Peter Schaupp im Interview: Erst mal Vertrauen schaffen

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Peter „Speedy“ Schaupp ©Werner Sahm

Beim Bund Deutscher Radfahrer gab es einen bemerkenswerten Tausch der Verantwortlichkeiten. Nach 13 Jahren Frank Brückner steht jetzt Peter Schaupp auf der Kommandobrücke, während sich sein Vorgänger um den Nachwuchs kümmern soll. Schaupp (54), der aufgrund seiner Vergangenheit als Speed-Skifahrer in Sportlerkreisen von allen nur „Speedy“ genannt wird, erklärt im Interview, wie er seine neue Aufgabe angeht, warum Vertrauen zu schaffen für ihn die Basis seines Wirkens ist, warum nicht nur von den Schweizern lernen kann und wie er den Hierarchie-Tausch sieht.

 

aCrosstheCountry: Speedy, Du bist jetzt als Bundestrainer für Elite und U23 auch für das Gesamtkonzept verantwortlich.

Peter Schaupp: Ja.

Alles bleibt gleich und vieles wird anders?

Das Rad werde ich sicher nicht neu erfinden, aber man muss es immer wieder neu zentrieren, damit es runder läuft. Das werde ich versuchen. Es geht dabei nicht nur um inhaltliche Dinge, sondern erst mal auch um die Organisation. Inhaltliche Änderungen müssen abgesprochen werden. Da ändert sich zunächst einmal nichts. Das Gesamte ist abhängig von einem internationalen Rennzirkus. Für Verbesserungen und Veränderungen brauchen wir ein wenig Zeit.

Bisher hattest du mit 17-, 18-Jährigen zu tun. Jetzt sind es 19-Jährige und älter…

…bis zu 40-Jährigen (lacht und mein Sabine Spitz).

Was ändert sich dadurch für Dich?

Da bin ich selber gespannt. Die Herangehensweise wird zunächst einmal ähnlich sein. Auch weil ich da erst hinein wachsen muss. Aber klar, die Sportler müssten da schon selbstständiger sein wie im Juniorenalter. Wir haben ja immer den mündigen Sportler propagiert. Es geht eher darum, diesen mündigen Sportlern den richtigen Impuls zu geben. Das ist natürlich immer ein Balance-Akt, denn je näher ein Sportler an seinen Höhepunkt kommt, desto schmaler wird der Grat auf dem er sich bewegt. Methodisch geht das nur in Absprache mit den Heimtrainern. Die haben die tägliche Erfahrung mit den Sportlern.

Der Nachwuchs soll von den Profis profitieren

Was sind denn die tragenden Säulen deiner Idee von der Arbeit eines Bundestrainers?

Zunächst einmal ist mir wichtig, Vertrauen zu schaffen, zu allen. Das ist die Basis. Ohne Vertrauen lässt sich argumentativ kaum etwas vermitteln.

Was sind dann die Impulse, die du auf dieser Basis vermitteln willst?

Da lässt sich vielleicht das Beispiel Cannondale aufgreifen. Die haben mit Anton Cooper und Keegan Swenson zwei junge Sportler, für die sie (mit Hilfe der erfahrenen Manuel Fumic und Marco Fontana) versuchen Effekte zu kreieren. Es schwebt mir schon immer vor das Potenzial der erfahrenen und guten Sportler zu nutzen, die wir ja durchaus haben. Ich denke da nicht nur an Sabine Spitz, Manuel Fumic und Moritz Milatz, sondern auch an Wolfram Kurschat und Jochen Käß, die alle ihre Qualitäten haben.

Das große Vorbild für die deutsche Mountainbike-Szene ist die Schweiz,…

…nein…

nein?

Frankreich. Oder sagen wir besser beide. Man könnte den Kreis auch noch weiter ziehen. Die tschechische Republik zum Beispiel.

Und was machen die besser?

Wenn ich an Frankreich denke, ist da zum Beispiel die TFJV*. Thomas Freienstein als Verantwortlicher für den U17- und U15-Bereich fährt da immer mit einer Mannschaft hin und berichtet über die vielfältige Ausbildung der Franzosen. Wir schneiden da nicht schlecht ab, aber die Franzosen produzieren immer wieder Leute, die ganz oben ankommen können. Julien Absalon muss sich keine Sorgen machen, dass da nichts nachkommt. In der Breite haben wir schon bewiesen, dass wir mithalten können, das sieht man an Nationenwertungen. Aber in Sachen Spitzenleistungen haben wir Nachholbedarf. Das muss ich mir als Ziel setzen.

Für Spitzenleistungen war in den letzten Jahren, abgesehen von den Junioren, fast ausschließlich Sabine Spitz verantwortlich. Mit ein paar Ausnahmen.

Das Hauptaufgabenfeld für mich sind die U23-Fahrer und -Fahrerinnen. Die müssen oben ankommen.

Noch mal zurück: Was kann man von den Schweizern, Franzosen und Tschechen abschauen?

