon sind Sie schon in der U23 Rennen gefahren.

Ja, ich weiß. Auch Weltcups. Aber wir haben uns nie gesehen (lacht), weil wir in einer anderen Liga gefahren sind. Als wir irgendwann darüber gesprochen haben, meinte er, da und da bin ich gefahren. Und ich: ja, ich auch. Aber ich habe dich gar nicht gesehen, du warst viel zu weit hinten (lacht).

Dafür ist er jetzt ein umso besserer Trainer.

Ja, weil er sich da reinversetzen kann. Er hat auch ein Kind und er versteht mich auch als Familienvater. Wir haben ein gutes Verhältnis Trainer-Sportler, aber auch ein gutes, freundschaftliches Verhältnis.

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Henrique Avancini und Manuel Fumic beim Cape Epic 2017 ©Nick Muza/Sportzpics/Absa Cape Epic

Kommen wir mal zur aktuellen Situation. Ihr erstes Highlight in der letzten Saison wurde Ihnen genommen. Das Cape Epic hat wegen der Verbreitung von SARS-CoV2 nicht stattgefunden. Sie haben von einem bitteren Moment bezeichnet, auch weil Sie sich deutlich besser gefühlt haben als im Jahr zuvor. Olympia ist auch verschoben. Wie gehen Sie aktuell mit der Situation um?

Ich muss zugeben, ich war ganz schön niedergeschlagen. Gerade als wir in Südafrika waren und das Cape Epic abgesagt wurde. Das war eine bittere Pille für mich. Das hängt mit vielen Dingen zusammen. Es sollte mein letztes Jahr werden mit diesen Highlights. Ich habe versucht noch mal alles aus mir heraus zu holen, was auch super geklappt hat. Ich bin prima über den Winter gekommen, alle Werte haben das auch gezeigt. Unser Team gibt es in dieser Konstellation bereits seit vier Jahren.

Und Sie wollten mit Henrique Avancini um den Sieg mitfahren.

Es war ein Prozess und alle waren darauf fokussiert ganz vorne reinzufahren. Die Absage war sehr emotional für mich. Nicht nur, dass jemand das Rennen wegnimmt. Ich hätte die Möglichkeit gehabt meine eigene Geschichte zu schreiben, im letzten Jahr das Cape Epic zu gewinnen. Hätte, wäre, wenn, aber es hat viel dafür gesprochen, dass wir um den Sieg mitfahren können. Ich musste sehen, dass alles wegschwimmt und ich habe nichts mehr unter Kontrolle.

Alles was ich kontrollieren kann, habe ich gemacht, viereinhalb Monate. Jeder Tag war akribisch mit Dixie abgesprochen und auf einmal sagt jemand: alles vorbei und vergessen. Ich habe nicht mehr die Möglichkeit das zu wiederholen. Da hat es mir kurz die Füße weggezogen. Ich wollte meine Geschichte zu Ende schreiben, hatte den Füller in der Hand, habe das Blatt bemalt und auf einmal kam jemand und hat mir das Blatt weggenommen (lacht). Jetzt ist es leer.

Der Jemand trägt den Namen Corona.

Ja. Es war dann abzusehen, dass auch die olympischen Spiele nicht stattfinden werden und dass auch die WM nicht an dem geplanten Termin. Was für mich noch bitterer ist als die olympischen Spiele, muss ich ehrlich sagen.Ich hatte schon vier olympische Spiele, es wäre immer noch ein Highlight gewesen, aber ich hatte in meiner ganzen Laufbahn noch nie eine Weltmeisterschaft im eigenen Land.

Noch dazu in Albstadt, was gewissermaßen vor meiner eigenen Haustür ist. Olympia hätte ich verkraften können, aber die WM, das war noch mal ein Dämpfer. Mittlerweile sehe ich die Sache gelassener. Es gibt schließlich Wichtigeres als Rennen zu fahren.

Wie konkret trainieren Sie aktuell?

Bis jetzt können wir ja noch raus. Ich trainiere sowieso meistens alleine, insofern macht es keinen Unterschied. Ich mache halt mehr Hometrainer-Geschichten. Wenn es kalt und windig ist, habe ich nicht die Not gesehen, um unbedingt raus zu gehen. Ansonsten bin ich im Wald, da sehe ich sowieso niemanden. Es ist halt schwieriger an Physiotherapie heran zu kommen. Und ich kann nicht ins Fitness-Studio gehen, das mache ich zuhause. Ich versuche das zuhause zu machen.

