Jakob Niemeyer beendet Leistungssport-Karriere
Lange Verletzungspause brachte den WM-Teilnehmer von 2017 zum Nachdenken
Der Offenburger Jakob Niemeyer hat zum Saisonende seinen Rücktritt vom Leistungssport erklärt. Niemeyer, der für das Team Freiburger Pilsner-Merida fährt, war 2017 als Junior WM-Teilnehmer. Vor acht Wochen hatte der 19-Jährige einen schweren Trainingssturz, der ihn lange aus dem Verkehr zog. Ab Donnerstag bestreitet er beim Rothaus Bike Giro wieder sein erstes Rennen.
Es war ein Intervall-Training, auf dem Weg bergab zur nächsten Intervall-Einheit, als bei Jakob Niemeyer mit rund 55 Stundenkilometer der Karbon-Lenker nachgab. Die Schrauben waren locker. Niemeyer stürzte brutal und verlor das Bewusstsein. Wanderer fanden ihn. „Wie lange ich da lag, kann ich nicht sagen. Ich habe erst wieder Erinnerungen, als ich auf einer Bank saß“, erzählt Niemeyer.
Er hatte Glück im Unglück. Eine Gehirnerschütterung, Schürfwunden, einer Schnittwunde im Gesicht, einem abgebrochenen Zahn, Prellungen und ein gebrochener Mittelhandknochen sind schon Verletzungen genug, aber es hätte auch viel schlimmer kommen können.
Zwei Wochen war er komplett ruhig gestellt, dann begann er „im Keller auf der Rolle mit Ventilator“ sich wieder heran zu tasten.
„Nicht den Mehrwert erhalten“
„In dieser Zeit habe ich mir viele Gedanken gemacht“, sagt Jakob Niemeyer im Gespräch mit acrossthecountry.net. „Ich habe realisiert, dass ich durch den Leistungssport auf vieles verzichten muss. Durch fünf, sechs Tage Training in der Woche ist man schon eingeschränkt.“
Mit dem Leistungssport aufzuhören, das sei keine leichte Entscheidung gewesen, aber er habe gemerkt, dass er „für die Energie, die ich rein stecke nicht den Mehrwert“ zurückbekomme. Die vielen schönen Erlebnisse und Begegnungen, die ihm der Sport bescherte, konnten den Aufwand nicht aufwiegen.
Niemeyer entschloss sich einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. In Konstanz wird er ab Oktober Wirtschaftswissenschaften studieren und dem Cross-Country-Sport ade sagen. „Ich will nicht ausschließen, dass ich weiter Rennen fahre, aber keine Cross-Country-Rennen mehr. Auf jeden Fall werde ich weiter Rad fahren“, sagt Niemeyer.
Zwei Monate bei Songo.info in Südafrika
Seine erste Saison in der U23 hatte er motiviert in Südafrika begonnen. Zwei Monate konnte er dort trainieren und Rennen fahren. Aber nicht nur das. Niemeyer engagierte sich in Kayamandi, einem Township in der Nähe von Stellenbosch, im Songo.info-Projekt, das Ex-Weltmeister Christoph Sauser mit initiiert hat und nach wie vor unterstützt.
Dort bekommen aktuell rund 50 Kinder und Jugendliche zwischen acht und 18 Jahre die Gelegenheit auf Mountainbikes und BMX-Rädern zu trainieren, aber auch Hausaufgabenbetreuung. Vor allem mit dem Ziel sie vom Abrutschen in die Kriminalität zu bewahren und ihnen einen Selbstwert zu vermitteln.
„Ich habe Christoph Sauser auf Instagram angeschrieben und er hat gleich freundlich reagiert. Wir haben uns letztes Jahr in Lenzerheide am Specialized-Truck getroffen und über das Projekt geredet“, erzählt Niemeyer wie sein Engagement zustande kam
Mit Sipho Madolo beim Rothaus Bike Giro
In Kayamandi traf er auf Sipho Madolo, der vor zehn Jahren eines dieser Kinder war, irgendwann mit Sauser das Cape Epic bestritten hat und jetzt eine Art Manager des Projekts ist.
Die beiden begegnen sich in diesen Tagen wieder. Mit Hilfe von Sponsoren konnte es Jakob Niemeyer organisieren, dass Sipho Madolo für acht Tage nach Deutschland kommt und im Schwarzwald auch den Rothaus Bike Giro zu bestreitet.
„Sipho hat mir in Südafrika im Winter so viel ermöglicht, dass ich mich revanchieren wollte“, erklärt Niemeyer. Er selbst wird beim Rothaus Bike Giro auch am Start stehen, zum ersten mal seit dem Bundesliga-Rennen in Gedern.
„Es geht wieder sehr gut, aber ich habe natürlich nicht die Form, die ich eigentlich haben sollte“, meint Niemeyer. In Anbetracht des Karriere-Endes mag das auch keine ganz so große Rolle mehr spielen, auch wenn er sich beim Bundesliga-Finale in Titisee-Neustadt sicher mit einem guten Rennen verabschieden will.
Mit 17 bei der Junioren-WM
Jakob Niemeyer wird sein Talent also nicht ausreizen. Mit 17, im jüngeren Junioren-Jahrgang, ohne Nationalkader-Status, das WM-Ticket nach Australien zu lösen, das deutet schon darauf hin, dass einer ein gewisses Potenzial besitzt. Er wurde damals 31.
In die Saison 2018 startete Niemeyer mit entsprechenden Hoffnungen, doch Mandelentzündungen unterbrachen wiederholt seine Leistungskurve. Erst am Saisonende, nachdem er längere Zeit ohne Beschwerden war, konnte Niemeyer wieder gute Ergebnisse liefern. Und ging motiviert ins erste U23-Jahr, das sein letztes sein sollte.