Weltcup Snowshoe: Gestörte Sehgewohnheiten

Das Fazit aus einer überraschend erfolgreichen Premiere

Der Weltcup in Snowshoe, West Virginia, das war zum Abschluss der Weltcup-Saison eine Premiere, überraschenderweise auch ein Highlight und setzte in verschiedener Hinsicht ein paar neue Marken. Ein unvollständiges Fazit des ersten Weltcups in den USA seit 2015.

 

Dabei war Snowshoe eigentlich nur ein Verlegenheits-Kandidat. Eigentlich aus der Not geboren, weil Windham nach vier Jahren Pause dann doch nicht wieder dabei sein wollte. Das kleine Plateau Snowshoe im Pocahontas Country zu dem eine gut zehn Kilometer lange, kurvenreiche Straße hinaufführt, ist, hat einst ein Zahnarzt als Skigebiet entdeckt und ausbauen lassen.

Teams, Verbände und Sportler stöhnten über die teure und unbequeme Anreise von der WM in Mont Sainte Anne nach West Virginia. Bewaldete Berge bis 1500 Meter hoch, so weit das Auge reicht und dünn besiedelt. Der nächste größere Super-Markt – für die Versorgung des Weltcup-Trosses eigentlich unabdingbar – ist eine halbe Stunde entfernt.

Immerhin, Mountainbike war dort schon vorher kein Fremdwort. 2018 fanden dort die US-Meisterschaften statt und auch sonst schon einige kleinere Events.

Die skeptische Weltcup-Gemeinde wurde dort überaus freundlich, ja sogar begeistert empfangen. Als Race Director am Freitagvormittag von über 10000 erwarteten Zuschauern sprach, da war man als Europäer erst mal noch skeptisch. Aber: 8000 Tickets waren bereits im Vorverkauf weg gegangen.

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Stimmung in Snowshoe ©Andreas Dobslaff

Doch bereits beim Short Track versammelten sich sehr, sehr viele Menschen am Streckenrand und zwar mit einem Enthusiasmus, der das gesamte Wochenende begleitete. Die 10000er-Marke wurde sicher überschritten, auch beim Downhill säumten viele Zuschauer den Streckenrand.

Sicherlich, das für viele Europäer manchmal befremdlich wirkende national-patriotische Amerika brach an ein paar Stellen durch. Doch eine Jolanda Neff, eine Jenny Rissveds, ein Nino Schurter, auch ein Manuel Fumic, die bekannten Namen, sie wurden ebenfalls hoch emotional gefeiert und bejubelt.

Elf Fahrer innerhalb einer Minute

Die Cross-Country-Rennen waren speziell. Mancher Beobachter fragte sich im Herren-Rennen nach drei Runden, ob er vielleicht bei einem Cross-Rennen gelandet wäre. 20 Fahrer in einer großen Spitzengruppe, Platz 30 nur 26 Sekunden entfernt, das störte die Sehgewohnheiten. Mit dem üblichen Wahrnehmungsraster war schwer zu entschlüsseln, was da vor sich ging.

Der Kurs war kaum selektiv und es dauerte bis sich Qualitätsunterschiede zeigten. Dann waren letztlich auch wieder die vorne, die sonst auch vorne sind. Auch wenn es Leute gibt, die das besonders gut können. Aber diese Verschiebungen gibt es ja zwischen allen Strecken.

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Ein eindrucksvolles Bild, aber nicht aus der ersten Runde. In der Mitte Thomas Litscher vor Manuel Fumic ©Keno Derleyn

Elf Fahrer kamen innerhalb einer Minute ins Ziel. Der Autor kann sich in seiner 19-jährigen Weltcup-Geschichte an kein anderes Rennen mit so engen Abständen erinnern. Mit 1:44 Rückstand wurde Andri Frischknecht (Scott-Sram) 20.

Bei den Damen, die ein nicht minder spektakuläres Rennen zeigten, wirkte sich das aber nicht so aus. Catharine Pendrel (Clif Pro Team) hatte als Zehnte 2:50 Minuten Rückstand. Da wo sich Lücken auftaten, wurden sie rasch größer, bzw. waren schwer zu schließen.

Rundenzeiten unter zehn Minuten

Noch so eine Rekordmarke: Noch nie gab es bei einem Weltcup-Rennen der Herren Rundenzeiten von unter zehn Minuten. Kein Wunder: der Kurs war mit 3,8 Kilometer eigentlich unter der UCI-Norm von 4,0 Kilometer und er war eben schnell. Weil die Abstände aber so gering waren, blieben 62 Fahrer in einer Runde. Zum Vergleich: Bei der WM waren es 57.

Die besten Damen fuhren plus-minus elf Minuten pro Runde, auch das natürlich eine sehr geringe Hausnummer. Und die 80-Prozent-Regel wurde erst nach Platz 45 angewandt, während bei der WM nur 35 durchkamen.

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Weltcup in Snowshoe: Eine ziemliche Party ©Andreas Dobslaff

Ob das diese Art von Kurs, diese Art von Rennen zu sehr an Cyclo-Cross annähert, darüber kann trefflich diskutiert werden. Ein solches Rennen im Kalender werden aber auch die Puristen tolerieren können. Mont Sainte Anne war eine Woche vorher auf der anderen Seite der Skala.

Für 2020 ist der Kalender bereits gemacht – ohne Snowshoe. Aber die Destination will sich für 21 und 22 bewerben. Bei der UCI ist man offen dafür und trotz der beschwerlichen Reise dort hin, dürften das nach dieser Erfahrung jetzt nicht wenige begrüßen.

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