Benjamin Rudiger: Wenn das Leben unfair ist, braucht es Solidarität

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Benötigt Unterstützung für die Therapie in Nottwil ©Benjamin Rudiger

Im Sport geht es auch nicht immer fair zur Sache, aber das Leben an sich kann noch viel unfairer sein. Ein harmloser Unfall mit dem Mountainbike hatte für den zweifachen Deutschen U23-Meister Benjamin Rudiger im Januar fatale Folgen: Siebter und achter Brustwirbel sind gebrochen. Er kann nicht gehen und nicht stehen. In Kirchzarten hat sich eine Unterstützergruppe formiert, die versucht dem 31-Jährigen den Aufenthalt im renommierten Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil zu finanzieren. Dass er dort aufgenommen wird, haben auch Nino Schurter und Thomas Frischknecht unterstützt.

Benjamin Rudiger war bis 2006 (siehe unten) ein erfolgreicher Mountainbiker im Team Rothaus-Cube, ein Talent, dem man zutraute in der Elite Anschluss zu finden. 2005 war er U23-WM-Siebter. Junioren-Meister 2002, U23-Meister 2004 und 2006, Dritter der Marathon-DM 2005 sind nur einige seiner Erfolge. Ein leidenschaftlicher Mountainbiker – auch nach seiner Karriere.

Was passiert ist: Seit dem 10. Januar 2015 ist für Benjamin Rudiger nichts mehr wie es vorher war. Sein Leben hat seitdem eine völlig andere Richtung genommen. Für den Schwarzwald ungewöhnlich um diese Jahreszeit: es lag kein Schnee. So brach er mit seinem Mountainbike auf, zu einer „handelsüblichen Feierabend-Tour“, wie er es selber nennt. Dabei kam es bei einem harmlosen Bremsvorgang zu einem Sturz. Mit fatale Folgen. Der siebte und achte Brustwirbel sind gebrochen.
Die Notfall-Versorgung verlief reibungslos. „Bis zur OP-Kante ging alles superschnell“, sagt Benjamin Rudiger über die ersten Stunden.

Es folgte zwei Tage später der Transfer in die BG-Unfallklinik nach Tübingen zur Akut-Rehabilitation. Später wechselte Benjamin Rudiger noch für drei Wochen nach Murnau in eine andere Klinik. Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt zuhause, setzte er die Rehabilitation in Nottwil weiter fort.

Was mit ihm passiert ist:
Das sind die nackten Daten. Was dahinter steckt, welche psychischen Tiefen ein Mensch nach einem solchen Schlag aushalten muss, das mag man sich gar nicht ausmalen
„Ich hatte Phasen, in denen ich keinen Bock mehr hatte, aber ich bin trotzdem ein lebensbejahender Mensch. Es gab immer noch Leute um mich herum, denen es noch schlechter ging. Da gibt es Menschen, die können nicht mal mehr die Arme bewegen und selbst die kriegen das hin. Ich habe mir gesagt: du hast kein Recht aufzugeben“, fasst Benjamin Rudiger seine Motivation zusammen.
„Im Reha-Alltag habe ich erkannt: es geht irgendwie. Wenn man will. Und ich habe beschlossen, dass ich will.“
Krebs überstanden.

Rudiger hat ja bereits wirklich existenzielle Nöte erlebt, als bei ihm im Oktober 2006 Lymphdrüsenkrebs (Morbus Hodgkin) diagnostiziert wurde. Diese harte Prüfung bestand und überstand der Schwarzwälder und gründete daraufhin einen Krebs-Hilfeverein unter dem Titel Ride2Live. Aber er im Leistungssport genügte er danach seinen eigenen Ansprüchen nicht mehr.

Er begann eine Ausbildung zum Bankkaufmann und setzte den Sparkassen-Betriebswirt noch drauf. Seiner Leidenschaft für Sport aller Art und für das Mountainbiken im Speziellen blieb er in seiner Freizeit treu.

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2008 beim Bundesliga-Rennen in Heubach: Das war seine letzte Saison als Leistungssportler ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Erst vergangenen Sommer initiierte er mit seinem Trainer und Freund Patrik Faller die Rothaus Bergradsport-Gruppe, eine Freizeit Mountainbike-Formation, die den Schwarzwälder Mountainbike-Lifestyle und die Freude am Sport transportieren wollte. Im Moment fällt es schwer unter diesem Titel in die Pedale zu treten, weil auch die anderen von dem Schicksal ihres Freundes schwer getroffen sind.

