Weltcup Albstadt Nachgedreht (2): Forsters schmerzhafte Erkenntnis

Beste Karriere-Ergebnisse für Frischknecht, Indergand und Zwiehoff

Wenn einer nicht weiß, ob das Benzin reicht. Wenn „manchmal“ alle acht Jahre vorkommt. Wenn ein dritter Sturz fatalen Folgen hat. Wenn eine Speiche bricht. Wenn einer keine Fehler macht. Wenn Flow oder Durchblick fehlen, ein Vormarsch in den Wiederholungsmodus gerät oder einer das Vertrauen in sich selbst verliert. Dann ist Weltcup! Aus der Herren-Welt Nachgedreht vom Weltcup in Albstadt, was hier noch nicht geschrieben stand.

 

Florian Vogel (KMC Ekoi Orbea) feierte für sein neues Team einen prima Weltcup-Einstand. Der Schweizer eroberte als Fünfter das Podium und konnte es verschmerzen, dass er gegen Titouan Carod das Duell um Rang fünf verloren hat. Dabei hatte Vogel „überhaupt nicht“ mit so einem Resultat gerechnet, auch weil er im Short Track mit fehlender Spritzigkeit nur als 30. ins Ziel kam und so aus der vierten Startreihe.

Seine Erwartungen wurden aber noch mehr gedämpft durch den Umstand, dass er nach dem Short Track Durchfall bekam. „Ich dachte, ich bin hier unter ferner liefen“, so Vogel beim Pressegespräch. Die Glykogen-Speicher waren sicherlich nicht voll.

Das führte ihn zu einer konservativen Strategie. „Die Erfahrung zeigt, dass in Albstadt nach zwei, drei Runden, wenn sich alle beruhigt haben, noch viel zu machen ist“, so Vogel.

Allerdings durchkreuzte ein überraschend guter Start seine Pläne. „Ich konnte gleich zur Spitze aufschließen und habe dann durchgezogen“, so Vogel. Sogar die Top Drei schienen möglich, doch da blieb er dann doch lieber zurückhaltend. „Ich wusste ja nicht, wie lange das Benzin reicht. Ich habe dann gehofft, dass Nino um Platz vier nicht so kämpfen würde, wie um Platz eins und am letzten Berg habe ich noch mal Druck gemacht, weil ich wusste, im Sprint bin ich schlecht“, erzählte Vogel.

Nino Schurter hatte schon vorher die Lücke kassiert, aber Titouan Carod wurde er nicht los. „Über den Regen habe ich mich gefreut, das kommt mir mental auch entgegen. Der Regen hat die Strecke auch besser gemacht“, fand Vogel.

Albstadt sei für ihn auf jeden Fall eine Reise wert. „Die Stimmung war trotz des Regens super“, so der zweifache Europameister.

*****

Weltmeister Nino Schurter (Scott-Sram) auf Rang sechs, am Podium vorbei. Wann hat es denn das mal gegeben? Klar, das eine oder andere Mal wegen Plattfuß, Kettenriss oder falscher Reifenwahl. Aber einfach so, weil die Beine nicht gut genug waren? „So was gibt es halt manchmal“, meinte ein enttäuschter Nino Schurter in Albstadt. Manchmal, das ist beim Schweizer alle acht Jahre.

Beim Blick ins Archiv förderte Kollege Emil Bischofberger vom Schweizer Tagesanzeiger den Weltcup in Offenburg 2011 als ein solches Ereignis zu Tage. Auch im Mai.

„Irgendwie ist meine Form verpeilt. Vielleicht habe ich die letzten Wochen zu viel gemacht, zu viele Rennen im Frühling“, gab Schurter damals dem Autor dieses Blogs zu Protokoll. Wenn wir schon dabei sind: Seit 2010 kletterte Schurter sagenhafte 57 Mal auf das fünfköpfige Weltcup-Podium.

Aufs Podium durfte der vor einer Woche 33 Jahre alt gewordene Schurter aber trotzdem. Scott-Sram gewann die Team-Wertung, obschon Lars Forster nach Sturz und mit Verletzung ausschied. Sie hatten mit den Plätzen zwei und drei beim Short Track bereits die Grundlage gelegt. Und Andri Frischknecht feierte mit Rang neun sein bisher bestes Weltcup-Resultat.

„Ich mag Bedingungen, wie diese heute. Ich bin ohne Drama durchs Rennen gekommen“, erklärte Frischknecht.

190519_05531_by_Kuestenbrueck_GER_Albstadt_XCO_ME_ceremony_BestTeam_ScottSRAM
Bestes Herren-Team in Albstadt: Scott-Sram ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

 

Für Lars Forster hat sein insgesamt dritter Sturz im Rennen schmerzhafte Folgen. In der Mitte der letzten Abfahrt, dem „Go Pro Hypersmooth Slalom“, stürzte er in Runde vier und musste direkt von der Strecke ins Krankenhaus gebracht werden.

„Nichts kaputt, aber Knochenprellungen an Knie und Fuß“, ließ er auf Nachfrage am Montag wissen. Er hatte sich am Montag in der Schweiz noch mal genaueren Untersuchungen unterzogen. „Kein Nove Mesto“, ist aber die Konsequenz.

Zuvor war er schon in den „Teufelswellen“ gestürzt und hatte den Lenker verbogen. Besser, so schreibt Forster in dem Video dazu, wäre es gewesen, wenn er das Rennen an dieser Stelle verlassen hätte. Eine schmerzhafte Erkenntnis. Was natürlich höchstens rückblickend eine Option ist, aber nicht für einen Rennfahrer im Wettkampf-Fieber.