Also auch Home-Office.

Das ist interessant, weil natürlich die Kinder immer schauen, was der Papa da für lustige Übungen macht (lacht). Aber ich sehe das positiv und hoffe, dass sich die Lage bald wieder entspannt, damit wir dem Beruf wieder normal nachgehen können. Nicht nur ich meinem, sondern alle Menschen.

Meine Frau arbeitet auch von daheim, hat ihren kleinen Laden geschlossen. Ich habe gerade wieder Pakete weggefahren. Man versucht halt klar zu kommen. Ich bin zuhause für die Kinder der Sport- und Englisch-Lehrer (lacht). Auf Dauer wäre das aber nichts für mich. 30 von den Knirpsen, nee, Hut ab.

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1, Schurter, Nino, Scott-Odlo, , SUI

Für eine WM im Oktober, können Sie sich dafür noch mal motivieren?

Ja, natürlich. Ich trainiere ja immer noch. Ich gehe schwer davon aus, dass wir dieses Jahr noch Rennen fahren. Oder sagen wir mal so: ich hoffe, dass wir welche fahren. Wenn ich greifbare Punkte habe, ist es natürlich einfacher. Im Moment macht es keinen Sinn intensiv zu trainieren, wenn ich gar nicht weiß für was. Da könnte ich mehr kaputt machen. Im Moment versuchen wir halt die Form aufrecht zu erhalten.

Eine Heim-WM im Oktober könnte ja auch ein schöner Karriere-Abschluss sein, oder?

Es könnte natürlich sein, dass wir kein so gutes Wetter haben. Was für die Veranstaltung extrem schade wäre, das hätten sie nicht verdient. Albstadt hat sich über die Jahre weiterentwickelt und investiert. Ich selbst bin noch bis zum Jahres-Ende bei Cannondale angestellt und ob die WM in Oktober stattfindet, im November oder Dezember, ist für mich egal. Ich bin Profi und versuche auch da das Beste aus mir heraus zu holen. Albstadt hätte es aber verdient, dass man die WM unter guten Bedingungen veranstalten kann.

Wenn Sie an die WM denken, Ihre letzte WM, was soll da passieren? Geht es da ganz klar drum, dass Sie zum Abschluss noch eine Medaille holen oder geht es um andere Aspekte?

Ich komme nicht zu einer WM und fahre einfach nur mit. Ich will in einer Form da sein, die so gut ist, dass ich einen top Platz einfahren kann. Aber die Platzierung ist eher zweitrangig. Es geht eher darum, dass es mein letztes großes Rennen ist, auf deutschem Boden, vor heimischem Publikum. Bei dem ich so einen kleinen Abschied nehmen kann. Das ist primär das, was ich mir vorstelle. Eine Woche Cross-Country-Party mit vielen Leuten da, von denen ich mich verabschieden kann.

Abschied nach rund 25 Jahren in dem Sport.

Ja, mit 13, 14 war ich im Landeskader und dann auch bei diesem Nachwuchs-Wettkampf in Frankreich (TNJV). Das hatte ja eine Vorgeschichte mit meinem Bruder. Ich bin zwar nicht gefahren, aber ich bin schon in der Team-Area rumgehangen, bei Schwinn, GT, wo Lado halt gefahren ist. Gefühlt bin ich schon fast 30 Jahre dabei. 2000 sind wir mit der Familie nach Sydney geflogen zu den olympischen Spielen um Lado anzufeuern. Das hat mich motiviert, da wollte ich auch hin.

 

Von 2001 bis 2004 sponserte Mobilfunk-Unternehmen T-Mobile ein Mountainbike-Team um Manuel und seinen sechs Jahre älteren Bruder Lado Fumic, der ab 2000 sechs Mal in Folge deutscher Meister wurde, zuletzt 2005 in Albstadt. Bei den olympischen Spielen in Sydney wurde er Fünfter. Am Ende der T-Mobile-Ära wurde Manuel Fumic Achter bei Olympia 2004 in Athen und holte sich den U23-Weltmeister-Titel.

Anstatt Angebote internationaler Teams anzunehmen, bildete er die folgenden fünf Jahre mit seinem nicht unumstrittenen Bruder Lado das Team Fumic Brothers International. Vielleicht zu lang, wie Manuel Fumic in einem Interview mal andeutete. Nur einmal stand mit Manuel Fumic 2007 in Maribor einer der beiden in dieser Zeit auf dem Weltcup-Podium. 2010 unterschrieb der Kirchheimer dann beim Team Cannondale Factory Racing, das mit Daniel Hespeler von einem Schwaben geleitet wird, der während seines Studiums beim Team T-Mobile als Mechaniker arbeitete und zu Manuel Fumic eine freundschaftliche Beziehung pflegte.

