Hanna Klein: Vom Pferderücken zur WM-Medaille

Im Interview über Karriere, Kompromisse, Coaching

Hanna Klein hat ihre Karriere als Leistungssportlerin nach der Saison 2019 beendet. Das, was danach kommt, ist allerdings ein fließender Übergang, denn sie arbeitet schon ein paar Jahre im sportpsychologischen Bereich. Über 15 Jahre war die Nordschwarzwälderin Teil der deutschen und der internationalen Cross-Country-Szene, zwei WM-Medaillen hat sie gewonnen und in der U23 stand sie einmal auf dem Weltcup-Podium. Im Gespräch lässt sie ihre Karriere Revue passieren und spricht über die Knackpunkte, die ihr noch größere Erfolge verwehrt haben. Oder auch: warum sie darauf verzichtet hat.

 

Hanna, Du bist 32 Jahre alt und beendest Deine Karriere. Was genau hat dich jetzt dazu bewogen?

Das war ein Prozess der schon vor einiger Zeit begonnen hat. Jetzt bin ich an dem Punkt angekommen, an dem mein Beruf und der Hochleistungssport einfach nicht mehr kompatibel sind. Ich baue mir gerade eine Selbstständigkeit im Bereich Mental Coaching im Bereich Sportpsychologie, systemisches Coaching und wingwave (eine Methode zur Stress- und Emotionsverarbeitung). Da ist eine Grundvoraussetzung, dass man zeitlich flexibel ist. Die Aufträge und Arbeitszeiten ergeben sich relativ kurzfristig und sind nicht so planbar wie eine Tätigkeit in einem regulären Angestelltenverhältnis.

2019 war ich dann ja auch relativ spontan als Mentalcoach bei der WM in Kanada mit dabei. Das habe ich mir davor gut überlegt und die Entscheidung, dass ich in dieser anderen Rolle mitgehe war der erste Schritt in die Richtung, dass sich in Zukunft mein Fokus verlagern wird.

Es hat sich also nach und nach verdichtet?

Der Sport war für mich immer ein perfekter Ausgleich und hatte Priorität. Als mir dann mein beruflicher Weg wichtiger wurde und ich mit der Zeit auch mehr Aufträge bekam wurde es immer schwieriger beiden Bereichen gerecht zu werden. Ich bin im Herzen zu sehr Leistungssportlerin, um zu sagen, dass ich bei einem Rennen halt mal mit fahre, deswegen lag die Entscheidung dann irgendwann auf der Hand. Wenn ich zehn Tage nicht gut trainieren kann und danach einen Weltcup fahren will, das funktioniert halt einfach nicht.

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Durch ihr Karriere-Ende verzichtet Hanna Klein auf eine mögliche Teilnahme an der Heim-WM in Albstadt ©Benno Dietrich

Ist das auch der Grund, warum auf die einzigartige Möglichkeit einer Heim-Weltmeisterschaft in Albstadt verzichtest?

Es wäre einfach nur ein Jahr hinausgeschoben gewesen. Ich habe mir überlegt, ob es das wert ist, aber habe mich dann trotz der Heim-WM dagegen entschieden. Klar hätte es noch ein schöner Abschluss sein können, aber dann hätte ich beruflich noch mal runterfahren müssen. Und das wollte ich nicht. Dafür habe ich mir alles systematisch zu gut aufgebaut. Ich habe mittlerweile tolle Aufträge, gute Partnerschaften und spannende Projekte und es macht mir einen riesigen Spaß. Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, aber es fühlt sich richtig an.

Du wirst in anderer Funktion trotzdem bei der WM dabei sein.

Ja, richtig.

Wie muss man sich denn deinen Einsatz als Mental-Coach vorstellen?

Es ist so, dass jeder der möchte und Bedarf hat jederzeit zu mir kommen kann. Die Sessions sehen dann je nach Anliegen unterschiedlich aus. In Kanada war ich beispielsweise auch mal mit auf der Strecke und habe „in vivo“ gezielte Passagen gecoacht. Oder ich habe gezielte Themen bearbeitet, Entspannung vor dem Einschlafen oder Sonstiges. Das wurde ganz gut angenommen. Teilweise arbeite ich auch mit den Bundestrainern zusammen, allerdings selbstverständlich unter Berücksichtigung der Schweigepflicht.

