Weltcup Albstadt Nachgedreht (1): Glücksgefühle und historische Dimension

Berichte aus der Damenwelt, mit Artikel 31 und einem Stück aus der Statistik-Abteilung

Kate Courtney schließt eine 22-Jahres-Lücke. In Waldsassen feiern sie zwei Premieren – eigentlich sogar drei. Gute Laune mit dem Downhill-Weltmeister. Eine Olympiasiegerin, die UN-Kinderrechts-Konvention und ein verhindertes Comeback. Eine Favoritin, die verschwindet. Derangierte Lenker und Bremsen. Eine Deutsche, die noch nicht wieder die Alte ist und eine andere, bei der es irgendwann zäh wird. Nachgedreht, was hier noch nicht geschrieben stand.

 

Der Sieg von Kate Courtney, oder sollen wir in der Mehrzahl sprechen: die beiden Siege, besitzen eine historische Dimension.

Wenn die selbst geführte Statistik nicht trügt, dann war das der erste Weltcup-Sieg einer Fahrerin, bzw. einer Fahrerin aus dem Mutterland des Mountainbikens seit 22 Jahren. 1997 hat Alison Dunlap in Budapest gewonnen, seither war Ebbe. Kaum zu glauben.

Ob man jetzt als Ende dieser sieglosen Serie den Short Track am Freitag oder erst das Cross-Country-Rennen am Sonntag hernimmt, das ist noch so eine Statistik-Frage. Aber offiziell ist der Short Track ein Weltcup-Wettbewerb, insofern darf man das im eigenen Palmares auch so führen.

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Glücksgefühle beim Team Ghost Factory Racing: Zum ersten Mal gewann die Equipe aus Waldsassen bei den Damen die Team-Wertung und zum ersten Mal stand Anne Terpstra im Cross-Country-Weltcup auf dem Podium. Die Niederländerische Meisterin hatte bisher einen zehnten Platz im Weltcup als Bestmarke stehen, in Albstadt wurde sie Fünfte.

„Ganz ehrlich, alles andere als ein TOP10 Ergebnis wäre schon ein bisschen enttäuschend gewesen. Ich wusste ich bin gut drauf, der Winter war super und ich hatte so viel Unterstützung an der Strecke – das war unglaublich.“ Voriges Jahr hatte sie nach einem Knöchelbruch im Frühjahr noch Abstriche machen müssen. „Ich wusste lange nicht ob ich es jemals aufs Weltcup-Podium schaffen würde. Heute hat einfach alles gepasst und mir fehlen eigentlich die Worte. Es ist einfach wahnsinnig schön das erleben zu dürfen!“

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Premiere auf dem Cross-Country-Podium: Anne Terpstra ©Irmo Keizer

Sina Frei, eigentlich noch in der U23 startberechtigt, war mit ihrem 11. Rang in ihrem ersten Elite-Weltcup nicht wirklich zufrieden. „Ich hatte mir mehr erhofft, aber ich habe schnell gemerkt, dass das meine Beine heute nicht hergeben“, gestand die U23-Weltcupsiegerin des vergangenen Jahres. Barbara Benko landete auf Rang 17. Sie kam am Start nicht gut weg und erholte sich vom Versuch nach vorne zu kommen nicht mehr. „Das sollte eigentlich nicht passieren“, meinte Benko. Aber immerhin: zum Gewinn der Teamwertung trug sie trotzdem bei.

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Eine andere Überraschung war der zehnte Rang für Malene Degn (KMC Ekoi Orbea) bei ihrem ersten Elite-Weltcup. „Damit habe ich auch nicht gerechnet“, bekannte die Dänin mit einem breiten Grinsen. „Das ist natürlich ein super Start in die neue Kategorie.“

2018 hatte sie im Trikot von Ghost in der U23 den Auftakt in Stellenbosch gewonnen, dann aber nicht mehr daran anknüpfen können. „Ich bin gleich schnell geblieben, aber die anderen sind schneller geworden“, meinte Degn im Rückblick.

Nach dem Damen-Rennen saß sie mit ihrem Freund, Downhill-Weltmeister Loic Bruni, im Pressezentrum im Trockenen und beobachte gut gelaunt das Herren-Rennen auf dem Bildschirm.

