Haarscharf geschafft: Deutschland darf vier Mountainbiker*innen nach Tokio schicken
Nove Mesto war kein gutes Pflaster für die deutschen Athleten. Und fast hätten sowohl die Männer als auch die Frauen dort die zweiten Startplätze für die geplanten Olympischen Spiele in Tokio verspielt
Am Ende wurde es nochmal richtig knapp in Nove Mesto na Morave. Als siebte sowohl im Nationen-Ranking der Männder als auch der Frauen hatten die deutschen Mountainbiker*innen gerade so noch Anspruch auf zwei Startplätze, ab Rang 8 bis Rang 21 gibt es nur jeweils einen Platz für das vielleicht wichtigste Mountainbike-Rennen alle vier Jahre. Der Vorsprung bei den Männern auf Verfolger Tschechien schien fast sicher. Aber man wusste, dass es bei den Frauen eng werden könnte: die Italienerinnen und die Britinnen saßen den Deutschen im Nacken.
Berechnungsmnodus
Zunächst aber ein paar Worte zum Verständnis des etwas komplizierten Nationenrankings für die Olympischen Spiele: neben einigen Spezialnominierungen wie Kontinentale Meister oder bester U23-Fahrer bei der Weltmeisterschaft 2019 wird das Gros der je Geschlecht 37 Startplätze über ein spezielles Nationen-Ranking vergeben. Es zählen jeweils die drei Fahrer*innen mit den meisten Punkten in den beiden Qualifikationszeiträumen Mai 2018 bis Mai 2019 und Mai 2019 bis Mai 2020. Doch dann kam mitten in der heißen Qualiphase Corona dazwischen, Sportveranstaltungen wurden überall auf der Welt abgesagt und die Weltrangliste der UCI im März 2020, also knapp vor den letzten, vielleicht entscheidenden Weltcup in Nove Mesto eingefroren. Doch natürlich konnte auch das Internationale Olympische Komitee und der Weltradsportverband UCI nicht die Augen davor verschließen, dass sich im letzten Jahr noch einiges bei den Sportler*innen getan hat. Und so öffnete man die Weltrangliste des zweiten Jahres und ergänzte sie um die Ergebnisse der ersten beiden Weltcups 2021, also Albstadt und Nove Mesto.
Deutsche Punktelieferanten (Männer)
Bis dahin hatten Manuel Fumic (Cannondale Factory Racing, 1494 P.), Georg Egger (Lexware, 1443 P.) und der Deutsche Meister Max Brandl (ebenfalls Lexware, 1268 P.) zusammen 4.455 Punkte gesammelt. Knapp dahinter in der zweiten Qualifizierungsperiode wäre dann auch noch Ben Zwiehoff (damals Bergamont, heute mit dem Straßenteam Bora unterwegs) gelegen, Luca Schwarzbauer (Lexware) spielte damals eher noch keine entscheidende Rolle als Punktelieferant.
Die Verfolger
Tschechien mit 4.242 Punkten lag vor Albstadt also 213 Punkte zurück: kein sicheres Polster für die Deutschen, aber doch beruhigend, vor allem, als Brandl (20.) und Fumic (21.) zum Weltcup-Auftakt gut punkteten. Bei den Tschechen sammelte allerdings Ondrej Cink (Kross) mit seinem vierten Platz allein fast so viele Punkte wie die Brandl, Fumic und Egger zusammen: während die Deutschen zusammen 170 Punkte erreichten, erhielt allein schon Cink 150 Punkte, dazu kamen noch Jan Skranitzl als 35. mit 36 Punkten, Jan Vastl holte als 84. immerhin noch drei Punkte, zusammen also 188 Punkte: die Tschechen hatten 19 Punkte aufgeholt, 194 trennten sie noch vom ersehnten siebten Platz im olympischen Nationen-Ranking vor dem finalen Weltcup in ihrer Heimat.
Gebrochene Gabel lässt Hoffnung schwinden
Und dann die Katastrophe aus deutscher Sicht: in der ersten Runde des zweiten Weltcup-Rennens über die olympische Distanz stürzte Max Brandl mit einem kapitalen Überschlag, bei dem er sich die Gabel zerstörte. Ein Weiterfahren war unmöglich, als Punktelieferant fiel er komplett aus. Doch auch die anderen Deutschen punkteten nur wenig: Manuel Fumic holte als 37. noch 32 Punkte, Georg Egger erhielt fürs Durchfahren immerhin noch drei Ehrenzähler. Germany: 35 points. Und die Tschechen? Wieder holte Cink den vierten Platz, wieder holte er allein 150 Punkte. Und Vastl (51.) und Skarnitzl (53.) füllten das tschechische Punktekonto zusammen mit schmalen 32 Punkten. Czech Republic: 182 points. Der deutsche Vorsprung war auf hauchdünne 48 Punkte geschmolzen. Aber es hatte gereicht.
