WM Pietermaritzburg: Eine Bilanz aus deutscher Sicht

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Start der U23 Herren: Julian Schelb kracht in den Zaun, dahinter Martin Gluth, der dadurch gestoppt wird. Am Boden verdeckt, der Auslöser Hugo Drechou. Nicht alle Medaillen kamen nach reibungslosen Rennen zustande. ©Michal Cerveny


Gemessen an den Medaillen war die 24. MTB-Weltmeisterschaft in Pietermaritzburg für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) in der olympischen Cross-Country-Disziplin die erfolgreichste WM aller Zeiten. Doch auch darüber hinaus rundeten zwölf Top-Ten-Platzierungen die Erfolgsbilanz ab.

Es lassen sich einige Das-gab-es-noch-nie-Fakten aus dem Gesamtergebnis der deutschen Cross-Country-Biker herausfiltern, die den Erfolg illustrieren, von dem die Verantwortlichen hoffen, dass er 2014 eine Fortsetzung findet. Und die logische Konsequenz eines eingeschlagenen Weges ist.

2003 war bis dato die erfolgreichste WM für den BDR. In Lugano holte Sabine Spitz den WM-Titel, Manuel Fumic ergatterte Silber in der U23 und Almut Grieb Bronze bei den Juniorinnen.
Gold für Spitz war damals keine Sensation, nur eine kleine Überraschung weil Gunn-Rita Dahle damals die alles überragende Figur war. Fumic’ Silber war auch im Rahmen der vorher ausgeloteten Möglichkeiten. Nur Almut Griebs dritter Rang, mit dem hatte niemand gerechnet.

Vergleicht man das mit dem Resultat 2013, sieht das deutlich anders aus. Erstens muss man in Rechnung stellen, dass sich die Prognosen schon am Tag vor dem ersten Wettkampf verschlechterten. Der Ausfall von Sabine Spitz war ein schwerer Schlag, für die Medaillenhoffnungen in der Staffel und für das Damen-Rennen sowieso. Das heißt, die starke Bilanz entstand ohne eine jahrelange Medaillensammlerin.

Zu den fünf Medaillen:
In der Staffel hätte man mit Sabine Spitz zu den Favoriten gehört. Dass es zu Bronze gereicht hat, dazu war auch ein wenig das Glück nötig, das man in früheren Jahren nicht hatte. Jaroslav Kulhavy übertrieb es am Start zu seiner Runde mit den Schaltvorgängen und die Kette war durch. Ob Fumic die zehn Sekunden zu ihm auch aufgeholt hätte? Nach seiner Leistung vom Samstag könnte man sagen: vielleicht schon.
Andererseits wäre mit Sabine Spitz Gold oder Silber wohl auch nicht möglich gewesen. Dazu hätte Spitz schon ein halbe Minute schneller sein müssen als die schnellste Staffel-Dame Julie Bresset. 2:21 fehlten auf die zeitgleichen Italiener und Franzosen.

Die Bronze-Medaille von Sarah Bauer war eine Überraschung. Mit einem Top-Ten-Platz hatte man für die 17-Jährige kalkuliert. Dass Sofia Wiedenroth nach langer Krankheitspause nicht wieder fit sein konnte, war eigentlich auch klar.

Für Überraschungen braucht man meistens etwas Glück und das war auch bei Sarah Bauer so. Mitfavoritin und Europameisterin Malene Degn aus Dänemark riss gleich am Start der Schaltzug. Wenn man jetzt Wiedenroth als die (noch) stärkere Fahrerin als Bauer einschätzt, dann wäre sie im ungünstigsten Fall immer noch ganz starke Fünfte gewesen. Aber Wiedenroth möglicherweise auf dem Podest. Natürlich alles hypothetisch und keinesfalls als Relativierung gemeint.

Die Medaille im Juniorinnen-Bereich ist also keine Überraschung und auch kein Zufall. Seit 2010 gab es in der weiblichen U19-Kategorie dort immer Edelmetall für den BDR.

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Damen-Rennen mit Hanna Klein und Publikum. Die gute Stimmung im Team wurde allseits hervorgehoben. Die Zuschauer von links: Philipp Bertsch, Georg Egger, Lukas Baum, Nadine Rieder, Sofia Wiedenroth und Sarah Bauer. ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Das gab es noch nie, erstens: Der Weltmeistertitel für Lukas Baum. Noch nie hat ein deutscher Junior Gold bei der WM geholt. Karin Romer hat als Juniorin dreimal das Regenbogen-Trikot getragen (damals war die Altersbeschränkung nach unten offen). Das war 91, 93 und 94. Aber bei den männlichen Altersgenossen gab es nur zwei Medaillen überhaupt. Klaus Jakobsmeier 1993 in Métabief (Bronze) und Matthias Mende 1998 (Silber in Chateaux d’Oex).

Lukas Baum ging als amtierender Europameister schon als Mitfavorit ins Rennen. Dass sich der Franzose Raphael Gay per Sturz und mit Defekt dann als Konkurrent verabschiedete, muss man Baum jetzt nicht als Glücksfaktor auslegen. Bei der EM hat er ihn ja auch geschlagen und der Pfälzer war im Gegensatz zum Franzosen auch nicht am Limit.