Fahrtechnisch stark: Hanna Klein in der berüchtigten „La Beatrice“ in Mont Sainte Anne ©Marius Maasewerd/EGO-Promotion

Dass du dich in diesem Sport auskennst, auch im fahrtechnischen Bereich, ist das hilfreich oder gar notwendig? Oder könnte das auch jemand anderes machen?

Ich denke, schaden tut’s nicht (lacht). Es ist eine ganz gute Kombination wenn man weiß, wovon man spricht und bei technischen Aspekten oder konkreten Bewegungsvorstellungen auch sehr hilfreich.

Allerdings gibt es natürlich auch Methoden, die generell auf Druck, Nervosität oder die Angst vor einem Sprung oder einer schwierigen Abfahrt eingehen. Dafür muss man dann nicht unbedingt Rad fahren können, das geht auch unabhängig.

Das Potenzial von Hanna Klein war auch in der U23-Zeit erkennbar. Extra U23-Rennen für Damen gab es im Weltcup zu ihrer Zeit noch nicht, von WM und EM mal abgesehen. 2007 war sie in ihrem zweiten Jahr bei der WM im schottischen Fort William Neunte, 2009 fuhr sie in ihrem letzten U23-Jahr beim Klassiker in Houffalize, Belgien auf Rang 20 und in Champéry, Schweiz sogar auf Platz 16. Und das obwohl sie damals einmal ihren Sattel wieder gerade stellen musste. Sie war damit drittbeste U23-Fahrerin und durfte aufs Weltcup-Podium klettern. Fahrtechnisch gehörte sie immer zu den besten ihres Fachs. Je schwieriger, desto besser, vor allem wenn es nass wurde.

Es gab noch Top-20-Ergebnisse in ihrer Karriere, aber die Leistungskurve verlief nicht so, wie man das anhand des Talents vielleicht erwarten konnte.

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Rang 16 und Platz drei in der U23-Wertung hinter Julie Bresset (links) und Aleksandra Dawidowicz. Champery war eines der Lieblingsrennen von Hanna Klein ©Marius Maasewerd/EGO-Promotion

Also, deine Leistungssport-Karriere ist zu Ende. Sie hat so richtig begonnen bei den Juniorinnen. In deinem zweiten Jahr bist Du deutsche Meisterin geworden und hast bei der WM die Silbermedaille gewonnen. Das Versprechen, das sich in diesen Resultaten verbarg, hat sich nie ganz erfüllt. Im Rückblick, was war für dich der Knackpunkt?

(Lacht). Wenn ich das wüsste, wäre es vermutlich anders gekommen. Hmh, ich denke, es war unter anderem der Moment, in dem ich mich entschieden habe zu Studieren und etwas neben dem Sport zu machen, was mir ebenfalls wichtig ist.

Wann war das genau?

2008 habe ich mein Abitur gemacht und dann direkt angefangen zu Studieren. Die Prüfungen lagen immer in der Anfangsphase der Saison und vor den wichtigen Rennen im Sommer. Ich habe schon gemerkt, dass da einiges an Energie auf der Strecke geblieben ist. Dazu kommt, dass ich vielleicht auch von der Persönlichkeit nicht verbissen genug bin. In manchen Sachen zumindest.

Verbissen wie man als Leistungssportlerin sein muss?

Zumindest muss man sehr viele Kompromisse eingehen und auf viel verzichten.

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2010 in Houffalize, da war sie 22 und wurde 19. ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Wenn du dich selbst aus der psychologischen Perspektive anschaust..

..oh je oh je, die Frage hättest du mir mal früher stellen sollen. Dann hätte ich mir genauere Gedanken machen können (lacht).