Bundestrainer muss sich entscheiden
Nun darf der Bundestrainer Peter Schaupp dem Präsidium des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) und diese wieder dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zwei Fahrer zur Nominierung vorschlagen aus der Handvoll derer, die die persönliche Olympianorm erfüllt haben: Max Brandl, Manuel Fumic, Georg Egger, Luca Schwarzbauer und dem erst 22-jährigen Deutschen U23-Meister David List, Zweiter im Albstädter U23-Rennen und Zehnter in Nove Mesto und nach nach Max Brandl und Luca Schwarzbauer drittbester Deutscher in der aktuellen Weltrangliste.
Keine leichte Aufgabe
Während der Deutsche Elite-Meister Max Brandl wohl als sicherer Kandidat gesetzt sein dürfte, wird die Auswahl des zweiten Olympia-Kandidaten eine schwere Aufgabe für den Bundestrainer. Schwarzbauer zeigt sich trotz des Ausrutschers in Nove Mesto nach seinem Trainerwechsel im Winter mit einer deutlich ansteigenden Form auf einem neuen Niveau, David List steht für einen zukünftigen Topathleten, den man schon mal an die Olympischen Spiele heranführen könnte. Und für Manuel Fumic, mittlerweile 39 Jahre alt, wäre Tokio nach Athen 2004, Peking 2008, London 2012 und Rio 2016 seine fünften Olympischen Spiele: ein würdiger Abschluss einer beispiellosen Karriere. „Ich freue mich, dass wir so eine tolle Truppe haben, aus der wir auswählen können“, beschreibt Bundestrainer Schaupp seine Aufgabe, die wohl zwei Sportler enttäuschen muss.
Bei den Frauen noch viel enger
Doch nicht nur bei den Männern war es eng, bei den Frauen war die Ausgangslage vor Albstadt noch viel enger: nicht nur, weil die Deutschen schon weniger Vorsprung auf die Plätze 8 und 9 hatten, sondern weil die Italienerinnen und Britinnen auch aktuelle starke Frauen im Aufgebot hatten, während die deutschen Fahrerinnen in den vergangenen Wochen deutlich schwächelten: Elisabeth Brandau (EBE Racing), die außer bei der Europameisterschaft am Monte Tamaro 2020 und dem Shortrace in Nove Mesto keine einzige Top20-Platzierung im Weltcup oder bei der WM aufzuweisen hat und aktuell an den Folgen einer Erkältung laboriert. Nadine Rieder (Ghost Factory Racing), die sich an Ostern die Außenbänder gerissen hatte . Und Adelheid Morath, die sich schon weitgehend aus dem Cross-Country-Sport zurückgezogen hat, aber 2019 noch wichtige Punktelieferantin war.
Und so sah das Nationen-Ranking der Frauen vor Albstadt aus:
1. | Schweiz | 7.306 |
2. | USA | 6.903 |
3. | Niederlande | 5.872 |
4. | Kanada | 5.742 |
5. | Dänemark | 4.773 |
6. | Frankreich | 4.640 |
7. | Deutschland | 4.443 |
8. | Großbritannien | 4.304 |
9. | Italien | 4.282 |
10. | Südafrika | 4.105 |
Ausgangslage: eng, aber nicht hoffnungslos
Noch lag Deutschland auf dem siebten Platz, aber nur 139 Punkte trennten die Deutschen von den Britinnen und 161 Punkte von den Italienerinnen. Doch die Britinnen strauchelten in Albstadt, noch mehr als die Deutschen: gerade einmal 106 Punkte holte das Trio Evie Richards (25.), Isla Short (40.) und Annie Last (46.), während die Deutschen immerhin 130 Punkte sammeln konnten: Ronja Eibl holte dabei als 22. 62 Punkte, Elisabeth Brandau als 24. 58 Punkte und Adelheid Morath als 58. Immerhin noch 10 Punkte. „Ich bin Adelheid sehr, sehr dankbar, dass sie sich für Deutschland engagiert hat und in Albstadt angetreten ist“, betont Bundestrainer Peter Schaupp, der schon damit rechnete, dass es sehr knapp werden könnte mit dem zweiten deutschen Startplatz. Besser schlugen sich die Italienerinnen: Eva Lechner holte 90 Punkte als 11., Chiara Teocchi holte als 23. 60 Punkte und Martina Berta als 41. noch 27 Punkte, zusammen also 177 Punkte.
Italienerinnen holen auf
Damit zogen die Italienerinnen an den Britinnen vorbei und rückten noch näher an Deutschland heran: Deutschland blieb mit 4.625 Punkten weiter auf Rang 7, auch wenn die sechstplatzierten Däninnen auf die zurückgetretene Annika Langvad und die eine Woche vor Albstadt an Covid19 erkrankte Malene Degn verzichten mussten. Aber Italien lag nur noch 114 Punkte nur noch hinter Deutschland, Großbritannien nun 159 Punkte.
