WM Pietermaritzburg nachgedreht (2): Fahrer-Trainer und Kollissionen im Baum-Haus

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José Hermida im „Tree House“, dem Rock Garden. Zweites Mal WM-Bronze und ein bemerkenswertes Statement bei der PK. ©Marius Maasewerd/EGO-Promotion

Zwei sind als Trainer erfolgreich, als Fahrer dagegen nicht, zwei Olympiasieger kollidieren, ein Routinier spricht vom härtesten Rennen seines Lebens, einer strickt an seiner Legende, ein anderer zollt Tribut und erntet Applaus. Ein Schweizer spielt Schicksal für die Cannondale-Jungs. Nachgedreht, was aus der Herren-Welt von der WM in Pietermaritzburg hier noch nicht geschrieben stand.


Wolfram Kurschat
(Topeak-Ergon) überquerte als 35. die Ziellinie. Das war nicht das, was er sich vorgestellt hatte. „Ich bin doch etwas enttäuscht“, bekannte der 38-Jährige. Durch den Sturz am Start (Lukas Flückiger) kam er ganz gut vorbei, doch die Aufholjagd gestaltete sich nicht so effektiv wie erhofft. „Der Grundspeed auf diesem Boden, der fast wie Asphalt war, der ist so hoch. Bevor man körperlich in den roten Bereich kommt, hat man schon die physikalische Grenze erreicht, welche das Bike noch auf der Strecke hält“, machte er einen Erklärungsversuch.

Im Cascade MTB Park sind einige Bergaufpassagen Singletrails, also zum Überholen nicht geeignet. „Wenn man dann Platz hat, muss man so anreißen, dass man dann in der nächsten Kurve zu schnell ist und wegrutscht“, erklärte Kurschat weiter. So konnte er ab der zweiten Runde nur 15 Plätze gut machen.

Sein großes Erfolgserlebnis hatte Wolfram Kurschat schon am Donnerstag, als Lukas Baum Junioren-Weltmeister wurde. Kurschat schreibt dem Fiat-Rotwild-Fahrer die Trainingspläne und ist häufiger Trainingspartner.

„Ich wusste, dass er es kann. Am Schluss ist er im Training meinen 90-Sekunden-Anstieg schneller gefahren als ich, obwohl ich meine Bestzeit übertraf. Weltmeister, das ist die Krönung“, meinte er im Ziel. Für ihn als Coach, für Baum und weil es der erste (männliche) Junioren-Weltmeister-Titel für Deutschland war, auch für den deutschen Cross-Country-Sport.

Ondrej Cink (Multivan-Merida) kam ausgerechnet seinem eigenen Landsmann in die Quere. Der U23-Weltmeister des vergangenen Jahres war Ursache für den Sturz von Jaroslav Kulhavy (Specialized Racing) in der ersten Runde. Der Olympiasieger stürzte dann nochmal in den Rapid Rocks, einem Steinfeld. Dort kollidierte er mit Miguel Martinez (FRM) dem Olympiasieger von 2000.
„Ich habe mich gut gefühlt und habe trotzdem versucht eine Medaille zu holen, aber es hat leider nicht mehr gereicht. Nächstes Jahr dann..“, postete Kulhavy auf seiner Facebook-Seite.

Die letzten drei Runden fuhr Kulhavy tatsächlich das Tempo von Schurter und Fumic, was im Nachhinein die Einschätzung von Nino Schurter (Scott-Swisspower) bestätigte. Der Titelverteidiger hatte seinen Vorgänger auf der Rechnung, obwohl der 2013 bis dato nicht die Form hatte, um einen Weltcupsieg zu landen. Am Ende war er Fünfter.

Ondrej Cink brachte indes einen achten Platz ins Ziel, was ihn „sehr zufrieden“ machte.
„Vor der Saison wäre es ein Traum gewesen Top-Ten zu fahren, aber in dieser Saison ist es realistisch geworden. Am Schluss hatte ich Krämpfe und war froh, dass ich es ins Ziel geschafft habe“, meinte Cink.

Julien Absalon (BMC Racing) musste seine Hoffnungen eigentlich schon vor dem Rennen begraben. Wie gemeldet, konnte der Mitfavorit keine Freundschaft schließen mit dem künstlichen Steinfeld am „Tree House“.
Trotz zweier angebrochener Rippen und damit verbundenen großen Schwierigkeiten beim Atmen fuhr Absalon auf Rang sechs. Er sprach hinterher vom „härtesten Rennen seines Lebens“, dass es aber wichtig gewesen sei für Frankreich und für sein Team das Rennen zu Ende zu bringen. Ob er in zwei Wochen beim Weltcup-Finale in Hafjell starten wird, stellte Absalon zumindest in Frage.

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Zweimal kam er hier mit einem Kontrahenten ins Gehege: Manuel Fumic. Und es war auch die Stelle, an der sich Julien Absalon die Rippen lädierte ©Marius Maasewerd/EGO-Promotion

Überhaupt hat es das BMC Racing Team – mit Ausnahme von Moritz Milatz – hart erwischt. Für Medaillenkandidat Lukas Flückiger war das Rennen ja bereits an der Stelle zu Ende, an der Julian Schelbs Medaillenhoffnungen am Tag zuvor auch beinahe zu Bruch gingen. Bei Flückiger ging allerdings wirklich was zu Bruch. Am Abend bestätigten sich beim WM-Zweiten von 2012 der Verdacht auf zwei gebrochene Rippen. Überdies war er an beiden Knien und weiteren Stellen seines Körpers lädiert. Für einige Momente war Flückiger auch weg getreten.