Kann es sein, dass der Sport für dich nie die völlig dominierende Stellung in deinem Leben hatte, wie es sein muss, wenn man in der Weltspitze mithalten will? Top 20 im Weltcup ist dir ja ein paar mal gelungen, das ist ja schon sehr gut. Aber mit deinem Potenzial im konditionellen wie auch im fahrtechnischen Bereich wäre wohl mehr drin gewesen. Kompromisse darf man in der absoluten Weltspitze nicht mehr machen, oder?

Ja, vielleicht. Als Sportpsychologin weiß ich ja, dass es gar nicht gut ist, komplett verbissen zu sein. Aber was die Kompromisse angeht, glaube ich, dass das zum Teil schon ein bisschen auf mich zutrifft. Ich habe den Sport immer geliebt und finde es zum Teil auch schade, dass ich nicht das aus mir herausholen konnte, was die Trainer dachten, was drin gewesen wäre. Allerdings wäre ich dann jetzt auch nicht da, wo ich heute bin.

Natürlich wäre es toll gewesen, wenn ich als Sportlerin mal bei Olympia gewesen wäre. Aber vielleicht klappt es ja als Sportpsychologin (lacht).

Das hört sich nach einem zwiespältigen Gefühl an.

Ja, ist es auch. Einerseits denke ich, dass ich für eine gewisse Zeit die Prioritäten vielleicht anders hätte setzen können. Andererseits bereue ich es rückblickend nicht, dass ich es genau so gemacht habe und bin vollkommen zufrieden damit wie sich alles entwickelt hat.

Zeitweise gab es bei mir ja auch noch persönliche, familiäre Dinge auf die ich keinen Einfluss hatte (die Mutter ist 2006 an Krebs erkrankt und 2013 verstorben). Da ändert sich die Sicht auf das Leben grundlegend und es gab Ausnahmesituationen, die kann man nicht einfach zurückstecken. Von daher: der Sport ist schön, aber es gibt noch wichtigere Dinge im Leben.

Du hast gerade davon gesprochen, was andere Leute glaubten, dass für dich möglich gewesen wäre. Was hast du denn selber gedacht?

Ich hatte Rennen, da bin ich zwischen lauter Sportlerinnen mit großen Namen herum gefahren. Von daher wusste ich schon, dass ich es kann. Dann gab es aber auch Rennen, bei denen nicht alles zusammen gelaufen ist. Bei mir war ja beispielsweise auch der Start, der in unserer Sportart sehr wichtig ist, immer ein Thema. Ich wusste, dass ich was drauf habe und das Potenzial besitze auch weiter vorne zu fahren. Das hätte ich gerne noch häufiger gezeigt.

Mir wurde manchmal nachgesagt, dass ich alles zu locker sehen würde und nicht konsequent genug sei. Insofern, dass mir neben dem Sport auch andere Dinge wichtig waren, stimmt es, ja. Aber nicht, dass ich nicht hart trainieren oder nicht an meine Grenzen gehen wollte.

Tatsächlich erinnere ich mich an Rennen, in denen du im Ziel minutenlang kaum einen Ton rausgebracht hast, so kaputt hast du dich gefahren.

Ja, das war vor allem bei Hitze. Da hatte ich öfter meine Schwierigkeiten. Abgesehen davon bin ich ja auch eine Sportlerin, der man die Anstrengung nicht so ansieht.

Hanna Klein kommt aus einer Familie, in der Sport bis dahin keine Rolle gespielt hat, der Vater ist Musiker. Beim Bundesliga-Rennen in Münsingen auf der Schwäbischen Alb fällt sie zum ersten Mal auf. Münsingen klassischer Frühjahrs-Auftakt der MTB-Bundesliga und die U17 damals noch Teil der Serie. Hanna Klein gewann ihren ersten nationalen Vergleich 2:14 Minuten vor Sandra Weber (†) aus St. Märgen.

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U23-Podium beim Bundesliga-Rennen in Münsingen 2007. Links die spätere Teamkollegin Agnes Naumann, Tereza Hurikova und Hanna Klein im Dress vom Kross Racing Team ©Armin M. Küstenbrück

Spulen wir mal zurück zum Anfang. Wie ist denn aus Hanna Klein überhaupt eine Mountainbikerin geworden?

