Weltcup Lenzerheide Nachgedreht: Sprechchöre, Kabelbinder und Bier-Party

Warum Thomas Litscher sauer war und was an Rang 4 schön sein kann

Generationenduelle in einer Lärmkulisse. Konzentration auf Rang drei zahlt sich aus. Kollission in der Tech-Zone. Der Boden der Tatsachen. Der Versuch nicht zu explodieren. Kleinere Brötchen und der Kampf gegen die 80-Prozent-Regel. Vom Weltcup in Lenzerheide. Nachgedreht, was hier noch nicht geschrieben stand.

 

Eine grandiose Atmosphäre, die sich da am Sonntag in Lenzerheide entfaltete. Jubelstürme bei Attacken von Schweizerinnen und Schweizern. „Nino, Nino“-Sprechchöre für Weltmeister Schurter. Mit Trompeten, Glocken und anderen Instrumenten bereiteten die offiziell 13000 Zuschauer eine großartige Lärmkulisse.

Lenzerheide hat viel von der WM-Feierlaune in den Weltcup-„Alltag“ mitgenommen. Dass die Schweizer Hausmacht erst am Ende des Tages im U23-Rennen durch Filippo Colombo den einzigen Sieg einfahren konnten, das konnte das Publikum seinen Helden nachsehen. Sie wurden auch so gefeiert. Und es war nicht so, dass die Konkurrenz davon nicht auch was abbekommen hat.

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Mathias Flückiger ©Traian Olinici

Mathias Flückiger (Thömus RN Swiss Bike Team) konzentrierte sich auf Rang drei, nachdem Mathieu van der Poel in der Spitzengruppe forcierte. Flückiger hatte zu Beginn 20 Sekunden Rückstand egalisiert. „Ich denke, das war die richtige Entscheidung. Die Strecke hier ist zwar technisch, was mir entgegen kommen müsste, aber es wird auf der Fläche viel mit Kraft gefahren, was mir nicht so liegt“, meinte Flückiger.

Die Entscheidung das Weltcup-Finale in Snowshoe nicht bestreiten wird, sondern nach der WM heimzufliegen, um sich auf die Marathon-WM in Grächen vorzubereiten, die wäre ihm nicht leicht gefallen, sagt Flückiger. „Aber man kann nicht alles machen“, meinte er. Was er damit aufgibt? Die Chance auf Gesamtrang drei! Vierter bleibt er aber auf jeden Fall. So gut war er im Übrigen noch nie.

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Thomas Litscher (KMC Ekoi Orbea) war nach dem Rennen reichlich sauer und stellte einen italienischen Konkurrenten zur Rede. Er war gut gestartet und am Ende der Spitzengruppe unterwegs, als er sich einen Reifendefekt holte. Er rettete sich bis zur Tech-Zone, wollte dort auf der linken Seite anhalten, doch direkt davor fuhr Nadir Colledani (Bianchi-Countervail) links an ihm vorbei.

Litscher stürzte und, schlimmer noch, zerstörte dabei seinen Schuh. Er musste also nicht nur das Rad tauschen, sondern sich auch noch den Schuh reparieren lassen. Allerdings musste er einige Runden später noch mal anhalten und sich den Schuh mit Kabelbinder noch mal fixieren lassen. So sprang nur Rang 26 heraus. „Am Ende hat die Maschine gut gearbeitet“, sagte Litscher und meinte damit seine körperliche Verfassung.

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Sina Frei und das Heimpublikum ©Andreas Dobslaff

Sina Frei (Ghost Factory Racing) und Catharine Pendrel (Clif Pro Team) duellierten sich um den fünften und letzten Platz auf dem Podium. Scheinbar, denn am Ende kletterten sie bei der Siegerehrung beide auf die Bühne, weil Jolanda Neff vor ihnen noch einen Defekt erlitt.

Es war gewissermaßen ein Duell zweier Generationen: Frei, erst 22 Jahre alt und eigentlich noch in der U23 startberechtigt und Pendrel, die Ende September 39 Jahre alt wird.

Für Sina Frei war es das dritte Weltcup-Podium in der Elite und zum dritten Mal der vierte Platz. Vor heimischem Publikum sicher der Schönste. „Es ist immer schwieriger vor eigenem Publikum abliefern zu können, aber es ist auch schön vor dieser Kulisse zu fahren, die Zuschauer sind einfach unglaublich“, sagte Frei.