Nun, die Ergebnisse sind da, also müssen sie auch was richtig machen. Was man zum Beispiel von Olympiasieger Jaroslav Kulhavy hört, so hat er zum Teil einen ganz anderen Vorbereitungsrhythmus direkt vor den Wettkämpfen. Solche Dinge müssen wir im Trainerteam versuchen zu analysieren und schauen, was für uns auch Sinn machen könnte.  Die Tschechen machen auch viel im Cross-Bereich. Frankreich ist in Sachen fahrtechnische Ausbildung immer noch ein Vorbild. Die Schweizer haben ein durchlässiges System, in dem sehr viel miteinander gemacht wird, aus Eigeninitiative. Die Junioren profitieren von den Profis viel mehr als bei uns. Aber ich will natürlich auch unsere deutschen Stärken verbessern.

Welche sind denn das?

Das Lehrgangssystem zum Beispiel. So weit ich weiß, hat das sonst kein Verband. Diese Strukturen sollten wir optimal nutzen. Wir sollten schauen, dass wir nicht nur ein, zwei Sportler nach oben bringen, sondern immer wieder Nachschub produzieren. Das war auch bei den Junioren schon mein Ziel, dass die gut ausgebildet nach oben kommen. Dass es nicht alle schaffen, ist natürlich klar.

Erst einmal in die Rolle hinein wachsen

Der BDR hat dich vom Junioren- zum Chef-Bundestrainer befördert, dein Vorgänger Frank Brückner soll jetzt als Junior-Bundestrainer tätig sein. Bringt so ein Hierarchie-Tausch nicht automatisch Probleme mit sich?

Wenn man an die freie Wirtschaft denkt, muss man das mit ja beantworten. Aber wer mich kennt, der weiß, dass ich versuche mit allen Trainern harmonisch zusammen zu arbeiten. Klar, es gibt immer mal wieder kleine Disharmonien, aber daran muss man halt arbeiten. Wie in einem Orchester. Wenn alle den richtigen Ton gefunden haben, dann klingt das Stück. Frank und ich müssen natürlich erst mal in unsere neue Rollen hinein wachsen.

Du hast als Junioren-Trainer erfolgreich gearbeitet. Sieben EM- und sieben WM-Medaillen…

…da lege ich aber Wert darauf, dass das nicht nur meine Arbeit ist gewesen ist. Ich habe da meinen Anteil daran, ich hatte die Steuerungs-Funktion, aber das System, die Heimtrainer, haben maßgeblichen Anteil dran.

Ist es dir schwer gefallen diesen Bereich aufzugeben, in dem du so erfolgreich warst?

Nicht leicht, jedenfalls. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Das habe ich immer gesagt und das konnte man spüren, glaube ich. Aber nichtsdestotrotz, wenn man gefragt wird, wenn so eine Chance kommt, wenn ich mich einbringen kann, um an einer Entwicklung mitzuwirken, dann sage ich natürlich nicht nein. Ich werde die neue Aufgabe auch mit voller Leidenschaft angehen, das habe ich in meinem Leben immer so gemacht.

Du bist eine andere Persönlichkeit als Frank Brückner und wirst vermutlich einen anderen Stil pflegen.

Davon ist auszugehen, ja.

Du hast schon das Stichwort Vertrauen benutzt. Welche anderen Aspekte an deinem Stil gibt es?

Ich bin wie ich bin und es lässt sich daran wohl nicht mehr viel ändern (lacht). Was mich ausmacht, lässt sich vielleicht mit einem Beispiel aus meiner Downhill-Zeit beschreiben. Wenn es eine Linie gab, die schon gut war, habe ich trotzdem versucht die Linie zu verlassen, was Alternatives zu probieren. Die Ursprüngliche hatte ich immer im Hintergrund, aber ich habe immer nach Verbesserungen gesucht. Das heißt, dass ich als Bundestrainer versuche mit den Leuten im Gespräch solche andere Linien, andere Ideen, andere Möglichkeiten aufzuzeigen und zu diskutieren.

Das heißt, die offene Kommunikation mit dem Sportler spielt eine wesentliche Rolle.

Ja, auf jeden Fall.

Die Junioren und ehemalige Junioren rühmen den lockeren Umgang und den Spaß, den sie mit dir haben konnten, neben all dem seriösen Training. Lässt sich das auch im U23- und Elite-Bereich fortsetzen?

Durchaus. Die Atmosphäre im Trainingslager oder bei der WM ist eine wichtige Säule für die Motivation der Sportler. Dahinter steckt eine positive Einstellung. Wenn ich von einem Sportler was verlange, dann funktioniert das nur, beziehungsweise viel besser, wenn er oder sie die richtige Einstellung hat. Und das sollte grundsätzlich eine Positive sein. Ich denke, ich bin ein positiver Mensch und das will ich andere auch spüren lassen. Das heißt nicht, dass es nicht auch mal raucht im Gebälk, aber trotzdem versuche ich dem Ganzen immer eine positive Richtung zu geben.

*Die TFJV ist ein jährlicher Wettbewerb, in dem sich die französischen Regionen in der U15 und in der U17-Kategorie vergleichen. Sie geht über fünf Tage und beinhaltet eine Cross-Country, Downhill, Staffel, Trial und Mountainbike-Orientierung. Hauptaugenmerk liegt auf der Mannschaftswertung. Seit vielen Jahren beteiligt sich eine deutsche Auswahl als Gast an dem Wettbewerb.

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