Die Geschichte habe ich schon oft erzählt, aber ich erzähl sie gern noch ein letztes Mal (lacht). Über das Reiten habe ich Almut Grieb (Junioren-WM-Dritte 2003 aus dem gleichen Ort) kennen gelernt und fand es spannend, was die so macht. Also bin ich mal mit ihr ins Training gegangen. Das hat mir Spaß gemacht und ich habe ihr altes Scott-Bike gekauft. Irgendwann war dann das Heimrennen in Oberlengenhardt und es hieß: jeder, der ins Training geht, fährt da mit. Ich wollte eigentlich gar keine Rennen fahren, aber dann dachte ich: okay, dann fährst du halt mal mit…

Wie alt warst du da?

Ich meine, ich war 13 Jahre alt. Mir hat es dann doch Spaß gemacht. Die Trainer und die Trainingsgruppe waren einfach toll und ich bin super gerne ins Training gegangen. Die Trainer meinten dann irgendwann, ich hätte Talent und ich soll doch mal ein bisschen trainieren. Und dann hab ich mir zu Weihnachten Klickschuhe gewünscht und bin mit meiner Familie nach Freiburg in den Urlaub, mein Vater hat gearbeitet und ich bin Rad gefahren. Dann ging es gefühlt extrem schnell. Ich bin noch ein paar Rennen hobbymäßig gefahren, habe dann eine Lizenz gelöst und über den Winter trainiert und dann direkt das erste Bundesliga-Rennen in Münsingen im zweiten Jahr in der U17 gewonnen.

 

Ich erinnere mich, dass du damals im Ziel überrascht, fast perplex gewesen bist.

Ja, das kam überraschend. Sandy Weber, Sabrina Morlock oder Silke Schmidt, die waren ja alle schon ernsthafter dabei (lacht). Das war echt krass, ich bin einfach gefahren. Ich kam dann in den Landeskader, dann in die Nationalmannschaft und es ging los mit Trainingsplan, Trainingslager und so weiter. Irgendwann hat es mich gepackt. Mir hat das Radfahren und auch das Rennen Fahren riesigen Spaß gemacht…

Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich nie alles auf diese Karte gesetzt habe. Viele sagen ja schon als Kind: ich will zu Olympia und eine Medaille gewinnen. Ich bin da einfach so reingestolpert und habe es gemacht, weil es mir Spaß macht. Deshalb bin ich auch die letzten Jahre noch gefahren. Das war mir immer wichtiger als die reine Fokussierung auf Medaillen. Im Sinne des Erfolgs ist das natürlich doof, aber das hat mir schon immer mehr gegeben.

Du bist also der Logik des Leistungssports nicht ganz gefolgt.

Naja, zu meinen schönsten Erinnerungen gehören schon auch meine größten Erfolge. Ich habe im Laufe meiner sportlichen Karriere einige Rennen gewonnen und bin auf dem Weltcup-Podium und dem Podium bei Weltmeisterschaften gestanden. Das sind unglaublich schöne und emotionale Momente und die Belohnung für viele harte Trainingseinheiten. Aber ich habe es nicht nur gemacht, um da oben zu stehen. Nicht ums Verrecken und um jeden Preis.

Die WM 2005 in Livigno, die war ja auch deshalb speziell, weil es wohl die einzige WM der Juniorinnen war, die nur über eineinhalb Runden ging..

..das war so komisch (lacht).

Die Strecke war 12,1 Kilometer lang und man ist bei den Juniorinnen zuerst eine verkürzte und dann eine komplette Runde gefahren. Mit den Rundenzeiten kann man da wenig anfangen. Aber es war klar, dass du der führenden Tereza Hurikova immer näher gekommen bist. Du warst nach einer halben Stunde Vierte mit zwei Minuten Rückstand.

Am Anfang war ich etwa Zehnte. Der damalige Bundestrainer Frank Brückner meinte vor dem Rennen, wenn wir auf unserer Startnummer ins Ziel kommen würden, wäre er happy. Ich hatte die Nummer neun. Ich habe gemerkt, heute geht’s. Ich weiß noch, jedes Mal, wenn ich meine Mutter sah, hatte ich noch Eine überholt. Wenn es noch ein bisschen länger gegangen wäre, hätte ich die Tereza vielleicht auch noch gekriegt.

