Weltcup Mont Sainte Anne Nachgedreht: „Mon Dieu, Anton“

Kerschbaumers Mini-Serie und ein bissiges Streckenteil

Die Beatrice spielt Schicksal. Zweimal Brasilien und einmal Südtirol. Endlich mal wieder ein geiles Gefühl. Nicht bei Thomas Litscher. Ein Sattel wo er nicht hingehört. Solche Sachen Nachgedreht, was hier noch nicht geschrieben stand.

 

Anton Cooper (Trek Factory Racing) sorgte in Mont Sainte Anne für die Szene des Tages. Sein Sturz in der „Beatrice“ entschied in der Schlussrunde das Rennen zugunsten von Mathias Flückiger. Und wie sich das Bike selbstständig machte, über die Streckenbegrenzung den steilen Felsenhang hinabflog, das produzierte beim Publikum viele lang gezogene „Ooohs“, mit „mon dieu, Anton“ (um Gottes willen) hinten dran.

Cooper wirkte erst mal etwas irritiert, als er aufstand. „Ich dachte: hey,wo ist mein Bike“, erzählte er acrossthecountry.net am Montag. Als er es dann unter sich entdeckte, musste er runter steigen und den Lenker richten, bevor er das Rennen komplettieren konnte.

Wie es überhaupt zum Sturz kam? „Ich war ein bisschen zu eng in der Kurve, das Hinterrad stand nicht richtig und dann konnte ich es nicht mehr kontrollieren. Schade, es hat immer funktioniert, im Training und auch sechs Mal im Rennen“, erklärte Cooper. Zum zweiten Mal in dieser Saison war er ganz nahe am Sieg. In Nove Mesto hatte er erst hauchdünn im Sprint gegen Nino Schurter verloren.

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Henrique Avancini (Cannondale Factory Racing) führte das Feld der Herren aus der Startrunde in die erste 4,1-Kilometer-Schleife. Doch da vorne konnte sich der Brasilianer nicht halten. Es lag aber laut eigener Einschätzung nicht am Short Track, den er am Freitag auf Rang zwei beendet hatte.

„Aus irgendwelchen Gründen hat sich im Rücken ein Muskel zusammengezogen und ich konnte meine Power nicht umsetzen. Das war sehr nervig, aber mit so einem Problem das Rennen noch in den Top-Ten zu beenden ist auch wieder okay“, erklärte Avancini. Der WM-Vierte erreichte als Neunter das Ziel und wahrte als Gesamtdritter seine Chance auf einen Platz auf dem Gesamtpodium. Es wäre das erste für einen Brasilianer.

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Gerhard Kerschbaumer ©Erhard Goller

 

Gerhard Kerschbaumer (Torpado Gabogas) war neben Cooper der zweite potenzielle Sieg-Kandidat, der sich mit einem Sturz aus dem Rennen schoss. Der Südtiroler flog schon in der vorletzten Runde als Matthias Flückiger (Thömus RN Racing) etwas Druck gemacht hatte. Kerschbaumer stürzte auf die Schulter, fuhr aber weiter und wurde schließlich noch Zweiter. Am Montagmorgen pedalierte er schon wieder die Straße entlang und signalisierte im Vorbeifahren: „Alles in Ordnung“.

Damit kann er auf eine stolze Mini-Serie zurückblicken: Zweiter im Val di Sole, Erster in Andorra und jetzt wieder Zweiter. Damit hat sich der stille Italiener nicht nur auf Rang fünf der Gesamtwertung katapultiert, sondern sich für die WM auch zum Mitfavoriten gemacht.

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Matthias Stirnemann (Scott-Sram) konnte nach dem sechsten Weltcup der Saison mal wieder zufrieden sein. „Am Start kam ich einfach nicht nach vorne. Und vor und in jedem steilen Anstieg gab es Stau und ich musste rennen. Danach fand ich aber einen guten Rhythmus und konnte diesen über 90 Minuten durchziehen. Endlich mal wieder ein geiles Gefühl im Rennen“, wird der Cape-Epic-Sieger von 2017 in einer Pressemitteilung zitiert. Als 18. notierte er sein bestes Saisonresultat.

