20 Köpfe für 2020 (12): Gleich am obersten Ende eingestiegen

UCI Offroad-Manager Simon Burney und die frühen Jahre des Mountainbike-Sports
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Es gibt nicht allzu viele Menschen, die über 30 Jahre hinweg Teil der Cross-Country-Szene waren. Simon Burney ist einer von ihnen. Beim Mercedes-Benz UCI Mountainbike Weltcup in Albstadt war der hagere Brite mit dem Silberhaupt in verschiedenen Funktionen präsent und seit kurzem ist er Kopf der Offroad-Disziplinen beim Radsport-Weltverband.

Doch Burney kennt den Sport auch aus anderen Perspektiven. Als Team-Manager, als persönlicher Manager von Sportlern und als National-Trainer.

 

Simon Burney fällt auf in der Mountainbike-Szene. Mit seinen 1,94 Metern Körpergröße und den silbergrauen Haaren. Seit 2007 zudem weil er für die UCI bei den Weltcups und bei den Weltmeisterschaften präsent war. Erst als Technischer Delegierter, dann als Koordinator. Doch man würde ihm nicht gerecht, wenn man ihn als reinen Funktionär einordnen würde. Vom aktiven Cyclo-Cross-Fahrer mit viel zu frühem Karriere-Ende, über den Bikeshop-Besitzer wurde er in den frühen Jahren des Mountainbike-Sports zum jungen Manager mehrerer Team-Formationen.

Er arbeitete mit vielen Weltcupsiegern zusammen, darunter dem dreifachen dänischen Weltmeister Henrik Djernis und auch Olympiasiegerin Sabine Spitz fuhr 1999 bei American Eagle unter seiner Ägide. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Seit diesem Jahr ist er bei der UCI als Off Road-Manager Nachfolger des Belgiers Peter van den Abeele, den er in den 90er-Jahren als Fahrer unter Vertrag hatte.

Simon Burney, Sie waren für die UCI lange Zeit als Freiberufler tätig. Erst seit Beginn dieser Saison sind sie als Off-Road-Manager in verantwortlicher Position. Ausgerechnet jetzt, in Zeiten der Corona-Pandemie.

Ja, ausgerechnet in dieser großen Krise (lacht). Aber die Situation ist für alle unbekannt. Es gibt Leute, die sagen, wir sollen den Weltcup einfach absagen. Aber es ist nicht an erster Stelle unsere Sache abzusagen. Nehmen wir Nove Mesto. Sie können es im Mai nicht machen, aber sie sagen, wir können es im Herbst machen, im September oder Oktober. Letztlich haben wir einen Vertrag.

Es ist wirklich kompliziert. Wir wollen natürlich noch so viele Rennen wie möglich haben und deshalb wären wir froh, wenn wir im Oktober noch Rennen hätten oder wann man im jeweiligen Land was machen kann. Es wird vermutlich eine kurze Saison mit vielen Rennen, aber es wäre nicht fair gegenüber den Sportlern, den Teams und deren Sponsoren alles abzusagen.

 

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es sicher schwierig irgendwas zu planen.

Das ist es. Im Moment weißt du nicht, was passiert. Du kannst nur von einem Rennen zum anderen schauen, das abgesagt wird. Erst wenn wir Licht am Ende des Tunnels sehen, können wir wirklich beginnen zu planen. Es ist nicht einfach.

 

Im Moment gibt es also noch keine konkreten Pläne für einen möglichen Rest der Saison?

Nein. Man muss sehen: jeder Event-Organisator ist in einer anderen Situation. In allen Ländern gibt es unterschiedliches Vorgehen, andere Gesetze. Dann ist es so, dass jedes Event anders aufgestellt ist. Manche hängen am Tourismus, manche an einer privaten Agentur oder an einem Sponsor. Überall ist es anders.

Wir müssen auf die Organisatoren warten, die uns sagen, dass sie auf Oktober ausweichen können oder was auch immer. Die Weltmeisterschaften haben Priorität und wir müssen erst mal abwarten, welches Datum möglich ist. Dann können wir die anderen Events drum herum planen.

 

Simon, es ist eine sehr lange persönliche Geschichte, die sie in diese Funktion bei der UCI geführt haben. Wie hat denn alles begonnen?

Mein Vater war ein Läufer, ein sehr guter Läufer. Als Kind war ich mit ihm immer bei Wettkämpfen. Ich war im gleichen Klub wie er, habe dort trainiert. Ich war..puhh..früher Teenager vielleicht, als ich mein erstes Bike wollte – weil alle eins hatten. Ich habe das wirklich gemocht, auch das Fahrrad zu putzen, daran zu arbeiten, neue Teile zu kaufen und solche Dinge.

