Marathon-WM Singen: Sabine Spitz im „High-Alert“-Modus
FOTO | Vor der Marathon-WM in Singen gespannt, aber zuversichtlich: Sabine Spitz ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion
WM im Heimatland, das erlebt Sabine Spitz (Wiawis) am 25. Juni in Singen schon zum dritten Mal in ihrer Karriere. Oder erst zum dritten Mal, wie mans nimmt. Während sie 1995 in Kirchzarten mehr oder weniger zu den Anfängerinnen gehörte, gab es bei der Marathon-WM 2010 in St. Wendel die Silbermedaille. Sieben Jahre später ist die 45-Jährige erneut die größte Medaillenhoffnung im deutschen Lager. Ein Interview, geführt für die Presse-Arbeit der Marathon-WM in Singen, beschäftigt sich mit den Aussichten und den Besonderheiten der Weltmeisterschaften im eigenen Land, auch warum man im Hegau immer im High-Alert-Modus sein muss.
Sabine Spitz, Marathon-WM in Singen, nur eine gute Stunde von Deiner Heimat Murg-Niederhof entfernt. Wie dick angestrichen ist die in Deinem Kalender?
Die hängt schon sehr hoch. Auch bedingt durch die Erfolge bei den beiden vorangegangenen internationalen Meisterschaften in Singen, als in 2013 bei der EM Bronze und 2015 den EM-Titel gewinnen konnte, zählt für mich sicher die Marathon-WM genauso wie die Cross-Country-WM. Das sind meine beiden Highlights dieses Jahr.
Gibt es für die letzten Wochen vor der WM auch noch einen ganz speziellen Vorbereitungsmechanismus, nachdem die beiden ersten Weltcuprennen hinter Dir liegen?
Definitiv. Der Fokus der Trainingsgestaltung wird noch mal sehr stark an den Anforderungen des Kurses in Singen orientieren.
Wie genau sieht das dann aus?
Das werde ich nicht verraten (schmunzelt).
Und das Wettkampfprogramm bis dahin?
Nach dem Swiss Bike Cup in Gränichen (bei dem sie Zweite wurde) fahren und eine Woche später noch das Rennen in Lostorf (Schweiz) bei uns in der Ecke. Das sind zwei Cross-Country-Rennen. Es standen auch mal Marathon-Rennen zur Debatte, aber da muss man halt anschauen, was für Anforderungen der Hegau Bike-Marathon abverlangt und was diese anderen Marathon-Rennen für Charaktere besitzen. Ich denke aber, dass du für die WM die entsprechende Spritzigkeit benötigst, die du dir in Cross-Country-Rennen eher holen kannst.
Wenn siehst Du die Konkurrenz?
Von Sally Bigham weiß man dieses Jahr noch nichts, aber sie ist in Singen schon sehr stark gefahren (Anm.: Wie es aussieht, wird bei der WM wohl nicht am Start sein). Klar, Jolanda Neff, Annika Langvad, Gunn-Rita Dahle-Flesjaa und Esther Süss sind die Kandidatinnen. Da können aber auch viele auf der Meldeliste erscheinen, von denen ich sage: klar, haben die auch eine Chance. Vor zwei Jahren bei der EM war das auch so, wenn man sieht wer da vorne aufgetaucht ist. Da waren wir schon eine kleine Gruppe vorne und auf einmal waren wir bei Hilzingen wieder eine größere Gruppe. Wenn keine die Körner verschießen will, dann rollt das halt wieder zusammen. Die Gefahr besteht definitiv.
Würdest Du sagen, es ist besser die Entscheidung schon vorher zu suchen oder lässt man es eher auf die Schlussphase ankommen?
Ich denke, es wird Fahrerinnen geben, die vorher schon was versuchen. Gunn-Rita ist da so ein Beispiel, die gerne versucht Entscheidungen schon früh herbei zu führen. Annika ist auch jemand, die auch auf der Fläche Druck aufs Pedal bringen kann. Es wird aber auch von den äußeren Bedingungen abhängen. Wenn du an diesem Sonntag extreme Windverhältnisse hast, dann musst du dir halt überlegen, wie du das Ganze gestaltest. Solche Frauen-Rennen sind ganz schwer vorherzusagen.
Im Gegensatz zu den Herren, kann bei den Damen eigentlich keine eine Team-Karte spielen, oder? Allenfalls Esther Süss und Jolanda Neff könnten als Schweizerinnen zusammenarbeiten.
Je nachdem wer tatsächlich an den Start geht. Es könnte ja auch noch eine Linda Indergand (Schweiz) antreten. Die hätte auf dieser Strecke durchaus Chancen. Für Annika Langvad könnte sich auch Ariane Kleinhans (Schweiz) im Sinne von Specialized wirken, die sich auch vom Cape Epic her kennen.
Könnte man sagen, dass bei den Damen der Lotterie-Faktor etwas geringer ist als bei den Herren?
Hmm, nein, glaube ich nicht.
Und was machst Du, um den Faktor Glück zu minimieren?
Hmm. Eigentlich musst du während des gesamten Rennens in „High-Alert-Modus“, immer in Bereitschaft sein. Und den Mut haben, wenn sich eine entsprechende Gelegenheit bietet, zu sagen: jetzt probiere ich es einfach mal.
Es ist vermutlich nicht ratsam früh alleine loszuziehen?
Ja, hmm, kann man so auch nicht sagen. Wenn ich die WM 2015 sehe, im Val Gardena, okay, das war eine andere Topographie, aber Gunn-Rita hat da vom Start weg versucht sich mit Tempo vorne rauszuschrauben, dass sie hinten runter frei fahren konnte. Ich denke, es wird am Anfang ein höheres Tempo angeschlagen, um eine gewisse Selektion zu erzielen. In dieser kleineren Gruppe heraus wird man sich dann beäugen und in Weiterdingen den längsten Anstieg nutzen, um eine Vorentscheidung herbei zu führen.
Idealerweise wäre danach eine Dreier-Gruppe zusammen, die sich einig ist weil eine Medaille dann sicher wäre.
Ja. Aber auch da kann es sein, dass eine dann nur pseudomäßig Führungsarbeit macht und die von hinten wieder ran kommen.
Du hast auch schon die Marathon-WM 2010 in St. Wendel bestritten. Wie viel anders ist es, eine WM im Heimatland zu bestreiten?
Ich versuche mit Gelassenheit an den Start zu gehen, cool zu bleiben, denn auf dieser Strecke kannst Du nichts übers Knie brechen wollen.
Sabine Spitz hat in ihrer Karriere nicht nur drei olympische Medaillen gewonnen, sondern war auch schon Marathon- (09) und Cross-Country-Weltmeisterin (03). Insgesamt gewann sie sieben WM-Medaillen im Marathon (5 Silber), genauso viele wie Gunn-Rita Dahle-Flesjaa (Merida), die allerdings sechs Mal Gold holte.
Dazu kommen noch vier weitere WM-Medaillen im Cross-Country. Je zweimal war Sabine Spitz Cross-Country- und Marathon-Europameisterin, das letzte Mal eben 2015 in Singen.