Cape Epic-Vorschau: Nicht wie beim Schwimmen und ohne Toilettenpause
Wer oder was kann den Gesamtsieg des Team Investec-Songo-Specialized verhindern? Das ist vor dem 12. Absa Cape Epic die Kernfrage. Christoph Sauser und Jaroslav Kulhavy gelten vor dem Start am Sonntag in Kapstadt als Top-Favoriten, aber Alban Lakata/Kristian Hynek (Topeak-Ergon) und Karl Platt/Urs Huber (Team Bulls 1) werden das eidgenössisch-tschechische Duo jagen.
„Das ist nicht wie beim Schwimmen“. Sagt Christoph Sauser. Wer würde ihm da widersprechen wollen. Da kann höchstens und als sehr unwahrscheinlicher Fall, die Badehose reißen. Beim Cape Epic gibt’s unzählige Möglichkeiten, wie ein Sieg entrissen werden kann.
Plattfüße sind ja noch was für Groschenromane, abgerissene Schaltwerke und Kettenrisse schon dramatische Kapitel in Novellen, knallharte Begegnungen mit Klein-Antilopen was für die TV-Nachrichten.
Und dann die Diagnosen, die eher Lesestoff für Medizin-Studenten sein sollten: Von der Lebensmittelvergiftung über den Schlüsselbein-Bruch zum gewöhnlichen Infekt der Atemwege und zurück zur Diarrhoe, weiter zum Absatz mit Entzündungen im Knie bis zum anaphylaktischen Schock.
Nicht wie beim Schwimmen, nein. Da kann man auch keine Abzweigung verpassen. Zumindest nicht im Becken.
Niemand geht natürlich vorher davon aus, dass ihm der Stift abrutscht und er aus dieser Liste unfreiwillig etwas ankreuzt. Aber die erfahrenen Piloten rechnen damit, dass es passieren kann und treffen Vorkehrungen. Man installiert „Back-Up-Teams“, man wählt im Setup die (schwerere) Sicherheits-Variante, isst nichts, was man nicht schon kennt, trinkt nur ausgewähltes Wasser.
Es stellen sich zwischen Kapstadt und dem Meerendal Wine Estate an acht Tagen 739 Kilometer und 16000 Höhenmeter entgegen.
Ohne all diese Unwägbarkeiten bleibt das Papier. Und auf dem stehen der vierfache Weltmeister, vierfache Cape-Epic-Sieger und 13-fache Weltcupsieger Christoph Sauser und sein Partner, der Olympiasieger, zweifache Weltmeister und siebenfache Weltcupsieger Jaroslav Kulhavy auf dem Favoritenschild.
Beide mögen längere Kletterpartien, beide bewegen sich fahrtechnisch auf hohem Niveau. Dazu kommt, dass Kulhavy auf Flachpassagen extrem viel Druck entfalten kann.
„Ich hatte diesen Winter keine gesundheitlichen Probleme. Der Weltcup beginnt aber erst im Mai, deshalb bin ich noch nicht so weit wie sonst um diese Zeit“, sagt Kulhavy gegenüber mtbs.cz.
Platt hat die Uhr gestellt, Huber die Zuversicht zurückgewonnen
Er sieht sich und Sauser favorisiert, nennt aber zwei Paarungen, denen er viel zutraut: Kristian Hynek, der im Vorjahr mit Robert Mennen gewonnen hat und Alban Lakata auf der einen Seite und Karl Platt und Urs Huber auf der anderen Seite.
Lakata und Hynek haben ihr Potenzial schon beim Andalucia Bike Race erkennen lassen. Bei Hynek war bisher seine Defekt-Anfälligkeit das Handicap. Das hätte 2014 auch beinahe den Gesamtsieg gekostet. In Andalusien ging schon mal alles gut.
Lakata hat das Cape Epic noch nie gewonnen und ist schon deshalb extrem motiviert. Und er ist ein kompletter Marathon-Fahrer, der auch auf der Fläche für viel Tempo sorgen kann.
Karl Platt sieht seine Form „da, wo ich sie haben will.“ Vielleicht sei sie sogar besser als vor einem Jahr, als ihn dann Knie-Probleme aus dem Rennen warfen. „Beim Cape Epic war ich schon immer fit, da kannst du die Uhr nach stellen“, sagt der Premieren-Sieger lachend.
Partner Urs Huber hatte beim Andalucia Bike Race mit Rückenproblemen zu kämpfen. „Das mich schon etwas Zuversicht für das Cape Epic gekostet, wenn ich ehrlich bin“, bekennt Huber.