In Großbritannien gibt es neben dem nationalen Radsportverband den Cyclist Touring Club (CTC), was die Zahl der Mitglieder angeht, immer noch der Größte. Die machen jeden Sonntag Ausfahren. Ich war vielleicht 15 und der Typ, dem der Bikeshop in meiner Stadt gehörte, hat daran immer teilgenommen. Und er hat Kinder animiert da mitzumachen.

So bin ich auch dazugekommen. 30, 40 Leute, Kinder und Erwachsene. Um 10 Uhr ging es los und dann bist du den ganzen Tag gefahren. Das war eine gute Art was über Radfahren zu lernen. Auch über Radsport, weil auch Leute dabei waren, die Rennen gefahren sind.

 

Das heißt, es war für Sie auch der Einstieg in den Wettkampf-Sport?

Im ersten Junioren-Jahr habe ich mein erstes Rennen bestritten, mit 16. Vorher bin ich keine Rennen gefahren. Es waren Straßenrennen und Zeitfahren, was damals ziemlich groß war bei uns. Im Klub haben sie mir dann von Cyclo-Cross erzählt.

Ich war ja als Läufer groß geworden und deshalb hat das für mich gewissermaßen Sinn gemacht (weil es beim Cyclo-Cross auch Laufpassagen gibt). Ich habe mich dann ein wenig mehr auf Cyclo-Cross und Straßenrennen konzentriert. Profi bin ich dann mit 21 geworden und habe an Profi-Cyclo-Cross-Weltmeisterschaften teilgenommen.

 

Das heißt, Sie sind internationale Rennen gefahren?

In Frankreich, Schweiz und ein bisschen in Belgien. Ich habe mit Kollegen trainiert, die aus der Nähe kamen, Tim Gould und David Baker. Sie waren wie ich Cyclo-Cross-Fahrer. Als ich 23 war, hatte ich einen Crash, im ersten Rennen der Saison. Ich habe mich ziemlich schwer verletzt und einige Wochen im Krankenhaus. Damit war meine Radsport-Karriere beendet.

 

Was war denn Ihr bestes Resultat?

Heute hätte ich noch ein Jahr in der U23 als ich meine Karriere beenden musste. Rückblickend muss ich sagen, ich war noch zu jung. Ich bin vielleicht zu früh große Rennen gefahren, für die ich noch nicht gut genug war.

Im britischen Schul-System beendet man mit 16 das O-Level (Ordinary Level), macht dann eine Ausbildung oder besucht weiter die Schule, um mit dem A-Level (Academic Level) die Studienvoraussetzungen zu erlangen. Simon Burney hat die Schule nach einem Jahr A-Level verlassen, um eine kaufmännische Ausbildung zu absolvieren. Nicht in irgendeinem Unternehmen, sondern bei Raleigh, das seinen Sitz in Burneys Heimatstadt Nottingham hatte.

Raleigh ist in deutschen Radsport-Kreisen nicht zuletzt dadurch bekannt, dass erst Dietrich Thurau (77), dann Klaus-Peter Thaler (78) für Ti-Raleigh bei der Tour de France das Gelbe Trikot trugen. 12000 Mitarbeiter waren damals für das Zweirad-Unternehmen beschäftigt, auch Simon Burneys Vater.

Die Auszubildenden hatten die Möglichkeit verschiedene Abteilungen zu durchlaufen und am Ende mehr oder weniger wählen, in welcher sie arbeiten wollten. Doch Simon Burney wollte seine Rad-Karriere voran treiben und blieb nach der Ausbildung nicht lange. Stattdessen eröffnete er einen Bikeshop.

 

Sie hatten da schon einen Bikeshop eröffnet.

Ja, den hatte ich im Alter zwischen 21 und 25. Das ermöglichte mir zu trainieren, Rennen zu fahren und gleichzeitig konnte ich die Rennen nutzen, um meinem Bikeshop zu helfen. Nachdem ich aufhören musste Wettkämpfe zu bestreiten, habe ich dann auch den Shop verkauft. Zu der Zeit habe ich Tim gemanagt.

 

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Langjährige Weg-Gefährten: Simon Burney (links) und Thomas Frischknecht ©Privat

Es ging quasi fließend in die Karriere als Radsport-Manager über.

Yeah, so war es. Mehr oder weniger zufällig bin ich gleich am obersten Ende eingestiegen (lacht).

 

Weil Tim und Dave Ihre Freunde waren?

Ja. Ich habe Fahrer gemanagt, die halt große Rennen gewonnen haben. Ich musste ziemlich schnell lernen. Wie man Sponsoren gewinnt, wie man mit ihnen arbeitet. Was man für ein Team organisieren muss, das wiederum sehr schnell gewachsen ist. Es war ziemlich international.