Die Aufgabe.
Jetzt aber hat sich die Bergradsport-Gruppe eine neue Aufgabe gestellt: Der Aufenthalt in Nottwil ist teuer. Zwei Monate im besten Paraplegiker-Zentrum Europas kosten ungefähr 120000 Euro. „Wir schaffen das“, hat sich Rudigers Freundeskreis vorgenommen.

Dass es überhaupt zu einer Aufnahme in der renommierten Einrichtung kam, dafür haben sich auch der dreifache Weltmeister Nino Schurter und sein Teamchef, die MTB-Legende Thomas Frischknecht unter anderem mit einem Unterstützer-Brief stark gemacht.

Das Netzwerk.
Ein Unterstützerkreis mit dem Titel „KameRADschaft ist sinnvoll“ hat sich formiert. Mit an Bord: Benjamin Rudigers Arbeitgeber, die Sparkasse Hochschwarzwald, der Sponsor der Bergradsport-Gruppe: die Badische Staatsbrauerei Rothaus und das Organisationskomitee des Kirchzartener Black Forest Ultra Bike-Marathons, dem Benjamin Rudiger auch angehört.

„Benny genießt sehr große Wertschätzung in unserem Haus und alle haben großen Anteil daran genommen. Wir werden als Sparkasse seine Rehabilitation unterstützen und sein Arbeitsplatz bleibt frei, egal wie lange es dauert“, erklärt Vorstandsvorsitzender Jochen Brachs.

Christian Rasch, Vorstand der Rothaus AG, will „unser starkes Netzwerk nutzen“ und sieht „viele Ansätze“ um Rudiger auf seinem Weg zu unterstützen. „Die Rothaus-Familie ist wahnsinnig betroffen, weil die Bergradsport-Gruppe ein Teil unserer Firmenfamilie ist. Ich bewundere den Mut, die Kraft und diesen Willen, den Benny in sich trägt, wieder ein normales Leben zu führen.“

Für das Ultra-Bike Orga-Team spricht Sebastian Eckmann von „extremer Anteilnahme“, die er in Mountainbike-Kreisen erlebt hat. „Da war sofort Solidarität zu spüren. Wir setzen auf die Mountainbike-Gemeinde, die auch wirklich eine Gemeinde ist.“

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Von links: Jochen-Brachs, Christian-Rasch, Patrik Faller, Sebastian Eckmann und vorne Benjamin Rudiger©Silja-Herrmann

Die Perspektive.
„Extrem komisch“, sei das für ihn, in so einer Situation zu sein, Hilfe nötig zu haben. „Aber es ist wie es ist“, sagt Benjamin Rudiger. Es wäre nicht er, wenn er nicht eine Perspektive über sich selbst hinaus entwickeln würde. „Es ist unglaublich, wie viele Leute sich für mich einsetzen. In Nottwil wird tolle Arbeit geleistet, aber es ist einfach so: das kostet Geld. Ich will größtmögliche Selbstständigkeit erreichen“.

Das aber ist ihm nicht genug. Schon nach seiner Krebserkrankung gründete er mit Doris Weiss gemeinsam den Verein Ride2Live zur Unterstützung von Krebs-Patienten. „Vielleicht können wir etwas Vergleichbares für Patienten mit Querschnittslähmung auf die Beine stellen. Ich kann im Moment nur ‚Danke’ sagen, aber ich will auf jeden Fall was zurückgeben, auch wenn ich das nie komplett schaffen werde“, eröffnet Benjamin Rudiger eine Perspektive über seinen Person hinaus.

„Die „KameRADschaft“ soll keine Eintagsfliege sein“, betont auch Patrik Faller. In der aktuellen Situation müsse für die Hilfe alles ziemlich schnell gehen, aber ein Verein wird in Kürze gegründet.

Ein Spendenkonto ist bei der Sparkasse Hochschwarzwald bereits eröffnet.
Benjamin Rudiger – Stichwort: „Unterstützerkreis KameRADschaft“
IBAN: DE05 6805 1004 0004 6080 22
BIC: SOLADES1HSW
Bank: Sparkasse Hochschwarzwald

Als Kontaktperson zum Unterstützerkreis steht Brigitte Rudiger zur Verfügung. rudiger-kiza(a)t-online.de
Mehr Informationen zu Benjamin Rudiger und seiner „KameRADschaft“ findet man auf www.benny-rudiger.de Dort werden auch aktuelle Informationen über Hilfs-Aktionen und über den Fortgang der Rehabilitation veröffentlicht.

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