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Malene Degn ©Traian Olinici

 

Annika Langvad (Specialized Racing), als eine der Top-Favoritinnen gehandelt, „verschwand“ bereits nach der Startrunde aus dem Rennen. An 50. Position war sie an der Zeitmessung vorbei gekommen. Auf Instagram postete Langvad eine Erklärung, die aber letztlich doch offen lässt, woran sie an diesem Tag scheiterte. Schon im Short Track am Freitag wurde die Dominatorin der vergangenen Saison „nur“ Fünfte.

„Ich habe die Woche über versucht ein positives Gefühl zu finden, die Dinge umzudrehen und die Beine ans Laufen zu bringen. Mit wenig Erfolg“, schreibt Langvad.

Dass es an der Transformation der überragenden Form auf der Straße zur explosiveren Disziplin Cross-Country liegt, darüber hatte sie am Freitag nach dem Short Track spekuliert.

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Rio-Olympiasiegerin Jenny Rissveds hatte für Albstadt eigentlich ihr Weltcup-Comeback geplant. Die Schwedin hatte vor 15 Monaten offenbart, dass sie an Depressionen leidet, im Winter aber sachte angedeutet, dass sie den Faden wieder aufnehmen will.

Sie bestritt bis dato zwei Rennen, einmal das Rye Bike-Festival, ein Etappenrennen in Norwegen, das sie hinter Caroline Bohe aus Dänemark auf Rang zwei beendete und das Klippingracet in Schweden, dass sie gewinnen konnte.

Ihr Start in Albstadt scheiterte wohl an einer simplen Erkältung. Team31 nennt sie ihr eigenes Team und das bezieht sich auf den Artikel 31 der UN-Kinderrechts-Konvention. Dort geht es um das Recht des Kindes auf Ruhe, Freizeit und Spiel. In einem Video auf der Website des Teams wird die Frage gestellt: „Was wäre, wenn wir unseren Erfolg für etwas jenseits von Wettkampf und jenseits des obersten Podests nutzen würden. Wenn wir ihn für etwas Größeres nutzen würden…stell dir vor, für etwas, das wirklich zählt.“ Der Artikel 31 ist sicher so was.

Rissveds und ihr kleines Team sind nach Nove Mesto weiter gereist.

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Ramona Forchini (jb Brunex-Felt) belegte am Sonntag Platz 14, nachdem sie sich bei einem Sturz den Lenker und die Bremse derangiert hatte. Bis dahin war sie in den Top-Ten unterwegs, obschon das Gefühl an diesem Tag „nicht so gut“ gewesen sei.

Glücksgefühle löste da eher der sechste Rang im Short Track aus. „Der erste Short Track, der bei mir gut gelaufen ist“, meinte sie da strahlend. Bisher hatte sie auf der Kurzstrecke nie was Vernünftiges zustande gebracht.

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„Noch nicht wieder die Alte“: Adelheid Morath ©Traian Olinici

 

Der Start von Adelheid Morath (KS Trek Racing) stand lange auf der Kippe. Lange hatte sie mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen gehabt und Anfang der Weltcup-Woche hatte sich ein Kratzen im Hals gezeigt. Letztlich stand sie am Sonntag am Start, in der siebten Reihe. Am Ende stand ein 36. Rang zu Buche.

„Von dieser Startposition aus und mit diesen Bedingungen war es nicht einfach. Meine Trainingsleistungen konnte ich heute nicht umsetzen“, konstatierte die 34-Jährige. Aber am schwierigsten sei es auf der „mentalen Seite“, weil es ja bereits um die Normen für die Olympischen Spiele in Tokio geht. „Das muss ich erst mal abhaken. Mein Ziel ist es zurück zu kommen“, meinte sie. „Aber ich bin noch nicht wieder die Alte.“

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Hanna Klein (Scott-Sparkasse) musste aus der letzten Startreihe ins Rennen gehen. Am Start konnte sie nicht viel Boden gut machen, doch dann ging es von Rang 62 nach der Startrunde erstaunlich schnell bis auf Position 45 nach vorne.

„Dann wurde es einigermaßen zäh“, bekannte die 31-Jährige. Sie verlor erst mal wieder zwei Positionen. „Ich dachte, ich muss nur kurz eine Pause machen, aber danach ging nichts mehr“, so Klein, die auch an Bauchschmerzen litt.

 

 

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