Wir waren die ersten Europäer in den USA, aber 1992 hatten wir als Peugeot/Look-Team mit Mike Kloser den ersten Amerikaner in einem europäischen Team. Es war ein neuer Sport an neuen Orten. Wie gesagt: ich musste schnell lernen. Aber es war super spannend in diesen Sport involviert zu sein.

 

Beendet war nach der Verletzung aber nur Ihre aktive Karriere.

Ich konnte nicht arbeiten und hatte nichts zu tun. Tim Gould und David Baker waren etwas jünger als ich und habe begonnen sie zu unterstützen. Wir haben ein kleines Team ins Leben gerufen (Ace Racing Team) und ein kleines Sponsoring bekommen. Das haben wir ein Jahr lang gemacht und im Jahr darauf hat uns dann Peugeot Cycles gesponsert.

Wann war das?

1988. Im Winter Cyclo-Cross, im Sommer Straßenrennen. In diesem Jahr hat Peugeot sein erstes Mountainbike auf den Markt gebracht. Sie haben uns ein paar gebracht und gesagt, wenn wir auf ein paar Rennen gehen könnten, wäre das toll. Die Jungs sind dann zu den ersten britischen Rennen gegangen, die vom Mountain Bike Club of Great Britain organisiert wurden. Es war damals noch nicht unter dem Dach des Radsport-Verbands.

Sie sind also zu diesen Rennen gegangen.

Die Leute, die dort gefahren sind, das waren keine Straßenfahrer oder Cyclo-Crosser. Die habe Mountainbikes gekauft und sind damit gefahren. Unsere Jungs waren auf einem ganz anderen physischen Niveau und sie haben im Grunde alles gewonnen. 1988 sind wir zu den Grundig

Weltmeisterschaften in Crans Montana in der Schweiz. Das war zum ersten Mal, dass wir die Amerikaner gesehen haben. John Tomac, Ned Overend, Mike Kloser kamen rüber. Kloser hat gewonnen, ich glaube vor Overend und David war Dritter oder Vierter, jedenfalls der beste Europäer.

 

Das gab noch mal einen Schub für das Team?

Es war damals ziemlich einfach Sponsoren zu bekommen. Peugeot hat sich sehr gefreut, dass wir so gut waren. So kam es, dass wir im Winter Cyclo-Cross gefahren sind und Mountainbike anstatt Straße im Sommer. Mountainbike wurde für das Team immer wichtiger.

Das Sponsoring hat dann von Peugeot Großbritannien zu Peugeot Frankreich gewechselt und wir waren dann die ersten Europäer, die zu Rennen in den USA geflogen sind. Wir sind zum Finale der NORBA (National Off Road Bicycle Association) nach Big Bear geflogen. Tim (Gould) hat gewonnen und dabei Ned Overend geschlagen. Es war das erste Mal, dass das passiert ist. Amerika war das Herz des Ganzen. Dort war das Geld, die Sponsoren, die frühen Rennen.

 

In welchem Jahr war das?

Das war 1989. Dann sind wir nach Mammoth Mountain zu den inoffiziellen amerikanischen „Weltmeisterschaften“. Sie wurden, ich glaube Fünfter oder Vierter und Neunter. Es war zum ersten Mal, dass wir in der Höhe von über 2000 Metern Rennen gefahren sind. Das war ziemlich hart. Die europäischen Weltmeisterschaften fanden in Spa (Belgien) statt. Ich glaube Mike Kluge hat gewonnen (tatsächlich war es John Tomac), David (Baker) war Zweiter.

Das bedeutet, Sie waren mit Ihrem Team gleich ganz vorne mit dabei, als es mit dem Mountainbike-Sport richtig los ging.

Irgendwie waren wir zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle – mit den richtigen Fahrern (lacht). Meine eigene Radsport-Karriere war wegen meiner Verletzung viel früher beendet als ich gehofft hatte, aber ich konnte mit meinen Freunden arbeiten. Erst im Cyclo-Cross und zum Mountainbiken sind wir ziemlich einfach gekommen. Sie kannten sich aus mit Offroad-Cycling, waren ziemlich fit.

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Eines der Bücher, die Simon Burney geschrieben hat ©Privat

Weil wir die Ersten waren, die in die USA gegangen sind, haben wir auch viele Sponsoren von dort bekommen. Zufällig gleichzeitig passierte die Geschichte mit Frischi (Thomas Frischknecht), der von Ritchey verpflichtet wurde. Da war ein US-Guy, der mit Don Myrah zu Cyclo-Cross-Rennen nach Europa kam und für Ritchey arbeitete.

Er sprach Frischi an, hey du solltest nach Amerika kommen, um dort Mountainbike-Rennen zu fahren. Dann kam noch Henrik Djernis (Dänemark) dazu, auch vom Cyclo-Cross.

