WM Hafjell: Nachgedreht aus der Damen-Welt
Die coole Erfahrung, die eine Weltmeisterin bei einem Defekt gemacht hat. Die Vize-Weltmeisterin und ihr Bewerbungs-Schreiben. Die skeptische Zielstrebigkeit der Bronze-Medaillengewinnerin. Zwei Sloweninnen neben dem Podium. Eine Lokalmatadorin, die keine Gründe findet. Und eine U23-Fahrerin, die über so viel Pech schon wieder lachen kann. Noch ein paar Statements und Geschichten aus der Damen-Welt, die hier noch nicht geschrieben standen. Nachgedreht.
Die neue Weltmeisterin Catharine Pendrel (Luna Pro) die ja am 1. April einen Schlüsselbein-Bruch erlitten hat und die ersten beiden Weltcups auslassen musste:
„Ich wusste, dass der Kurs gut für mich ist, aber in Méribel konnte ich das Tempo nicht mitgehen. Deshalb war ich mir nicht sicher, ob ich es machen würde. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich so früh alleine vorne fahren würde.
Im Team-Relay habe ich noch das Hardtail benutzt und habe dort einige Fehler gemacht. Deshalb habe ich mich heute für das Fully entschieden. Das hat sich ausgezahlt.“
Zu einem Defekt, den sie in der letzten Runde erlitt und der ihren deutlichen Vorsprung schmelzen ließ:
„In einem steinigen Uphill habe ich an einem scharfen Stein einen Plattfuß im Vorderrad geholt. Das hat mich ganz schön in Spannung versetzt. Aber mein Mechaniker hat einen super guten Job gemacht und das Rad in vielleicht 20 Sekunden gewechselt. Es war am Ende eine coole Erfahrung, weil mich auch Leute von anderen Teams aufgemuntert haben und riefen, du hast genug Vorsprung.
Zu ihrem zweiten Titel-Gewinn nach 2011:
„Es fühlt sich großartig an. Ich habe öfter schon eine gute Saison gehabt und konnte das bei der WM dann nicht umsetzen. Deshalb ist es cool, dass es diesmal geklappt hat.“
Die Kanadierin fährt übrigens bereits am Mittwoch wieder ein Rennen. Allerdings nicht im Weltmeister-Jersey. Das Cross-Rennen in Las Vegas steht auf ihrem Plan.
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Irina Kalentieva (RusVelo) nutzte die Pressekonferenz der Medaillengewinnerinnen für eine Werbung in eigener Sache:
„Mein Vertrag läuft dieses Jahr aus und ich bin auf der Suche nach einem neuen Sponsor oder einem Team. Es wäre mein Wunsch weiterfahren zu können. Die Silbermedaille ist vielleicht ein gutes Argument dafür.“
Zum Gewinn ihrer insgesamt neunten WM-Medaille, eine davon im Marathon, sagte die Russin:
„Ich habe letztes Jahr hier das Weltcup-Finale gewonnen. Das war eine zusätzliche Motivation für mich. Ich habe ein schwieriges Jahr hinter mir, nachdem im März mein Coach Marek Galinski ums Leben gekommen ist und deshalb ist die Medaille noch mal was ganz besonderes.“
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Lea Davison (Specialized Racing) konnte ihr Glück kaum fassen.„Ich habe eine WM-Medaille, unglaublich“, rief sie schon im Ziel.
Lea Davison hatte im Winter größere Hüftoperation und bewegte sich im Januar und Februar an Krücken und gewann bei ihrem ersten Rennen im Juli gleich den US-Titel.
„Mein Coach hat immer dran geglaubt, aber ich war ein bisschen skeptisch. Erst im Juni konnte ich auf dem Bike trainieren. Es zeigt sich, dass sich Zielstrebigkeit auszahlt. Die Medaille bedeutet mir so viel, nachdem ich die halbe Saison nicht auf dem Bike war.“
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Direkt neben dem Podest tauchen zwei Sloweninnen auf. Tanja Zakelj (Unior Tools) verpasste Bronze um 29 Sekunden und es dürfte vor allem der Sturz in der ersten Runde gewesen sein, der die Europameisterin vom Podest fern hielt.