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An Tanja Zakelj vorbei zu WM-Silber: Hanna Klein ©Armin M. Küstenbrück

Was ging dir da durch den Kopf? Hast du überhaupt an eine Medaille gedacht?

Ich wusste, dass ich Form habe. Durch das Höhen-Trainingslager in St. Moritz. Direkt anschließend war noch das Bundesliga-

Rennen in Wetter, das ich mit großem Vorsprung gewinnen konnte. Ich habe mich mega gut gefühlt, bin einfach mein Ding gefahren und konnte es kaum glauben, dass ich in diese Regionen rein gefahren bin. Irgendwann dachte ich, krass, da vorne fährt jetzt nur noch eine. Aber dann war das Rennen auch schon vorbei.

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Küsschen für die Silbermedaillengewinnerin: Silke Schmidt (links) und Sandra Weber (†). ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Das Team Rothaus-Cube war lange Zeit sportliche Heimat von Hanna Klein. In St. Märgen von Patrik Faller ins Leben gerufen, um Adelheid Morath und Benjamin Rudiger aufgebaut, entwickelte sich die Equipe vom Nachwuchs-Team zu einem wichtigen Faktor in der deutschen Cross-Country-Szene. Mit der Schwedin Alexandra Engen feierte man 2010 sogar einen U23-Weltmeistertitel und deren Landsfrau, die spätere Olympiasiegerin Jenny Rissveds, war eine Saison lang Gastfahrerin bei den Schwarzwäldern. Hanna Klein wechselte 2006 zu Rothaus-Cube.

Du wurdest erst von Cycle Sport unterstützt, warst kurz bei einem kleinen Kross-Team, dann lange Zeit beim Rothaus-Team von Patrik Faller unter Vertrag, aber auch zwei Jahre bei der französischen Equipe BH-Sr Suntour. Was war für dich die wichtigste Zeit?

Das war die Zeit bei Patrik Faller. Erst Rothaus-Cube, dann Rothaus-Poison Bikes und zuletzt Lexware-Rothaus. Das Team war von Anfang an sehr professionell organisiert und ich habe mich dort sehr wohl gefühlt.

Natürlich möchte ich mich in diesem Zuge auch bei jedem anderen Team und allen Trainern, Betreuern und Sponsoren die mich im Laufe der vielen Jahre unterstützt haben bedanken. Genauso wie beim Olympiastützpunkt Freiburg mit seinen Möglichkeiten, dem BDR (Bund Deutscher Radfahrer) für die vielen Kader-Maßnahmen und der Sporthilfe für die finanzielle Unterstützung. Aber besonders bei Patrik. Er war immer unglaublich engagiert und ich habe ihm und dem Rothaus-Team sehr viel zu verdanken.

Du bist dafür dann auch nach Freiburg gezogen.

Ja, um mein Abi zu machen und parallel den Leistungssport weiter betreiben zu können. Zu der Zeit habe ich dann auch eine Zeit lang im Sportinternat des OSP gewohnt.

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Ein emotionaler Sieg: Bundesliga-Rennen in Saalhausen ©Armin M. Küstenbrück

Die zwei Jahre bei BH-Sr Suntour stechen in deiner Karriere ein bisschen heraus. Wie war die Zeit bei den Franzosen?

Auch cool. Es war eine tolle Erfahrung, mit der anderen Sprache, mit der anderen Mentalität (schmunzelt). Es war super spannend, das zu erleben. Der Effekt, den ich mir erhofft hatte, hat sich nicht eingestellt. Aber es war ein super Team. Ich kam mit denen super klar und Pierre (Lebreton) ist ein toller Team-Manager.

Wodurch unterscheidet sich die Mentalität?