Die ist nach intensiver physiotherapeutischer Behandlung allerdings wieder zurückgekehrt. „Ich habe das wieder in den Griff bekommen und bin gespannt. Wie sagt man so schön: auf eine missglückte Generalprobe folgt eine erfolgreiche Premiere.“
Bei weiterem Studium der Herren-Startliste springen einem noch einige interessante Paarungen ins Auge. Tim Böhme/Simon Stiebjahn (Team Bulls 2), Jochen Käß/Daniel Geismayr (Meerendal Centurion-Vaude 1) oder Rudi van Houts/Jose Hermida (Multivan-Merida) sind Podestkandidaten. Und wenn man das Siegerduo 2014, Robert Mennen/Kristian Hynek hernimmt, dann waren die im Vorjahr auch nicht mehr als das.
„Nach nun zwei Podest-Plätzen in den letzten beiden Jahren, müsste ich schon tiefstapeln, wenn ich sagen würde, ich will nicht wieder aufs Podium“, erklärt Tim Böhme. Also nicht tief stapeln. Der Deutsche Marathon-Meister macht aber Einschränkungen und fasst die so zusammen: „“Es ist und bleibt das härteste Etappenrennen der Welt, da gibt es keinen Puffer, keinen Bonus oder Goodwill.“
Die Vorbereitung, abgesehen von seinen Magenproblemen in Andalusien, sei reibungslos verlaufen und Partner Simon Stiebjahn habe er „sehr, sehr stark“ gesehen.
Der Deutsche Sprint-Meister spricht von einem „Leistungssprung“, den er vor allem bedingt durch den Südafrika-Aufenthalt im Oktober und November gemacht habe. „Es wird sicher schwer, den Erfolg vom Vorjahr zu wiederholen. Aber wenn man mal auf dem Podium gestanden hat, will man da auch wieder hin. Das ist unbeschreiblich und gibt extra Motivation“, meint Stiebjahn.
Hermida: Keine Scherze?
Was die Paarung Jochen Käß und Daniel Geismayr Wert ist, lässt sich in voraus noch schwer ermessen. Denkt man an das Swiss Epic im vergangenen Herbst, als sie nur unglücklich geschlagen Zweite wurden, darf man dem Ofterdinger und dem Österreicher schon einiges zutrauen. Ihm fehlt es allerdings noch an Erfahrung.
Es wäre eine Überraschung, wenn sie um den Sieg mitfahren würden, aber keine, wenn sie auf dem Podium stehen würden.
Bei Rudi van Houts und José Hermida ist das Potenzial dafür auf jeden Fall da. Ob sie es dann auch mit aller Konsequenz durchziehen, ist ein anderes Thema. Nehmen wir mal an, sie sind bis zur Hälfte noch in Schlagdistanz, dann muss man mit dem Niederländer und dem Spanier rechnen. An Erfahrung mangelt es dem Duo ja nicht. Van Houts war ja 2007 schon mal mit Bart Brentjens als Dritter auf dem Gesamt-Podium, Hermida blieb das bisher verwehrt.
„Keine Scherze, keine Etappenjagd, keine Toilettenpausen“, hat er sich für die Auflage 2015 vorgenommen. Als Cross-Country-Fahrer muss man sich dieses Jahr ja keine Sorgen machen, dass bis zum Weltcup-Auftakt (im Mai) zu wenig Erholungszeit bleiben würde, aber das mit den Scherzen sollte er sich noch mal überlegen.
Was Vorjahres-Sieger Robert Mennen mit seinem neuen Partner Jeremiah Bishop zu leisten vermag, das wird man erst nach ein paar Tagen sehen.
More to watch und Sahms braver, junger Teamkollege
Außerdem zu beachten: Philipp Buys/Matthys Beukes (Scott Factory Racing), Kevin Evans/Max Knox (Biogen-Volcano), die Neulinge Fabian Giger/Martin Gujan (Paarl Media OMX) und Darren Lill/Waylon Woolcock (RED-E Blend).
Bulls-Biker Stefan Sahm bildet mit dem südafrikanischen Youngster Timo Cooper ein Team unter dem Charity-Titel JAG Foundation. „Tim ist noch jung, hat aber großes Potenzial“, meint Sahm. Er sei im Rennen noch ein wenig „zu nett“, aber in den letzten Wochen habe er viel Selbstbewusstsein getankt.
Wenn’s darauf ankommt, dann würde Sahm natürlich seinen Bulls-Teamkollegen helfend zur Seite stehen, aber „erst einmal sind wir autonom“, sagt er Wahl-Südafrikaner, der mit Platt das Cape Epic dreimal gewonnen hat. „Schlussendlich geht es darum, das Beste für uns und die Charity herauszuholen.“
Am Sonntag geht’s los mit dem 20 Kilometer langen Prolog über den Tafelberg in Kapstadt. Alles was dann kommt, ist aber zwischen 71 und 128 Kilometer lang.