Sie war vorne mit dabei, als sie stürzte und dabei Luft aus dem Vorderreifen verlor. An der folgenden Tech-Zone, noch in der Abfahrt, fuhr sie vorbei, doch dann realisierte sie, dass sie mit dem Reifen wohl nicht durchs Rennen kommen würde.
„Ich habe die erste Tech-Zone passiert, weil ich mir nicht sicher war, was das Problem war. Bei der nächsten war mir das klar. Mein Mechaniker hat sehr schnell gewechselt“, erklärte Zakelj.
Weil noch alles dicht beisammen war, fiel sie aber dennoch auf Rang zwölf zurück. Ihre Aufholjagd endete auf Rang vier.
Landsfrau Blaza Klemencic kam 34 Sekunden später ins Ziel. Die Vize-Europameisterin fuhr ein konstantes Rennen, war von Anfang an vorne dabei und ab der zweiten Runde bei der Zieldurchfahrt immer Fünfte – auch wenn vor und hinter ihr immer wieder andere Namen auftauchten.
„Ich bin sehr zufrieden mit meinem Rennen“, meinte Klemencic. Sie bestritt die gesamte Saison mit Minimal-Budget als Solo-Fahrerin, ohne Unterstützung von einem Team. Das macht ihre Erfolge noch wertvoller und vielleicht war der fünfte Rang bei der WM auch eine Art Bewerbungs-Schreiben für Klemencic – siehe Kalentieva.
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Gunn-Rita Dahle-Flesjaa (Multivan-Merida) hatten viele Beobachter nach den Eindrücken vom Weltcup in Méribel und auch schon im Frühjahr als Titelfavoritin gehandelt. Doch die Norwegerin erwischte vor heimischem Publikum „einfach einen schlechten Tag“, wie sie sagte. „Ich kann keine Gründe nennen, warum das heute nicht lief. Es war mir schon in der ersten Runde klar. Dabei habe ich mich die ganze Woche sehr gut gefühlt und ich bin auch gesund.“
Rang neun war natürlich eine Enttäuschung und im Grunde ihr schlechtestes Saison-Resultat. „Es war toll vor diesem Publikum zu fahren, auch wenn ich ihm nicht das gegeben konnte, was ich wollte.“
Auf die Frage, ob sie ihre Karriere fortsetzen wird, antwortete die 41-Jährige: „Ich finde keinen wirklichen Grund aufzuhören. Aber noch ist nichts klar. Ich werde mich im Herbst mit Merida zusammen setzen und mich mit meiner Familie beraten.“
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U23-Mitfavoritin Pauline Ferrand Prevot (Liv Pro XC) wird Freitag, den 5. September 2014 wohl lieber aus ihrem Gedächtnis streichen. Als Jolanda Neff in der ersten Runde vor ihr stürzt, kommt auch sie zu Fall.
Während die Schweizerin die herunter gefallene Kette gleich wieder drauf bekommt, hat sich der Antriebsriemen bei Ferrand Prevot verdreht. Das verursacht später den Kettenriss. Die Reparatur ermöglichte immer noch Rang zwei, doch dann reißt die neue Kette gleich wieder. Sie kämpft sich nach langen Laufeinheiten immerhin als Achte ins Ziel.
„PFP“, wie sie sich selber in Kurzform nennt, erzählt später von noch mehr Malheur. „In der letzten Runde hat meine Bremse nicht mehr funktioniert“, berichtet sie. „Und beim Ausfahren ist die Rolle auch noch kaputt gegangen.“ Sie muss lachen über so viel Pech, was bleibt ihr anderes übrig. „Das war also definitiv nicht mein Tag.“