Bei der ersten UCI-WM 1990 in Durango (USA) wurde Tim Dritter hinter Ned Overend und Frischi. Das Ritchey-Team und mein Peugeot-Team waren eng verbunden weil uns Ritchey seit 1990 auch gesponsert hat. Wir sind zusammen gereist. Bei europäischen Rennen habe ich beide Teams organisiert. In Amerika hat sich Dave Mc Laughlin drum gekümmert. Ritchey war die Verbindung zwischen den beiden Teams.

Da hatten sie es mit sehr hochkarätigen Fahrern zu tun.

1991 gewann Tim Gould das erste offizielle UCI Mountainbike Weltcup-Rennen in Bassano del Grappa (Italien). Der Sport entwickelte sich rasend schnell, die TV-Präsenz auf Eurosport war gut, die Sponsoren waren da. Es war ein neuer Sport und er wuchs sehr schnell. Ich war einfach am richtigen Platz, als es los ging.

Dem Cyclo-Cross-Sport blieb Simon Burney bis heute treu. Fahrer aus seinen Teams waren auch im Winter auf schmalen Reifen unterwegs. Schon 1989 schrieb er ein Buch über Cyclo-Cross-Training, das 2009 in seine dritte Auflage ging und teilweise war er bei Events im Cyclo-Cross involviert. Unter anderem organisierte er einen Weltcup. Zudem war er eine Zeit lang als Co-Kommentator bei TV-Übertragungen vom Cyclo-Cross-Weltcup aktiv.

Sie kamen als Cyclo-Cross-Fahrer und haben den Mountainbike-Sport entdeckt. Was war Ihre Perspektive auf diese neue Sportart? War es einfach eine Sache, die Spaß gemacht hat, haben Sie darin einen Markt gesehen oder was war es?

Als wir begonnen haben, hatten wir keine Ahnung. Wir sind das wie Cross-Rennen gefahren. Wir haben die Mountainbikes fast wie Cyclo-Cross-Räder gesehen. Wir haben Cyclo-Cross-Pedale dran gemacht, die Lenker haben wir dem Cyclo-Cross angeglichen. Erst als wir nach Amerika gegangen sind und die Strecken dort gesehen haben, erkannten wir, dass Cyclo-Cross nicht das beste Vorbild war.

Wir waren von Campagnolo gesponsert, was ein ziemlich schweres Equipment war. Ich erinnere mich, dass ich mich mit Daryl Price unterhalten habe. Der ist damals für Specialized gefahren. Die hatten Shimano-Equipment und im Vergleich mit Peugeot-Campagnolo war der Gewichtsunterschied beträchtlich. Wir haben schnell begriffen, was wir ändern mussten.

 

Und wie haben Sie die Entwicklung der Sportart damals eingeschätzt?

Wir wussten immer: Mountainbiken, das geht nicht mehr weg, das wird größer und größer. Viele Cyclo-Cross-Fahrer haben drüber gelacht und auch Straßenfahrer dachten, es sei eine einfache Angelegenheit. Sie könnten kommen und einfach machen. Immer mal wieder hat man Straßenfahrer gesehen, die gekommen sind und es probiert haben, weil sie dachten, sie könnten eine Menge Geld gewinnen. Aber das hat nicht funktioniert.

Für einen Cross-Fahrer war es einfacher, aber es war auch ein Unterschied. Die Anstiege waren lang und die Rennen waren länger, zweieinhalb bis drei Stunden. Es war ja anders als heute. Aber wir habe es vom ersten Tag an ernst genommen. Die Jungs, mit denen ich gearbeitet habe, die wollten die Rennen immer gewinnen, sie wollten immer lernen. Sie sind die Mountainbike-Rennen nicht gefahren, weil es der Sponsor wollte. Sie haben schnell realisiert, dass sie da gut mitfahren konnten und ihren Lebensunterhalt damit verdienen.

 

Konnte man damals als Cyclo-Cross-Fahrer von den Einkünften leben?

Mike Kluge oder Frischi: ja, auch Djernis. Aber für einen Briten war es schwer, es sei denn du hast in der Schweiz gelebt. Damals waren die besten Fahrer dort und es war viel Geld da. Weltmeister haben gutes Startgeld bekommen, aber für Briten, die niemand kennt, war das schwierig.

 

Die 90er waren in dem jungen Mountainbikesport vermutlich ziemlich wild.

Ja, das war so.

Wenn Sie diese Zeit mit heute vergleichen, den Sport, die Atmosphäre in der Szene. Was hat sich hauptsächlich verändert?