 

Sie sagen Olympia in Sydney hat sie motiviert. Inzwischen haben Sie aber ein eher abgeklärtes Verhältnis zu den olympischen Spielen.

Damals durfte ich mit Lado ins olympische Dorf, das war eine tolle Atmosphäre. Wenn man mit Athleten spricht, die in Sydney dabei waren, die sagen wohl dasselbe. Es war noch ein bisschen anders. Ich kann es zwar nicht genau beschreiben, aber es hat sich in eine andere Richtung entwickelt.

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Manuel Fumic 2002 im Trikot des Team T-Mobile ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Wenn mich Leute fragen, welches waren deine schönsten olympischen Spiele, dann war das Athen (2004) für mich. Es waren meine ersten Spiele. Der Athlet stand im Vordergrund, so habe ich das empfunden. Man hat den Athleten gefeiert und jetzt feiert man was ganz Anderes. Es ist nicht mehr das gleiche Flair. Es wirkt jetzt anders auf mich.

Mit der Routine nimmt man so einen Event vielleicht auch anders wahr? Als junger Athlet ist man vielleicht gefangen von der Größe und Bedeutung des Events, oder?

Ja, wahrscheinlich. Ich persönlich habe mich ja auch verändert. Mein Blick hat sich verändert. Beim ersten Mal macht es „buff“ und beim zweiten Mal siehst du alles anders.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, wo sehen Sie die markanten Punkte? Was hat Ihnen besonders weitergeholfen?

Puh.., das ist jetzt eine gute Frage. Das ist schwierig. Vielleicht ein paar Personen. Lado ganz am Anfang. Der mich da mitgenommen hat, durch den ich das Radl fahren kennen gelernt habe. Das war so eine Familiengeschichte. Dann das große T-Mobile-Team, dann haben wir uns ja selbstständig gemacht. Nach fünf Jahren war das Kapitel auch zu Ende, als Lado aufgehört hat. Dann fing 2010 mit Daniel Hespeler und Cannondale das nächste an. Daniel spielt für mich nach wie vor eine große Rolle.

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Wünscht sich sehnlich einen Abschluss bei einer WM vor heimischem Publikum: Manuel Fumic, 2017 in Albstadt im Zweikampf mit Julien Absalon ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Sie sind bei Cannondale im Team der dienstälteste Sportler.

Ich bin jetzt zehn Jahre da. Ich habe immer so einen Ort gesucht, an dem ich mich wohl fühle und wo wir zusammenwachsen können. Mit meinem Bruder haben wir aus einem kleinen eine große Geschichte gemacht, auch bei Cannondale ist alles größer geworden. Ich bin zwar nur ein kleiner Teil in der Geschichte, aber ich bin stolz darauf. Auch wenn ich an Ave (Henrique Avancini) denke, der sich großartig entwickelt hat. Ich habe da nur einen kleinen Anteil dran, aber ich bin beteiligt.

Sie haben das Gefühl, dass Sie etwas bewirkt haben?

Ich habe viele tolle Leute kennen gelernt und ich habe versucht was zurückzugeben. Wenn Leute mir schreiben, dass sie wegen mir das Rad fahren angefangen haben, aus verschiedenen Ländern, Brasilien oder Chile oder von sonst woher, das freut mich unheimlich.

Ich war vielleicht nicht der Erfolgreichste, bin ich definitiv nicht gewesen, aber vielleicht eine Persönlichkeit, bei dem die Leute gesehen haben: der hat Spaß am Rad fahren und an dem, was er macht. Vielleicht sind diese Leute nie Rennen gefahren, haben aber mal eine Alpentour gemacht oder so. Wenn sie mir dann vom geilsten Gefühl überhaupt schreiben, dann ist das toll. Ich denke, wir haben nach wie vor eine Community, die nicht abgehoben ist. Mir war immer wichtig, nahbar zu bleiben.