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Andri Frischknecht ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Sein Teamkollege Andri Frischknecht landete auf Rang elf. Das war das fünfte Top-15-Resultat im sechsten Rennen für den 24-Jährigen, was eine erstaunliche Konstanz offenbart. Im Short Track hatte er sich nach der Anreise von der EM aus Glasgow noch ziemlich leer gefühlt.

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Thomas Litscher (jb Brunex-Felt) verlor bereits in Runde eins mit einem Hinterrad-Plattfuß alle Chancen auf ein Top-Resultat. Dafür war auch die bissige „La Beatrice“ verantwortlich und bedeutete den Zig-Zag-Anstieg und die folgende Abfahrt ohne Luft im Hinterreifen bewältigen zu müssen. „Das war ganz schön nervig. Berg

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Thomas Litscher ©Erhard Goller

runter bist du dann den anderen im Weg“, sagte Litscher.

Mit Gewalt machte er sich nach dem Wechsel an die Aufholjagd, doch er fand nicht so schnell wieder seinen Rhythmus. Platz 35 war für den WM-Dritten natürlich eine Enttäuschung.

„Ich weiß auch nicht, was dieses Jahr anders ist. Ich habe das gleiche Material wie 2017“, sinnierte er über seine Pechsträhne. In der „Beatrice“ holte ich übrigens auch Stephane Tempier (Bianchi-Countervail) einen Plattfuß.

 

Eine Aufwärtstendenz registriert Irina Kalentieva (Möbel Märki Pro Team) bei sich. Nach einem von Krankheiten durchsetzten Frühjahr reichte es in Mont Sainte Anne zu Platz 15. „Es wird wieder besser“, nickt die Russin. Nur der Start geriet nicht so günstig, so dass sie erst mal an 25. Stelle notiert wurde.

Die 40-Jährige will auf jeden Fall noch eine Saison dranhängen. „Ich werde aber nicht mehr so viele Rennen fahren, sondern mich auf wichtige konzentrieren“, kündigt Kalentieva an.

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Barbara Benko (Ghost Factory Racing) verließ in Runde drei, ihr Bike schiebend, das Rennen. Ihr Start war blendend gewesen, sie führte das Feld aus der Startrunde heraus und hielt sich erst mal in den Top-Ten. Bis eine Konkurrentin vor ihr stürzte, sie nicht mehr ausweichen konnte und sich beim Sturz den Sattel so heftig in den Bauch rammte, dass sie mit großen Schmerzen aufgeben musste.

„Sehr schade“, meinte sie. „Mir ging es gut und ich glaube um einen Platz in den Top-Ten hätte ich mitfahren können.“

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Katerina Nash (rechts) und Barbara Benko ©Thomas Weschta/EGO-Promotion

 

Katerina Nash (Clif Pro Team) ist ein Phänomen. Die in den USA lebende Tschechin war für Mont Sainte Anne in den Weltcup zurückgekehrt, hatte aber keine Weltranglistenpunkte mehr, so dass sie der Tschechische Verband melden musste. Weil es weniger als 40 Meldungen bei den Damen gab, konnte Nash den Short Track bestreiten und landete prompt auf dem vierten Rang.

Dadurch stand sie am Sonntag in Startreihe eins. Und bewies, dass sie immer noch hervorragend in Schuss ist. Ohne den Defekt in Runde vier, hätte es auch für Rang zehn reichen können. So wurde sie 14.

 

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Dass die Brasilianerin Jaqueline Mourao in Mont Sainte Anne im Weltcup auftauchte ist keine ganz große Überraschung, wenn man weiß, dass sie mit einem Kanadier verheiratet ist und in Quebec lebt. Die 42-Jährige war dieses Jahr allerdings auch schon im Val di Sole und in Andorra mit dabei. Es ist das xte Revival der Südamerikanerin, die einen Master in Trainingswissenschaften besitzt.

Mourao, die 2003 und 2004 für das deutsche Ghost-Team gefahren ist, hatte ihre Aktivitäten in den vergangenen Jahren mehr auf den Wintersport verlagert und auch Weltcup-Wettbewerbe und Weltmeisterschaften wie Olympische Spiele im Langlauf und Biathlon bestritten. Was die Platzierungen angeht, allerdings nicht so erfolgreich wie im Mountainbike. In Mont Sainte Anne belegte sie Rang 22.

 

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