Hmm, interessante Frage. Ich denke, Cross-Country hat sich nicht so sehr verändert wie Downhill. Im Downhill ging es in den 90ern um die Rennen, aber es ging auch um die Persönlichkeiten. Die haben Partys gemacht und Zeug für die Magazine. Das hat sich stark verändert. Aber nicht im Cross-Country. Schon in den frühen Tagen mit Frischi, Overend, Tomac, alle haben den Sport so professionell und seriös betrieben, wie sie konnten. Es ist kein großer Unterschied in dem was Frischi 1991 getan hat und was Nino 2020 macht.

In der Mitte der 90er gab es riesige Zuschauer-Mengen, TV-Übertragungen, die Sponsoren waren da, es gab viele Teams, viele Fahrer. Es gab Qualifikations-Rennen beim Weltcup, 250 Starter beim Weltcup in Houffalize und so weiter. Die Atmosphäre hat sich nicht verändert, aber im Downhill sind sie professioneller geworden. Es geht um Leistung und die Persönlichkeit kommt danach.

 Simon Burney_Michiel van der Heijden_Jolanda Neff_by privat.
Simon Burney mit den U23-Weltmeistern von 2014, Michiel van der Heijden und Jolanda Neff ©Privat

Wo sehen sie Meilensteine in der Entwicklung des Cross-Country-Sports?

Ich denke, der Sport war in einer guten Situation in diesen frühen Jahren. So früh ein olympischer Sport zu werden (1996), hat viel Aufmerksamkeit gebracht. Aber vielleicht ist er dadurch zu schnell gewachsen und ich denke, daran hat er Ende der 90er-Jahre auch gelitten. Bis 2008 war es dann ziemlich schwierig.

Der Sport hat versucht die Dinge gleich zu machen wie immer, aber die Leute wollten neue Dinge probieren. Ich denke an 24-Stunden-Rennen, an Etappen-Rennen, später Enduro. Jeder wollte was Neues machen. Das hat zu einem Rückgang geführt, im TV war Mountainbike kaum zu sehen, Teams hatten es schwer Sponsoren bekommen.

 

Das Abenteuerliche der frühen Zeit war in dieser Phase ab Ende der 90er verschwunden, die Verkaufszahlen der Mountainbikes flachten ab, der Markt bereinigte sich. Man hatte sich zu wenig um die Weiterentwicklung der Disziplin gekümmert. Im Gegenteil: 2003 wurde die Renndauer kurzfristig sogar wieder nach oben korrigiert.

Bei den olympischen Spielen in Peking war die Übertragung der Mountainbike-Rennen die teuerste Produktion aller Disziplinen. In den Waldpassagen benötigte man zu viele Kameras, um das Geschehen einzufangen. Zudem war das Rennen langweilig, weil auf der Strecke rasch zu große Abstände zwischen den Positionen entstanden sind und man nur vereinzelte Fahrerinnen und Fahrer durch den Wald huschen sah.

Danach wurden Konsequenzen gezogen. Die Rennen der olympischen Spielen in London 2012 wurden im Hadleigh Park auf einem künstlich angelegten Kurs in einem offenen Gelände ausgetragen, das den Zuschauern vor Ort die Möglichkeit bot sehr viel zu überblicken. Der Produktions-Aufwand war deutlich reduziert, das Renngeschehen bis zum Schluss spannend und Mountainbike als Bestandteil des olympischen Programms gerettet.

 

Danach gab es eine Wende?

Ich denke, Peking 2008 war ein großer Wake-Up-Call. Der UCI hat man gesagt, wenn sich Cross-Country nicht signifikant verändert, dann wird die Sportart aus dem olympischen Programm genommen. Ich denke, das war der Punkt an dem sich die Strecken verändert haben, kürzer wurden und attraktiver für das Fernsehen und die Zuschauer.

Ich meine, der erste war in Offenburg. Die Art der Strecken, einzelnen Passagen Namen zu geben und Zuschauer-Wegen, das war der Startschuss für das, was wir jetzt haben. Nach Peking 2008, das war die größte Veränderung, die der Cross-Country-Sport auch gebraucht hat.

 

Sie sagen, dass es das gebraucht hat.

Ja, im gleichen Stil wäre es nicht weiter gegangen. Es wäre immer schlechter geworden. Der Olympia-Kurs in London 2012 war etwas, was wir vorher nie hatten. Diesen Stil haben manche Weltcup-Events übernommen, Rio war ähnlich. Der nächste Schritt war Red Bull TV. Das war vielleicht der zweitwichtigste Schritt.

Dass diese Leute involviert waren, forcierte bei allen Beteiligten Verbesserungen, das Ziel professioneller zu werden und ein gutes Produkt abzuliefern. Was wir jetzt haben, funktioniert gut und die (User-)Zahlen gehen weiter in die richtige Richtung. Sie wollen weiter investieren.