Finale in Nove Mesto na Morave
Die finale Entscheidung musste also der Weltcup in Nove Mesto bringen. Ronja Eibl steigerte sich um vier Plätze und holte als 18. 70 Punkte – für sie selbst ein gutes Ergebnis nach ihrer langen Durststrecke. Nina Benz wurde beachtenswerte 21. und holte 64 Punkte, die aber nicht ins Nationen-Ranking zählten, da sie zu wenige Punkte aus 2019 mitgebracht hatte, als Olympia für sie noch kaum in Reichweite war. Die Deutsche Meisterin Elisabeth Brandau wurde nur 38., was gerade einmal 30 Punkte für das Nationen-Ranking bedeutete. Und Adelheid Morath und Nadine Rieder erreichten das Ziel im Skistadion gar nicht und trugen so auch nichts zur deutschen Olympiaqualifikation bei: genau 100 Punkte konnten also die deutschen Sportlerinnen in Nove Mesto einsammeln. Würde das reichen?
Italienerinnen punkten zu wenig
In Nove Mesto waren es dann die Italiener, die in Albstadt noch so viele Punkte gesammelt hatten und Deutschland so verdammt nah gekommen waren, die aus den harten Bedingungen keinen bzw. zu wenig Profit schlagen konnten: Die Italienische Meisterin Eva Lechner wurde zwar 13. und holte 80 Punkte. Martina Berta trug als 25. noch 56 Punkte zum Nationen-Ranking bei. Chiara Teocchi erreichte allerdings nicht das Ziel, sodass für Italien 136 Punkte erreicht, gegenüber Deutschland aber nur 36 Punkte gutmachen konnte. Das reichte schon mal nicht, den Deutschen den siebten Platz streitig zu machen.
Britinnen kommen ganz nah
Dafür dreht die Britinnen nochmal richtig auf: Evie Richards kletterte als Fünfte sogar aufs Podium und angelte sich satte 140 Punkte. Und auch Annie Last punktete als 15. noch ordentlich und sammelte 76 Punkte fürs Vereinigte Königreich. Doch Isla Short holte als 56. nur 12 Punkte. Zusammen erreichten die drei für Großbritannien im finalen Rennen um die Olympiaqualifikation 228 Punkte. 260 Punkte hätten es sein müssen, um sich in letzter Minute noch vor die Deutschen zu schieben: gerade einmal 32 Punkte trennten also zum Schluss die Britinnen vom siebten Rang im Nationen-Ranking. Oder anders ausgedrückt. Mit gerade einmal 32 Punkten Vorsprung retteten die deutschen Frauen ihren zweiten Startplatz für die Olympischen Spiele in Tokio.
Entscheidung bei den Frauen vermutlich eindeutig
Diese beiden Startplätze dürften der BDR und der DOSB wohl an Elisabeth Brandau und Ronja Eibl vergeben: sie haben beide jeweils die volle Olympianorm erfüllt, während Nina Benz und Leonie Daubermann jeweils nur eine B-Norm für sich verbuchen konnten.
Noch zwei Monate bis zum Rennen
Die MTB-Entscheidungen von Tokyo2020 werden am Montag, den 26. Juli für die Männer und am Dienstag, 27. Juli auf der Halbinsel Izu, 2 Autostunden südlich von Tokio ausgetragen. Start ist jeweils um 15:00 Uhr Ortszeit, also um 8:00 Uhr MESZ.
Finales Nationen-Ranking für die Olympischen Spiele Tokyo 2020:
Frauen
PLATZ | LAND | PUNKTE | STARTPLÄTZE |
1. | Schweiz | 7857 | 3 |
2. | USA | 7181 | 3 |
3. | Niederlande | 6278 | 2 |
4. | Kanada | 5968 | 2 |
5. | Frankreich | 5507 | 2 |
6. | Dänemark | 4913 | 2 |
7. | Deutschland | 4673 | 2 |
8. | Großbritannien | 4644 | 1 |
9. | Italien | 4603 | 1 |
10. | Südafrika | 4227 | 1 |
11. | Polen | 4181 | 1 |
12. | Ukraine | 4041 | 1 |
13. | Tschechien | 3768 | 1 |
14. | Belgien | 3533 | 1 |
15. | Österreich | 3427 | 1 |
16. | Argentinien | 3339 | 1 |
17. | Estland | 3274 | 1 |
18. | Brasilien | 3272 | 1 |
19. | Ungarn | 3195 | 1 |
20. | Spanien | 3182 | 1 |
21. | Australien | 3169 | 1 |
Männer
PLATZ | LAND | PUNKTE | STARTPLÄTZE |
1 | Schweiz | 8619 | 3 |
2 | Italien | 7117 | 3 |
3 | Frankreich | 6720 | 2 |
4 | Brasilien | 5471 | 2 |
5 | Niederlande | 5171 | 2 |
6 | Spanien | 5006 | 2 |
7 | Deutschland | 4661 | 2 |
8 | Tschechien | 4613 | 1 |
9 | Österreich | 4176 | 1 |
10 | Kanada | 3909 | 1 |
11 | Dänemark | 3742 | 1 |
12 | USA | 3725 | 1 |
13 | Belgien | 3399 | 1 |
14 | Russisches Olympische Kommittee | 3252 | 1 |
15 | Südafrika | 3103 | 1 |
16 | Neuseeland | 3043 | 1 |
17 | Poland | 3018 | 1 |
18 | Norwegen | 2773 | 1 |
19 | Griechenland | 2611 | 1 |
20 | Hungarn | 2523 | 1 |
21 | Rumänien | 2479 | 1 |