„Verbotene Rennen“: UCI-Brief sorgt für Aufruhr
Mit einem Brief an alle nationalen Verbände hat der Radsport-Weltverband UCI die Mountainbike-Szene aufgewirbelt. Lizenzfahrer dürften laut Regel Nummer 1.2.019 nicht an Wettbewerben teilnehmen, die nicht beim nationalen oder internationalen Verband angemeldet sind.
Die Regel ist nicht neu und sie wurde in den vergangenen Jahren vielfach übertreten – ohne Konsequenzen. Doch Ende März, im Grunde im laufenden Betrieb, flattert den nationalen Verbänden Post in den Briefkasten, die nahelegt, dass die UCI die Regel strikter auslegen will. Bei Übertreten der Regel kann es zum Beispiel eine Sperre für den Lizenzfahrer geben.
Damit wird ein Problem offenbar, das es speziell im Mountainbike-Sport schon lange gibt, und zwar auf vielschichtige Weise.
Da ist einmal die Marathon-Szene. Es gibt Veranstalter, vor allem Agenturen, die ohne Vereinsbasis agieren, die sich die Anmeldegebühren und damit verbundene weitere Kosten, wie Anti-Doping und so weiter, sparen, weil sie ohnehin vor allem auf die Hobby-Biker zielen.
Allerdings werden solche Veranstaltungen auch von Lizenzfahrern frequentiert. Der Marathon beim Bike-Festival in Riva del Garda scheint zum Beispiel nicht angemeldet zu sein. Und auch die Transalp-Challenge ist es dieses Jahr wohl nicht.
„Das stellt unser Geschäftsmodell auf den Kopf“, sagt etwa Dirk Juckwer. Der Topeak-Ergon-Team-Manager stört sich dabei noch weniger am Umstand, dass es diese Regel gibt, als dass deren Einhaltung zu einem Zeitpunkt gefordert wird, an dem Verträge längst gemacht sind.
Für ein Marathon-Team, das gilt zum Beispiel auch für das Team Bulls, sind Riva und die Transalp-Challenge quasi Geschäftsgrundlage. Wäre der Brief im vergangenen Sommer gekommen, hätten die Veranstalter eine Anmeldung überdenken können und im Zweifelsfall die Teams auch ihr Wettkampfprogramm.
Enduro-Rennen: Nicht für Lizenzfahrer?
Eine zweite Konsequenz sind neue Wettbewerbe, die nicht in das Raster des Regelwerks passen. Das gilt zur Zeit besonders für die Enduro-Szene. Diese Disziplin gibt es bei der UCI offiziell noch gar nicht, kann also gar nicht angemeldet werden. Es gibt Ausnahmen. Der Brief, der UCI-Präsident Pat McQuaid als Absender hat, spricht von Militär-Meisterschaften oder Feuerwehr-Meisterschaften, aber nicht von einer Szene, die bereits seit Jahren existiert und immer mehr Verbreitung findet.
In Enduro-Rennen gehen etliche lizenzierte Downhiller und auch Cross-Country-Fahrer an den Start. Julien Absalon (BMC Racing) hat jedes Jahr Enduro-Rennen wie die Megavalanche bestritten und auch sein neuer Teamkollege Ralph Näf hat sich letztes Jahr darin gezeigt. Sie dürften nach dieser Logik bei Enduro-Rennen gar nicht an den Start gehen, zumal die Disziplin erst 2014 offiziell als solche aufgenommen werden soll. Ob die UCI allerdings etwas sanktionieren kann, was sie gar nicht betrifft, wäre eine juristisch knifflige Frage.
Mit dem Eliminator Sprint war das im Grunde bis 2010 dasselbe. Auch das war eine Grauzone, die nie sanktioniert wurde. Dadurch wurde die Entwicklung der Disziplin erst möglich gemacht.
Auf endurotribe.com wird auf eine Petition aus den USA hingewiesen, in der auf die Bedeutung für die Basis hingewiesen wird. Man lädt Pat McQuaid und die Verantwortlichen von US-Cycling zum Sea Otter Festival ein, um die Frage zu diskutieren. Sollten sich die Verbands-Oberen weigern, so droht die Petition mit einem Aufruf zum Lizenzverzicht und der Suche nach alternativen Versicherungen, die „zur Hälfte billiger wären“.
Die Versicherung stellt auch der Brief der UCI heraus. Die Fahrer wären im Falle eines Unfalls nicht versichert.
Auf velonews.com verweist US-Biker Jeremy Horgan-Kobelski auf die Rolle der unangemeldeten Rennen als „Pipeline“ in den Sport, einen Weg, den auch er selbst gegangen wäre.
Welche Rennen sind national angemeldet?
Gerade in den Vereinigten Staaten gibt es viele populäre Rennen, die nicht angemeldet sind. Zum Beispiel das Leadville 100, in dem auch schon Alban Lakata, Robert Mennen (beide Topeak-Ergon) oder Christoph Sauser (Specialized Racing) teilgenommen haben.
„Ich muss jetzt auch bei jedem Rennen überprüfen, ob es im jeweiligen nationalen Kalender angemeldet ist“, ärgert sich Dirk Juckwer.
Wenn Rennen national angemeldet sind, unterliegen sie aber auch, zum Teil sehr unterschiedlichen Beschränkungen. Zum Beispiel ist in Deutschland dann die Zahl der teilnehmenden Nationen (Lizenz-Fahrer) beschränkt.
Wäre eine Transalp-Challenge in Deutschland angemeldet, dann dürften jedenfalls nicht Lizenzfahrer aus 20 verschiedenen Nationen teilnehmen. In anderen Ländern gibt es aber auch wieder andere Regelungen.
Ob die Regel 1.2.019 grundsätzlich zu überdenken ist, darüber sollten nicht nur die US-Amerikaner diskutieren. Sie vertritt ja auch das berechtigte Anliegen, dem Sport ein verlässliches Gerüst zu geben, von der (Zwangs-)Versicherung mal abgesehen.
Der UCI-Brief wirft jedoch, wieder einmal, ein Schlaglicht auf das Regime des Weltverbands. Das wird im Lager der Mountainbiker als willkürlich und unkalkulierbar empfunden. Siehe auch die kurzfristige und intransparente Abschaffung der Four-Cross-Disziplin im Weltcup oder die Ablehnung einer Enduro-Serie für 2013, obwohl alle Voraussetzungen geschaffen waren.
Wie es jetzt weiter geht, ist vorläufig offen.