 

Was ist Ihre persönliche Motivation auch nach so langer Zeit Teil des Ganzen zu sein.

Oh, ich liebe die Rennen und Teil davon zu sein. Als Rennfahrer habe ich zu früh aufgehört, aber ich habe das weitergetragen, diese Spannung und die Leidenschaft. Ich habe meinen Platz gefunden. Ich war lange Zeit Team-Manager, dann Coach und jetzt bei der UCI. Aber es ging immer um die Rennen.

 

Ist es eine Art Familie?

Ja, sicher. Es gibt Leute, die aufhören und du merkst gar nicht wie viele gekommen und gegangen sind. Ich habe 30 Weltmeisterschaften erlebt, du siehst sie als Junioren, als U23-Fahrer, dann Elite und irgendwann hören sie auf. Es ist eine kleine Community. Es ist kein Fußball, jeder kennt jeden.

Der Weltcup-Zirkus, der von einem Ort zum anderen wandert. Vielen denken gleich. Es gibt einige Leute, die mache gutes Geld, aber es ist nicht das Entscheidende. Es geht um den Sport und die Leidenschaft dafür. Vielleicht habe ich jetzt ein wenig Einfluss, wohin sich der Sport entwickelt, aber es geht immer noch um die Rennen und die Sportler.

 

Es sind beeindruckende Zahlen, die belegen wie sehr Simon Burney mit dem Mountainbike-Sport verbunden ist. 205 von insgesamt 220 Cross-Country-Weltcup-Events hat er vor Ort erlebt. Zuletzt verpasste er 2012 wegen einer Knie-Operation einen Weltcup. Bei allen bisherigen 30 offiziellen Weltmeisterschaften war er mit dabei. Und auch bei ein paar Vorgängern, als Mountainbike in der UCI noch nicht als Disziplin anerkannt war. Trotzdem scheint er dessen immer noch nicht müde.

 

Gibt es in Ihrer Karriere im Radsport Highlights, auf die Sie besonders gerne zurückblicken?

(Lacht und überlegt). Eines war sicher das Mountainbike-Rennen der Commonwealth Games in Australien 2006. Ich war Coach des englischen Teams und wir haben mit Liam Killeen und Oliver Beckinsale Gold und Silber gewonnen. Das war wohl das beste Resultat, das ich in dieser Position hatte. Sie haben da gute Australier und Kanadier wie Roland Green (2-facher Weltmeister) geschlagen.

Aber es ist nicht das gleiche, wenn du Team-Manager bist oder für die UCI arbeitest, wie für einen Fahrer und ein großes Rennen gewinnst. Ich kann da nichts beeinflussen. Aber wenn ich an große Events denke, fällt mir zum Beispiel die WM in Lenzerheide ein. Als Nino (Schurter) gewonnen hat, die Minute, bevor er vor dieser riesigen Menge die Ziellinie überquert hat, vor seinem Heimpublikum. Da kam alles zusammen.

 

Welche Personen haben Sie denn am meisten beeinflusst?

Puuh. Gute Frage. Aber ja, da ist ein Mensch namens Richard Duffell. Ich habe ihn bei Raleigh getroffen und er war ein guter Freund. Er war bei den Cyclo-Cross-Rennen mit dabei und wurde schließlich Marketing-Manager bei Peugeot. Er ist das Risiko eingegangen unser Team mit Peugeot-Bikes zu sponsern.

Ohne das, wäre die Geschichte anders verlaufen und sein Einfluss war in dieser Zeit ziemlich groß. Es gibt eine Menge Leute im Radsport, die wichtig waren. Ich denke auch an Sid Standard den Besitzer des Bikeshops, der mich zum Radsport brachte. Der hatte einen wirklich großen Einfluss.

 

Was denken Sie über die Persönlichkeiten in diesem Cross-Country-Sport?

Es kommt drauf an, wie man Persönlichkeiten definiert. Wir haben einen großen Mix an Persönlichkeiten. Cross-Country ist ein Sport, in dem man viel alleine trainiert. Die Athleten sind zufrieden mit sich selbst, die ruhig und motiviert sind und sie sind nicht notwendigerweise große (extrovertierte) Persönlichkeiten.

Ich glaube, im Marathon-Lauf oder im Triathlon ist es dasselbe. Sie sind sehr wettkampforientiert und unglaublich fokussiert auf das, was sie tun. Nehmen wir Jaroslav Kulhavy (Olympiasieger 2012), auf ihn passt die Beschreibung. Aber wie gesagt: es kommt drauf an, was Sie unter Persönlichkeit verstehen.

 

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Simon Burney mit der späteren Olympiasiegerin Jenny Rissveds ©Irmo Keizer

Und wie sehen Sie das bei den Damen?

