EM Jönköping: Ein Standort mit Zukunft?

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Auch ein positiver Aspekt: Die große und stimmungsvolle Zuschauerkulisse in Huskvarna ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Die Europameisterschaften in Jönköpings Ortsteil Huskvarna sind vorbei und sie haben nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Positiven Eindruck. Nicht nur wegen dem durchgängig schönen Wetter, sondern weil die Organisation des Events mehr als nur gelungen und der Charakter der EM nicht nur sportlich begeisternd, sondern auch atmosphärisch sehr freundlich und einladend wirkte. Das machte Appetit nach mehr. Ob Huskvarna als Standort für internationale Rennen Zukunft hat, ist offen, aber denkbar.

Erik Abrahamsson und seine Crew haben in den vier Tagen Event tolle Arbeit geleistet. Vier Radsport-Klubs aus der Region waren mit Freiwilligen an der EM beteiligt, an Streckenposten, im Medienraum, an den Verkaufsständen, nirgends wurde ein Mangel an Helfern sichtbar. Im Gegenteil. Allein vier Leute kümmerten sich um die Website und soziale Medien. Sogar extra Award Stewards gab es, um die Medaillengewinner vom Zielraum zum Zelt hinter der Bühne zu begleiten.

Außer Projektleiter Abrahamsson war sonst praktisch kein Profi mit dabei, das ist in heutiger Zeit mehr als bemerkenswert.

Der Schwedische Ex-Meister Emil Lindgren hat mehrere Jahre in Jönköping am Vätternsee gelebt und kennt die Szene dort. „Die Menschen in der Stadt, ich würde nicht sagen, die sind super sportlich, aber sie unterstützen den Sport extrem (supportive)“, erklärt Lindgren. Nicht nur im Eishockey, wo Woche für Woche die Halle ausverkauft ist.

Diese Einstellung war dann auch während der Rennen zu spüren. Noch der Schwede an vorletzter Position wurde mit einer Woge der Begeisterung angefeuert. Aber nicht nur die eigenen Leute wurden bedacht. Als im U23-Rennen der Damen Sina Frei der schwedischen Favoritin Jenny Rissveds den Titel wegschnappte, da wurde die Schweizerin auf ihren letzten 300 Metern von rhythmischem Klatschen begleitet. Das war nicht nur fair, sondern reinste Gänsehaut-Atmosphäre.

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Ein Bild, das viel sagt über den Charakter der Europameisterschaft. ©Andreas Dobslaff/EGO-Promotion

In den Rennen zeigte die Strecke ein fast brutales Gesicht

Das sportliche Herzstück eines Cross-Country-Events ist erst mal die Strecke. Die wurde vor den Rennen viel gelobt. Siehe hier. In den Rennen offenbarte sie dann aber ein, so wurde das von etlichen Fahrern genannt, fast brutales Gesicht. Drei steile Anstiege, 200 Höhenmeter auf gut 4,1 Kilometer. Das sind schon mal zehn Meter mehr als in Albstadt.

Die Streuung war zum Teil enorm. Beim Weltcup in Cairns hatte der Zehnte bei den Herren zwei Minuten Rückstand. Damit konnte man bei der EM Ondrej Cink vom Bronze-Rang verdrängen.

Und bei den Damen hatte Sabine Spitz als Dritte fast sechs Minuten Differenz auf Jolanda Neff auf dem Konto. Auf Rang zehn wurden für Gunn-Rita Dahle-Flesjaa über neun Minuten Rückstand gemessen.

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Die Strecke zeigte im Rennen ihr fast brutales Gesicht: Luca Schwarzbauer ©Lynn Sigel/EGO-Promotion

Die Zuschauer waren zwar dennoch begeistert, doch wenn man solche Abstände hat, droht bei einer TV-Übertragung gähnende Langeweile.

Noch problematischer wäre das geworden, wenn es geregnet hätte. Allerdings, so Erik Abrahamsson, gab es dafür einen Plan B.

Eliminator: Ein positives Beispiel

Die andere Strecke, die für den Eliminator, war ein positives Beispiel für diese Disziplin und manch einen ärgerte beim Zuschauen, dass dieses attraktive Geschehen aus dem Weltcup-Programm gestrichen wurde. Mit zwei technischen Passagen, zwei kurzen Anstiegen und von der großen, stimmungsvollen Zuschauerkulisse weitgehend einsehbar, war das eine Werbung für den Sprint.

Das Gesamtpaket hat also gepasst für diese erste EM in Skandinavien seit Silkeborg (Dänemark) 1997. Und so tauchte fast zwangsläufig die Frage auf, ob sich Jönköping oder genauer: Huskvarna vielleicht auf internationaler Bühne etablieren könnte? Und wollte?

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Die letzte Abfahrt vor dem Ziel, mit drei Optionen (weiter links), war auch Teil der Eliminator-Strecke ©Andreas Dobslaff/EGO-Promotion

„Mal schauen“, antwortet Erik Abrahamsson. „Wir werden jetzt erst mal diesen Event analysieren und bewerten und dann unsere Schlüsse ziehen.“ Für die Bewertung hat die Kommune übrigens auch Leute losgeschickt, die Zuschauer-Interviews durchführten.

Huskvarna wäre kein schlechter Anker

Dass bei den Organisatoren prinzipiell Bereitschaft besteht, etwa in die Bewerbung um einen Weltcup einzusteigen, davon darf man ausgehen.

Ein Weltcup bringt mehr Anforderungen mit sich als eine EM. Einerseits was den Platzbedarf angeht. Expo-Gelände und Team-Areal brauchen einen ausgedehnten Platz, der eine gute Anbindung zur Rennstrecke hat. Dafür müsste wohl eine Anpassung stattfinden. Die vorhandenen Gebäude, bzw. Räume würden vermutlich ausreichen.

Auf der anderen Seite bringt ein Weltcup-Tross auch viel Know-How mit, um das sich der Veranstalter so nicht mehr kümmern muss.

Chef-Kommissär Matthias Weber aus der Schweiz hatte aus seiner Sicht nichts zu kritisieren und lobte die reibungslose Zusammenarbeit.

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Huskvarna, respektive Jönköping (im Hintergrund) wäre für die Cross-Country-Szene ein Gewinn ©Andreas Dobslaff/EGO-Promotion

Erik Abrahamsson, der selbst ein leidenschaftlicher Mountainbiker ist, war viele Jahre Brand-Manager bei Craft. Er scheint ein Mann zu sein, der über den eigenen Tellerrand hinaus denkt. „Die Europameisterschaften müssten eine eigene Marke werden und nicht von Jahr zu Jahr neu anfangen. Ich habe Istanbul für 2017 angeboten die Website euromtb.com zu übernehmen und sie für sich umzugestalten.

Dann müssen sie nicht von Null anfangen. Wir haben in den sozialen Medien 10000 Fans erreicht, das wäre doch ein guter Anfang“, meinte Abrahamsson. „Wir lieben den Sport und wollen ihn weiter bringen.“

Huskvarna wäre kein schlechter Anker für den Cross-Country-Sport, Kompetenz, Gelände und Rückhalt in der Bevölkerung sind vorhanden. Und wohl fühlen kann man sich in der wunderbaren Landschaft am Vätternsee auch.

 

 

 

 

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