 

Sein brasilianischer Teamkollege Henrique Avancini sprach im 20-Köpfe-Interview von der positiven Stimmung, die Manuel Fumic verbreitet und die ihm sehr helfe. Fumic ist ein Mensch, der auch nach Enttäuschungen nicht lange sinniert, sondern rasch versucht sich den nächsten Aufgaben zu widmen. Andererseits holt er an gewissen Tagen grade aus seinem emotionalen Reservoir besondere Leistungsreserven heraus. Manuel Fumic wird manchmal auch als Gefühlsmensch beschrieben, für den eine harmonische Atmosphäre im Team enorm wichtig ist.

 

Wenn Sie sich selber als Junior betrachten, was würden sie dem jungen Manuel mit auf den Weg geben wollen?

(Lacht). Ganz ehrlich: bleib so wie du bist. Du wirst auf jeden Fall anecken. Ich war ein bisschen wilder, hatte eine lose Zunge. Aber ich habe Sachen einfach gemacht.

An was denken Sie da?

Mein Gefühl als junger Sportler war, dass mich die Leute in ein System reinpressen wollten. Dass mein Training so oder so aussehen muss, vier Stunden das und 15 Minuten das. Aber so war ich nie und vielleicht bin ich deswegen so lange dabei geblieben. Kurzfristig hätte mich das möglicherweise weiter gebracht, aber langfristig wäre ich wohl nicht da, wo ich jetzt bin. Ich war ein Rebell – aber kein Terrorist (lacht). Ich persönlich denke, dass es jungen Leuten auch schadet, wenn sie in System reinrutschen. Es wäre vielleicht gut, wenn sie lockerer wären.

Dadurch, dass die Saison mehr oder weniger auf Eis liegt, Olympia erst nächstes Jahr und andererseits das nächste Cape Epic schon im März, gibt es die Überlegung Ihr Karriere-Ende noch mal etwas nach hinten zu verschieben?

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Kaffee-Botschafter, das wär‘ doch auch was für die zweite Karriere von Manuel Fumic, oder? ©Michele Mondini

 

Zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Ich habe noch keine Gespräche geführt und mir auch gar keine Gedanken gemacht. Wir hoffen ja, dass die Weltcups noch stattfinden können. Ob ich das möchte, das ist zu früh darüber nachzudenken. Ich müsste mich sowieso mit Daniel zusammentun, um zu schauen was zu machen ist.

Sie haben also für 2021 auch noch keine konkreten Pläne?

Nein.

Also auch nicht unabhängig von der sportlichen Karriere?

Nein, das auch nicht. Der Plan war eigentlich, dass ich nach der Saison drei, vier Monate raus nehme, mehr Zeit mit der Familie verbringe. Wenn die Saison normal gelaufen wäre, dann wäre ich relativ viel unterwegs gewesen. Ich hätte dann viel Zeit gebraucht für mich und meine Familie. In diesen

drei, vier Monaten wollte ich schauen, wo es mich hintreibt. Das zum jetzigen Zeitpunkt zu sagen, ist für mich zu schwierig. Ich bin eher so ein Typ, der eine klare Linie braucht. Wo alles noch offen ist, macht es für mich wenig Sinn.

Trotzdem die Frage: Bleiben Sie dem Sport in einer Funktion erhalten?

Das kommt drauf an. Worauf ich Lust hätte, wäre ein Kommentator-Job. Das würde mir Spaß machen, um bei den Events zu sein. Das war’s dann aber auch mal. Ich kann mir nicht vorstellen in irgendeinem Team unterzukommen und eine Position einzunehmen.

Weil ich so lange in dem Sport war, habe ich eher das Gefühl, dass ich ein wenig Abstand suchen möchte. Um eine Balance zu finden und zu schauen, was ich wirklich will. Nur die Kommentator-Geschichte, die könnte ich mir gut vorstellen, weil das auch ein begrenzter Umfang ist und ich den Kontakt halten könnte.

 

Kurzporträt Manuel Fumic

Alter: 38

Wohnort: Kirchheim/Teck

Verheiratet mit Anna, 3 Kinder im Alter von 8, 5 und 1 Jahr

Größte Erfolge: Vize-Weltmeister 2013, Team-WM-Silber 2010, 2018, Team-WM-Bronze 2012, 2013, U23-Weltmeister 2004, U23-Vizeweltmeister 2003, 2x Weltcup-Zweiter, insgesamt 11 Weltcup-Podiumsplätze, EM-Dritter 2015, 2017, U23-Europameister 2004, Team-Europameister 2015, fünffacher deutscher Meister

Offenlegung: Der Autor hat diesen Text für die Pressearbeit der WM 2020 in Albstadt erstellt. 

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