Der Damen-Sport hat sich großartig entwickelt, er ist so stark geworden. Da gibt es Fahrerinnen, die echte Rollen-Modelle sind. Für Geschlechter-Gerechtigkeit und Bike-Racing und Mountainbike im Speziellen. Sie sind alle gut in Social Media, vor den Kameras, im Interview. Sie wissen alle, was sie als Profi weiter bringt, aber sie sind auch unglaublich talentiert und fokussiert auf das, was sie tun.

Sie sind sich aber auch sehr nah. Nach dem Startschuss sind sie sehr ehrgeizig und kämpfen um jede Position, aber danach trinken sie Kaffee zusammen. Da sind sie perfekte Rollen-Modelle für die nachkommende Generation. Bei den Männern ist das etwas anders. Ich denke Nino ist nicht unbedingt eine große Persönlichkeit oder auch ein Julien Absalon. Aber sie sind großartige Athleten und das ist alles, was sie brauchen. Sie lassen die Resultate für sich sprechen.

 

Dass sich die Atmosphäre bei den Damen so verändert hat, ist vielleicht auch eine der positiven Entwicklungen.

Seit ich dabei bin, war Mountainbike immer die Radsport-Disziplin, mit der größten Geschlechter-Gerechtigkeit. Die Damen und die Herren fahren auf denselben Strecken über dieselbe zeitliche Distanz, am gleichen Tag und für das gleiche Preisgeld. Ich denke da war man dem Rest des Radsports immer voraus.

Das einzige – und da weiß ich nicht, warum das so war – sind die olympischen Spiele gewesen. Da durften 50 Männer mitfahren, aber nur 30 Frauen. Zum Glück wurde das nach Rio 2016 auch noch verändert. In diesem Sport hat man nie erwogen, dass es zwischen Männern und Frauen einen Unterschied geben müsste. Es hat immer Teams mit Frauen und Männern gegeben, es war immer am selben Tag. Wenn ich zum Cyclo-Cross zurückgegangen bin, habe ich immer wieder festgestellt, wie ungerecht das ist.

 

Simon Burney hat auch Teams gemanagt, in denen Männer und Frauen fuhren. Sabine Spitz war eine davon, die Britin Caroline Alexander eine andere. Generell sind auch heute die meisten Profi-Teams immer noch mit Frauen und Männern bestückt.

 

Es war mit Peter van den Abeele einer Ihrer ehemaligen Sportler, der Sie zur UCI geholt hat.

Ja. Peter ist 96 bis 99 in meinen Teams gefahren. Er hat nach den olympischen Spielen in Sydney aufgehört, hat dann für zwei Jahre ein Damen-Team auf der Straße gemanagt und ist 2005 zur UCI. Nachdem man bei British Cycling die Strukturen verändert hat, bot mir Peter die Arbeit als Technischer Delegierter an. Das war aber auf Honorar-Basis. Ich habe noch eine ganze Anzahl kleinerer Dinge gemacht, um mein Leben zu finanzieren. Aber bei der UCI ist das immer mehr geworden.

 

Vor einigen Jahren haben Sie noch gesagt, Sie würden nicht Vollzeit zur UCI nach Aigle gehen und im Büro sitzen wollen.

(Lacht). Ja, das stimmt. Habe ich auch nie gemacht.

 

Aber jetzt sind Sie doch dort.

Ich habe nie gedacht, dass es diese Möglichkeit mal geben würde. Um ehrlich zu sein: ich werde auch älter und die letzten Jahre war ich bei sehr, sehr vielen Rennen, Für eine lange Zeit habe ich keines verpasst. Die Rennen sind für mich nach wie vor das Beste an meinem Job und ich reise auch gerne.

Aber man kommt an einen Punkt, wo es immer das Gleiche ist, man an immer wieder an die gleichen Orte kommt. Es wird immer härter. Flughäfen machen keinen Spaß und in einem Flugzeug zu sitzen auch nicht. Wir werden nicht jünger und als ziemlich schnell jemand seinen Job aufgab, fragte mich Peter überraschend ob ich das machen will. Innerhalb von ein paar Tagen musste ich entscheiden. Ich dachte, okay, ich versuche das mal. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich etwas Neues brauche.

 

Werden wir Sie nicht mehr so oft bei Rennen sehen?

So viel anders ist es allerdings gar nicht. Sicher werde ich nicht mehr bei jedem Weltcup sein, aber bei den wichtigen Rennen auf jeden Fall. Dafür bin ich bei Events, bei denen ich bis dahin nie dabei sein musste, wie die BMX-Weltcups und ein bisschen mehr Cyclo-Cross. Ich denke, ich kann was lernen.