Hmmm…die sind irgendwie lockerer. Ich glaube, die machen sich einfach weniger einen Kopf über alle möglichen Dinge. Wenn es hieß, wir treffen uns zu einer bestimmten Zeit zu einem Meeting, dann war der Teamchef (Michel Hutsebaut) und Pierre da und ich und sonst niemand. Da wurde dann auch niemand nervös oder so, das war halt so und die anderen kamen dann irgendwann.

Oder ich erinnere mich auch an ein Trainingslager, da hat es Hunde und Katzen gehagelt. Ich bin mit Überschuhen und Regenhose, Regenjacke und Buff gefahren und habe mir trotzdem den Arsch abgefroren. Und die Teamkollegen hatten nur ihr dünnes Höschen an und haben dann gefragt: warum sollen wir jetzt umdrehen? Sie essen auch was sie wollen, egal ob es immer das Gleiche ist oder Nutella-Brötchen und sie fahren trotzdem schnell (lacht). Das war interessant… und manchmal ziemlich lustig.

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Hanna Klein im Trikot von BH-Sr Suntour-KMC ©Pierre Lebreton

Dass du die letzten Jahre noch mal ohne Team-Unterstützung deine Karriere fortgesetzt hast, was war die Motivation dafür?

Der Vertrag ist ausgelaufen. Die Situation mit den Teams war schwierig, einige haben aufgehört oder zurückgefahren. Da ich nach wie vor mit Patrik, Superior und Rothaus in Kontakt war und dann auch noch der Kontakt zur Sparkasse zustande kam, hat sich die Option ein eigenes Team auf die Beine zu stellen als beste Variante herausgestellt. Ich hatte nach wie vor Spaß am Rennen fahren und wollte und konnte damals einfach noch nicht aufhören.

Es war aber aufwändig, oder nicht?

Klar, es war nochmal eine Zusatzbelastung. Da steckt ja wahnsinnig viel Arbeit dahinter. Alles selber organisieren, Sponsoren finden, Trikotdesign, Trainingslager und Hotels buchen, Sponsorentermine, Betreuer für die Rennen organisieren und so weiter. Aber ich habe dabei auch wahnsinnig viel gelernt. Es war ein Schritt, der zwar sehr viel mehr Arbeit verursacht hat, aber ich konnte auch viel mitnehmen. So hatte ich den direkten Kontakt zu den Sponsoren, das war viel persönlicher.

Allerdings musste ich dann auch die Verhandlungen selber führen, was für mich komplett neu war, aber ebenfalls spannend. Die ersten zwei Jahr waren noch Patrik und Superior dabei und dann bin ich zu Scott gewechselt. Alles in allem waren die letzten vier Jahre mit dem eigenen Team noch mal eine komplett andere Erfahrung, aber es war ebenfalls eine tolle Zeit, die ich nicht missen möchte.

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Auch ein schöner Moment: WM-Bronze mit der Staffel 2013. Von links: Hanna Klein, Georg Egger, Manuel Fumic, Markus Schulte-Lünzum ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Was hat dir der Sport denn insgesamt gegeben?

Ich liebe es draußen in der Natur zu sein und Sport zu machen. Da geht mein Herz auf. Neben dem Biken hat mir an unserer Sportart die Abwechslung im Training immer gut gefallen. Rennrad fahren, Laufen, im Winter Langlaufen, aber auch das Treppentraining und Athletik-Training. Einfach den ganzen Körper und den Kopf beanspruchen. An sich zu arbeiten, sich zu verbessern und ans Limit zu gehen, das war für mich immer ein perfekter Ausgleich, weil ich ja auch noch studiert habe.

Das Beste allerdings ist das Gefühl in Form zu sein. Das ist unbeschreiblich. Alles passt, man hat Spaß und es geht alles einfach so leicht und man ist trotzdem besser als seine Konkurrentinnen.

Das andere waren die Reisen. Klar, es war kein Urlaub, aber ich habe trotzdem so viel erlebt. Das wäre ohne den Sport nie möglich gewesen. Ich war bei Weltmeisterschaften dabei, habe viele tolle Leute kennen gelernt und war mit Menschen unterwegs, die ich gerne mochte. Das war wie eine große Familie für mich. Es war ein Luxus, dass ich mich über meinen Sport auch noch ein bisschen finanzieren konnte. Teilweise war es natürlich auch super hart, aber ich habe mich in der Mountainbike-Szene sehr wohl gefühlt und das Gesamtpaket hat mir einfach sehr viel gegeben.