Catharine Pendrel stand zum letzten Mal 2017 in Mont Sainte Anne, also vor fast genau zwei Jahren auf dem Weltcup-Podium. „Oh, ja, das fühlt sich gut an“, grinste die Ex-Weltmeisterin. „Das ist zusätzliche Motivation für die WM“, meinte die Kanadierin.

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Das Ghost Factory Racing Team hat bei den Damen zum sechsten Mal in Folge die Team-Wertung für sich entschieden, obschon Barbara Benko aus gesundheitlichen Gründen auf einen Start verzichtete. Sie gehörte im Ziel zu den ersten Gratulantinnen von Anne Terpstra (2.) und Sina Frei (4.). Zum ersten Mal standen gleich zwei Ghost-Bikerinnen auf dem Weltcup-Podium. Die Partie auf dem Podest hatte einen gewisse Bier-Nässe. Siehe unten.

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Ein (Podiums-)Tänzchen in Ehren, kann niemand verwehren: Ghost Factory hatte viel zu feiern ©Irmo Keizer

 

Das Team Cannondale Factory Racing gewann bei den Herren zum vierten Mal in dieser Saison und hat nun auch gute Aussichten seinen Titel aus dem Vorjahr zu verteidigen. Die Grundlage dafür legten Fumic und Co. schon am Freitag, als sie im Short Track vier Fahrer unter den besten Sechs hatten.

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Markus Schulte-Lünzum (Bike Way Racing Team) wurde 42. Nach der ersten Runde war er 68. „Ich konnte das Rennen von Anfang bis Ende durchziehen“, erklärte Schulte-Lünzum. „Ich wollte nicht explodieren, weil man sich hier ja nirgends erholen kann.“ Am Ende habe er ein wenig den Magen gespürt, der ihm bereits während der Woche Probleme bereitete. Deshalb etwas vorsichtig gewesen.

Dass er für die WM-Nominierung einen Leistungs-Nachweis abzuliefern musste, das hätte ihm schon Druck gemacht, bekannte Schulte-Lünzum. Bundestrainer Peter Schaupp klopfte ihm im Ziel aber auf die Schulter und bestätigte, dass ihm das reichte. Vorbehaltlich der Zustimmung des Sport-Direktors.

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Luca Schwarzbauer kurvt durch den Boden der Tatsachen©Traian Olinici

 

Luca Schwarzbauer (Lexware Mountainbike Team) konnte nicht an die jüngsten Ergebnisse in den Top 25 anknüpfen. „Ich bin auf dem Boden der Tatsachen gelandet“, meinte er selbstkritisch. Wobei, verdammen wollte er sich für Rang 44 (+7:11) auch nicht. „Vor sechs, sieben Wochen wäre ich damit noch zufrieden gewesen“, meinte Schwarzbauer, der sich über die gesamte Distanz zwischen Position 46 und bestenfalls 37 bewegte.

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Martin Gluth (Superior XC) backt derzeit kleinere Brötchen. „Es ist sicher nicht meine beste Saison“, meinte er im Ziel, das er als 52. erreichte. Dennoch zog er ein „positives Fazit.“ Er versuchte seine Stärke in den technischen Passagen auszuspielen und konnte am Schluss noch mal zulegen. Sechs Positionen machte er in den letzten Runden noch gut. „Mehr geht im Moment nicht“, meinte Gluth, „das muss ich akzeptieren.“

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Christian Pfäffle ©Traian Olinci

 

Christian Pfäffle (Stevens MTB Racing) erlebte einen unglücklichen Rennverlauf. Der Neuffener hatte bereits in der ersten Runde einen Hinterrad-Defekt. Das warf ihn nach einem gelungenen Start ganz ans Ende des Feldes. 3:11 Minuten nach der Spitzengruppe bog er an letzter Stelle als 112. in die zweite von sieben Runden ein. „Ich bin dann nur noch gegen die 80-Prozent-Regel gefahren“, so Pfäffle. Also gegen das vorzeitige Ende wegen drohender Überrundung.

„Das hat leider nicht geklappt“, zeigte sich Pfäffle enttäuscht. Trotz guter Rundenzeiten wurde er von den Kommissären eine Runde vor Schluss gestoppt. Mit einer Runde Rückstand wurde es nur Rang 75.

 

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