Bisher war ich nie angestellt bei der UCI, immer nur ein selbstständiger Berater. Ich wurde vom Technischen Delegierten im Cross-Country zum Event-Koordinator und war damit die verantwortliche Person der UCI bei den Events und koordinierte die Zusammenarbeit mit dem Organisations-Komitee, dem Fernsehen und allen Beteiligten. Jede Disziplin hat einen Koordinator, Cycle-Cross, Mountainbike, Trial, BMX und ich manage jetzt die Koordinatoren.

 

Ist es ein Teil Ihres Jobs die Sportarten weiter zu entwickeln?

Ja, absolut. Es geht mehr um das große Ganze. Die Koordinatoren schauen auf das Tages-Geschäft, die Details. Ich werde ein paar Jahre in die Zukunft schauen müssen, mir überlegen, was wir bei den olympischen Spielen machen, was können wir tun, dass Downhill interessant bleibt und so weiter. Ein bisschen größere Projekte, würde ich sagen.

 

Den Cross-Country-Sport betreffend, was steht da auf Ihrer Wunsch-Liste?

Das Ziel ist Short Track ins olympische Programm zu bringen. Das wird sich wohl Ende diesen Jahres entscheiden – für Paris 2024. Dann will ich gerne an den Strukturen im Marathon und bei den Etappen-Rennen arbeiten. Ich würde den Marathon-Sport gerne etwas revitalisieren. Ich hoffe, wir können eine neue Serie einführen und zurückkommen zu einer Marathon-Rangliste.

Es geht auch darum den Einfluss von Marathon und Etappen-Rennen auf die Cross-Country-Weltrangliste zu verringern, so wie wir das bei der Olympia-Qualifikation sehen. Wir wollen das etwas separieren, so dass die Marathon-Szene sich mehr spezialisieren kann und wieder mehr Teams entstehen. Ich denke mit den Events mit großen Teilnehmerzahlen kann sich viel entwickeln, was gut ist für den Sport und die Bike-Industrie.

 

Wie wollen Sie das strukturell angehen?

Wir sprechen mit den nationalen Verbänden, wir haben eine Art Nations-Forum bei den Weltmeisterschaften. Bei den Weltcup-Rennen reden wir regemäßig mit den Teams. Bisher passiert das weniger mit den Marathon-Teams, aber wir versuchen uns auch da zu beraten.

Aber es ist natürlich unsere Verantwortung bei der UCI uns darüber Gedanken zu machen. Ich glaube daran, dass man Dinge ausprobieren muss, um zu sehen, ob sie funktionieren. Wenn wir den Eliminator nehmen: wir haben es probiert, es hat im Cross-Country-Weltcup nicht funktioniert. Es war ein Experiment.

 

Der Short Track dagegen hat gut eingeschlagen.

Ja, das stimmt. Ich bin wirklich froh darüber, wie das läuft. 2021 wird es zum ersten Mal eine Weltmeisterschaft geben. Das wird die Bedeutung noch mal steigern.

 

Ein problematischer Punkt im Short Track ist, dass man aufgrund des kurzen Formats die Teilnehmerzahl beschränken muss. Im Weltcup wird das über die Weltrangliste gemacht, aber das ist bei anderen Rennen schwierig.

Ja, mein Plan ist zwei Läufe zu machen und jeweils die besten 20 qualifizieren sich für das Finale. Es geht da vor allem um das Timing. Ich denke die Fahrer können zwei Zwanzig-Minuten-Rennen am gleichen Tag kompensieren. Eines am Morgen, das Zweite am Nachmittag. Das sollte kein großes Problem sein. Ich denke, es ist wichtig, dass es bei einer WM offener ist für neue Fahrerinnen und Fahrer.

Das ist der Plan für Val di Sole 2021?

Ja. Es braucht aber noch Diskussion und Bestätigung in der Mountainbike-Kommission.

 

Kurzporträt: Simon Burney

Alter: 57

Heimatort: Nottingham, Großbritannien

Wohnort: Bex, Schweiz

Größte sportliche Erfolge: 24. der Cyclo-Cross-WM,

Gold und Silber an den Commonwealth Games 2006 als britischer Nationaltrainer

Dazu: unzählige Siege und Podestplätze als Team-Manager

Teams

1987-1988 Ace Racing Team/Peugeot.

1989-1991 Peugeot Cycles

1992 Peugeot – Look

1993 Scott

1994 Louis Garneau (als Manager von Caroline Alexander)

1995 bis 1996 BMW-Proflex.

1997 Proflex-MasterCard

1998 K2

1999 American Eagle

2000 – 2007 Performance Manager bei British Cycling

Aktuelle Position: Off-Road Manager der UCI

Mehr Informationen finden Sie auf www.wm2020albstadt.de

Offenlegung: Der Autor hat diesen Text für die Pressearbeit der WM 2020 in Albstadt erstellt.

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