Und wie hat dich der Sport geprägt?

Ich habe gelernt: wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig. Und wenn ich etwas anfange, ist mein Ziel, das auch zu Ende zu bringen. Prioritäten zu setzen und verschiedene Aufgaben parallel zu meistern. Aber auch diszipliniert und ausdauernd zu sein und effektiv zu arbeiten. Zu Schul-Zeiten, bevor ich ans Internat ging, habe ich im Bus Hausaufgaben gemacht, dass ich Zuhause mehr Zeit für‘s Training hatte. Und während langen Trainingseinheiten habe ich meine anstehenden Aufgaben im Kopf sortiert, Konzepte und Pläne für die Uni erstellt oder Sitzungen vorbereitet und dann alles aufgeschrieben sobald ich Zuhause war.

Nicht zu vergessen die Persönlichkeitsentwicklung generell und die körperlichen Aspekte. Durch den Sport habe ich herausgefunden, wie ich funktioniere, welches Training bei mir die beste Wirkung zeigt, wie ich am schnellsten regeneriere oder was ich brauche um meine Energie wieder aufzuladen. Aber auch was nicht funktioniert und dazu zu stehen.

Das hört sich nach einem großen Lernfeld an.

Ja, das ist es auch.

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Da wo 2003 alles begann: Hanna Klein beim Bundesliga-Klassiker in Münsingen ©Thomas Weschta/EGO-Promotion

Du warst bei sieben Weltmeisterschaften dabei, die letzte WM-Teilnahme war 2013 in Pietermaritzburg, die letzte EM 2015 in Chies d’Alpago. Als Sportlerin. Du hast jetzt aber schon zwei Weltmeisterschaften von der anderen Seite erlebt.

Ja genau, und Albstadt wird voraussichtlich das dritte Mal sein, da freu ich mich drauf. Meine Karriere nach der Karriere hat ja parallel bereits begonnen. Unabhängig vom Mountainbike-Bereich habe ich inzwischen mit Sportlerinnen und Sportlern aus 23 verschiedenen Disziplinen gearbeitet,  einige vom Olympiastützpunkt, vom Sport-Internat in Freiburg, vom Ski-Internat in Furtwangen oder privat. Und auch außerhalb des Sports habe ich im Bereich Coaching, Hypnose und wingwave Klienten mit unterschiedlichsten Themen wie Prüfungsangst oder sonstige Ängste, Vorbereitung auf Konzerte, chronische Schmerzen und Verspannungen, Stress und so weiter.

Ich liebe diese Arbeit, sie fordert mich und macht mir sehr viel Spaß. Die Sportler und Klienten sind sehr dankbar wenn sie endlich Lösungen für ihre Themen haben und wenn sich ihr imaginärer Rucksack nach der Session plötzlich viel leichter anfühlt. Oder wenn sie durch neue Strategien endlich schaffen ihre Vorhaben umzusetzen, ihre persönlichen Ziele zu erreichen, oder sich ihren Herausforderungen und Ängsten zu stellen.

Insofern freue ich mich jetzt auf das was nach meiner sportlichen Karriere kommt und natürlich auch jederzeit über neue Anfragen (lacht).

 

Kurzporträt Hanna Klein

Alter: 32

Wohnort: Kirchzarten

Aufgewachsen: in Schömberg-Bieselsberg

Größte Erfolge: WM-Silber Juniorinnen 2015, WM Team-Bronze 2013, Deutsche Meisterin Juniorinnen 2015, Bundesliga-Sieg Saalhausen 2013, Bundesliga-Gesamtsieg 2015, DM-Silber Cross-Country 2015, DM-Silber Marathon 2014, Weltcup-16. Champery 2009 (3. der U23-Wertung), Weltcup-15. Andorra 2013, Weltcup-13. Cairns 2014

Homepage: www.hannaklein-coaching.de

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