Medaille Nummer vier im U23-Rennen. Neun Jahre hat es gedauert, ehe Julian Schelb die medaillenlose Zeit in dieser Kategorie beendet hat. Dabei hatte er nicht etwa Glück, sondern sogar riesiges Pech. Seine Leistung veranlasste sogar Markus Schulte-Lünzum dazu, einzukalkulieren, dass ihn Schelb noch abgefangen hätte. Er musste im Konjunktiv reden weil er der zweite Pechvogel des Tages war. Durch seine lange Standzeit beim Reifenwechsel wurde er aus dem Kampf um die Medaillenränge geworfen.
Im günstigen Fall hätte es also gar zweimal Edelmetall gegeben.

Die Leistung von Julian Schelb kann man nicht hoch genug einschätzen. Mental wie physisch. „Julian hat in den letzten Monaten mental noch mal einen großen Schritt nach vorne gemacht, er hat sich stark verändert“, konstatierte sein Trainer Ralph Näf.
Bei einer WM einen solchen Kraftakt zu vollbringen, das macht die Medaille noch einmal zu etwas ganz Besonderem.

Das gab s noch nie, zweitens: Die Krönung des Ganzen war die Silbermedaille von Manuel Fumic. Schon alleine deshalb, weil es die erste für einen männlichen deutschen Elite-Fahrer in der Cross-Country-Disziplin überhaupt war. Lado Fumic war diesem Erfolgs-Erlebnis über seine ganz Karriere hinweg hinterhergelaufen. Sein sechs Jahre jüngerer Bruder seit 2005 auch.

Und sie ist dem inzwischen 31-Jährigen überhaupt nicht in den Schoß gefallen. Im Gegenteil. Ein Comeback nach einem Schlüsselbeinbruch ist kein Selbstläufer. Zwei Zwischenfälle (siehe Interview) zu kompensieren muss man erst mal können. Der knappe Abstand zu Nino Schurter lässt sogar offen, ob Fumic an diesem Tag gar Weltmeistertauglich gewesen wäre.
Man könnte sagen, Manuel Fumic hat das Versprechen, das sein großes Talent gegeben hat, endlich eingelöst. Den Konjunktiv, dieses hätte, wäre, wenn, das kann er endlich streichen. „Vize-Weltmeister“, das hört sich nicht schlecht an.

Das gab’s noch nie, drittens: Diese Medaillen-Ausbeute (siehe oben).

Das gab’s noch nie, viertens: Die Anzahl der Top-Ten-Platzierungen. Zu den fünf Medaillen kommen noch zwölf weitere Top-Ten-Platzierungen, fünf davon im Sprint, wo sich Glück (Grobert, Rieder) und Pech (Gegenheimer, Eyring) ein wenig aufwiegen.
Man muss also der ganzen, ursprünglich 21-köpfigen Delegation, einen starken Auftritt attestieren.
Hier die Top-Ten-Platzierten: 4. Sofia Wiedenroth, 7. Georg Egger, 9. Philipp Bertsch (alle U19), 4. Helen Grobert, 7. Christian Pfäffle, 10. Markus Schulte-Lünzum (alle U23), 7. Moritz Milatz (Elite), 4. Nadine Rieder, 6. Lena Putz, 7. Helen Grobert, 5. Andy Eyring, 10. Martin Gluth (alle Sprint).

Verkraften musste man überdies, dass Adelheid Morath noch nicht wieder fit war und als 19. natürlich unter Wert geschlagen wurde. Junior Luca Schwarzbauer war mit seinem 20. Rang nicht zufrieden, der 20. von Martin Gluth kam unglücklich zustande und Hanna Klein büßte durch unglückliche Umstände bei der Verpflegung Positionen ein. Sie war vielleicht die Einzige, die auch unter den gegebenen Umständen mit ihrem Ergebnis unzufrieden sein musste.

Woher dieser Aufschwung kam, wie viel daran Zufall und was wiederholbar ist, das werden die nächsten Jahre zeigen. „Ich hoffe beim Präsidium erwarten sie jetzt nicht noch mehr“, meinte Peter Schaupp, der als Bundestrainer zum ersten Mal an verantwortlicher Position stand.
Auch nach dieser Jubelarie heißt es für ihn: Abheben gilt nicht.

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Martin Gluth am Start des Eliminators, Bundestrainer Peter Schaupp dahinter. Gute Laune mag auch ein Erfolgsfaktor gewesen sein. Ist mit Medaillen natürlich einfacher. ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Mögliche (kurzfristig wirksame) Faktoren:
Mit René Schmidt hatte man bei der WM (und auch schon in Trainingslagern) einen Technik-Trainer mit dabei, der eben die Zeit hatte mit den Sportlern die schwierigen Passagen zu erarbeiten. Wie viel das ausmacht, lässt sich kaum ermessen. Jedenfalls kamen die Deutschen sehr gut um den Kurs. Auch im Vorfeld wurde daran schon gearbeitet.

Die individuelle Vorbereitung, die an die Vorgaben der Heimtrainer und die Wünsche der Athleten (noch) mehr angepasst war als in den vergangenen Jahren, mag auch eine Rolle gespielt haben. Im U23-Bereich lässt sich auch festhalten, dass man die Ernte jahrelanger Aufbauarbeit erntet.

Im Medaillenspiegel, das der Vollständigkeit halber, liegt der BDR im XC-Bereich auf Rang drei, hinter den Schweizern (3-1-2) und den Italienern (2-1-1). Was die Anzahl der Medaillen angeht hinter den Eidgenossen auf Rang zwei.

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