*****

Reto Indergand (BMC Racing) hatte im Ziel wie Frischknecht sein bestes Karriere-Resultat zu feiern. Auf Rang acht war er einer von fünf Schweizern in den Top-Ten. Indergand gelang ein glänzender Start. „Die ersten paar Runden liefen super, aber am Ende habe ich es schon gespürt, da wurde es hart. Ich musste aufpassen, konnte mich aber gut halten“, gab er einen Einblick.

*****

Henrique Avancini (Cannondale Factory Racing) lag nach zwei Runden in der Spitzengruppe, auf einmal war er aber weg. „Bei einer Berührung der Räder mit Vogel ist eine Speiche gebrochen“, klärt Avancini auf „Ich musste langsam machen und das Vorderrad dann tauschen.“

Das kostete ihn den Anschluss, mit einer Minute Rückstand wurde er danach nur noch auf Rang 19 geführt. Er verbesserte sich zwar wieder auf Position 13, doch in den letzten beiden Runden verlor er ein wenig den Schwung und erreichte das Ziel schließlich als 18. „Diese Art von Matsch ist eine Herausforderung für mich“, bekennt der Brasilianer, „aber ich habe es ganz gut gemacht.“

Ben-Zwiehoff_WC19-Albstadt_men_by-Traian-Olinici.
Keine Fehler gemacht: Ben Zwiehoff ©Traian Olinici

 

Ben Zwiehoff (Bergamont) verbuchte in Albstadt seine Karriere-Bestmarke. Der 25-Jährige startete an 70. Position und landete 40 Plätze weiter vorne. „Es ist schwierig von so weit hinten, aber ich habe mich nicht beirren lassen“, gab Zwiehoff dem Kollegen Alfons Benz zu Protokoll.

Dabei ist Regen und Matsch ganz und gar nicht sein bevorzugtes Metier. „Ich habe mich nicht beirren lassen und keinen einzigen Fehler gemacht“, so Zwiehoff.

In der vierten Runde lieferte er die 13. Zeit ab und machte damit einen Sprung von Position 49 auf 36. Am Ende hatte er Georg Egger (Lexware), der bis zur Schlussrunde um Platz 20 gefahren war, nur noch acht Sekunden vor sich. „Den Georg hätte ich gerne noch geholt, aber das hat nicht mehr ganz geklappt“, meinte Zwiehoff.

*****

Luca Schwarzbauer (Lexware) landete in seinem ersten Elite-Weltcup auf Position 47. Den gleichen „Flow“ wie zuletzt in Heubach hätte er nicht gehabt und deshalb äußerte er sich auch nicht wirklich zufrieden. Doch von seiner Startposition 72 aus bewegte er sich das ganze Rennen über nach vorne. Dabei konnte er seine schnellste Rundenzeit aus Runde zwei in der letzten 4,2-Kilometer-Schleife sogar noch mal wiederholen (27. Zeit). An der Stabilität hat es beim 22-Jährigen also nicht gefehlt.

 190519_15194_by_Fuchs_GER_Albstadt_XCO_ME_SchwarzbauerL
Nicht den Flow gehabt: Luca Schwarzbauer ©Max Fuchs/EGO-Promotion

 

Martin Gluth (Superior XC) klagte über fehlenden Durchblick „Eigentlich kann ich bei solchen Bedingungen gut fahren, aber ich habe einfach nichts gesehen“, so Gluth, der auch keine optimalen Reifen drauf hatte. Mit Brille ging’s im Matsch nicht und ohne auch nicht. So wurde es nur Rang 53. „Die Form ist nicht schlecht“, meinte er und hoffte auf gute Sicht in Nove Mesto.

*****

Julian Schelb (Stop&Go Marderabwehr) landete auf Platz 57. Da wäre allerdings viel mehr drin gewesen, zumal der Deutsche Marathon-Meister ein starker Matsch-Fahrer ist. Der Knackpunkt lag in der zweiten Runde, als sich Schelb einen Plattfuß einhandelte und die nächsten eineinhalb Runden quasi ein Replay waren. Alle Überholvorgänge noch mal vorne. „Die Form ist eigentlich gut“, meinte er. Die Rundenzeiten in den letzten drei 4,2-Kilometer-Schleifen bestätigen das, die waren Top-40-würdig.

*****

Einen „Tag zum Vergessen“, schrieb Markus Schulte-Lünzum ins imaginäre Rennfahrer-Tagebuch. „Der Start auf der Straße war noch gut, aber dann habe ich im Gerangel zu oft zurückgesteckt“, erklärte Schulte-Lünzum. „Bergab bin ich dann auch total gestrauchelt und habe das Vertrauen in mich verloren.“

Weil er fürchtete, sich mit seiner Performance durch einen Sturz auch noch zu verletzen und erkannte, dass er mit seinem Rückstand eine Runde später sowieso per 80-Prozent-Regel aus dem Rennen genommen würde, zog er selbst einen Schluss-Strich.

Nach dem eigentlich positiv verlaufenen Frühjahr war Schulte-Lünzum umso mehr enttäuscht. „Ich versuche das Gefühl aus den Rennen zuvor wieder ins Gedächtnis zu rufen und gebe mein Bestes, um in Nove Mesto auch im Weltcup erfolgreich zu sein“, blickte er nach vorne.

*****

Jochen Käß (Centurion-Vaude) startete bei seinem kurzen Intermezzo in der Cross-Country-Szene an 96. Position, kam am Start gut weg, stand dann aber unvermeidlich erst mal im Stau. Doch in Runde drei erlitt er einen Reifendefekt und als die Strecke immer rutschiger wurde, da war es ihm doch zu riskant. „Mit dem Schlüsselbeinbruch vom Cape Epic wollte ich kein unnötiges Risiko eingehen“, erklärte er das DNF hinter seinem Namen.

Facebook Auto Publish Powered By : XYZScripts.com