„Es ist natürlich extrem enttäuschend. Am meisten weil ich so viel für die WM investiert habe. Aber was soll ich machen, ich muss es akzeptieren. So ist unser Sport“, meinte Flückiger, er extra auf den Kanada-Weltcup verzichtet hatte. Und alles für kaum 300 Meter WM.

Während Martin Fanger (20.) und Stephen Ettinger (23.) halbwegs ordentliche Ergebnisse einfuhren, war für U23-Fahrer Reto Indergand der 14. Platz eine große Enttäuschung. Matthias Stirnemann musste nach einem Sturz aufgeben. Er war überhaupt nicht gut im Rennen, kurvte um Rang 50 herum durch die Konkurrenz, ehe er stürzte und dann aufgeben musste. Er war auf das vor einigen Wochen angebrochene Schulterblatt gefallen. Nach ersten Untersuchungen ist aber nichts weiter passiert.

Auch bei Ralph Näf ging alles daneben. Er wurde durch Flückigers Sturz aufgehalten. Dann setzte er zur Aufholjagd an und lag schon auf Rang 13. „Dann war es plötzlich aus, keine Ahnung warum. Zum Schluss hatte ich auch noch zwei Defekte. Es ist enttäuschend, seit meinem Trainingssturz im März habe ich auf die WM hingearbeitet“, erklärte er dazu. Er wurde nur 51.

Auch im Sprint war für den Titelverteidiger früh Endstation. Im Achtelfinale traf er auf Andorra-Sieger Fabrice Mels und auf Simon Gegenheimer, zwei Sprint-Spezialisten. „Die sind so explosiv, da habe ich mit meinen 33 Jahren anscheinend keine Chance mehr. Die Disziplin hat sich sehr verändert. Ich bin aber stolz, dass ich der erste Weltmeister sein durfte“, sagte Näf.
Er hatte ja am Freitag als Coach wenigstens ein Erfolgserlebnis, als Julian Schelb Silber gewann.

Der erfolgreichste Schweizer, in Sachen WM ist er das schon aller Zeiten, bewertete seine dritten WM-Titel höher als den vom vergangenen Jahr. Es wäre despektierlich zu sagen, 2012 sei er nach dem entgangenen Olympia-Gold nur ein Trostpflaster gewesen, doch Nino Schurter liegt sicherlich nicht falsch, wenn er sagt: „2012 war für alle der Höhepunkt Olympia, dieses Jahr ist es die WM. Deshalb bedeutet der Titel auch etwas mehr.“

Der Knackpunkt für seinen Erfolg lag wieder einmal in der ersten Runde. Da kann er ein Tempo diktieren, das keiner so gut verkraftet wie er. Was die Titel in der Elite angeht, da ist er inzwischen in die Sphären des Dänen Hendrik Djernis aufgestiegen. Nur Absalon hat mit vier Titeln bei den Herren mehr Regenbogen-Jerseys im Schrank als Schurter, der langsam auch zur Legendenbildung taugt.
Insgesamt hat Absalon sieben Einzeltitel, Nino Schurter sechs auf seinem Konto. Absalons WM-Serie riss 2007 als er 27 Jahre alt war. So alt ist der Schweizer jetzt auch….Mal sehen wie die Geschichte weiter geschrieben wird.


José Antonio Hermida
(Multivan-Merida) schlüpfte bei der Pressekonferenz wieder mal in seine Rolle als Entertainer und brachte die Journalisten nicht nur einmal zum Lachen. Ernster wurde er bei der Frage nach der Geste gen Himmel, die er bei seiner Zieleinfahrt als Dritter zeigte.
„Das war für Burry (Stander), für Inaki (Lejaretta) und für Erwin (Wildhaber)“, sagte er und wandte den Blick zum rechts von ihm sitzenden Weltmeister Nino Schurter, dessen Mechaniker ja Ende vergangenen Jahres verunglückt war. „Und für alle Radfahrer, die für ihre Leidenschaft ich Leben lassen mussten.“
Hermida erntete spontan Applaus für sein Statement.

Der Spanier eroberte seine dritte WM-Einzelmedaille. 2005 war es Bronze, 2010 wurde er Weltmeister. Hermida machte den Versuch Nino Schurter hinterher zu fahren. Drei Runden lang, dann musste er kapitulieren. „Ich bin 35 und habe nicht mehr all zu viele Chancen Weltmeister zu werden. Mein Ziel ist mich für Rio zu qualifizieren, dann wäre ich 38. Aber Alter hin oder her, ich fühle mich jung und frisch und habe Spaß“, so Hermida.


Marco Fontana
(Cannondale Factory Racing) erlebt in Pietermaritzburg eine Fortsetzung einer eher unglücklich gefärbten Saison. Noch aussichtsreich in der Verfolgergruppe liegend, muss er im Steinfeld Rapid Rocks am Hinterrad von Fabian Giger auf die Linienwahl des Schweizers reagieren. Das misslingt, so dass er auf einen großen Stein drauffährt und zu Boden geht. Dabei bricht der Sattel.
„Mein Fehler, ich hätte im Steinfeld nicht so nah auffahren dürfen. Danach habe ich mich dran erinnert, dass ich das blaue Jersey anhabe und dass es eine WM ist. Ich habe weiter gekämpft. Gut für das Cannondale-Team, dass Manuel die Medaille geholt hat“, kommentierte Fontana.

Fabian Giger (Giant Pro XC) spielt an diesem Samstag in Südafrika so zufällig und unfrewillig ein wenig Schicksal für die Cannondale-Jungs. Manuel Fumic hatte es im „Tree House“ gleich zweimal unglücklich mit dem Eidgenossen zu tun, was jeweils ohne dessen Absicht mit Zeitverlust für Fumic einher ging. Beim ersten Mal war es sogar Marco Fontana, der durch einen Strauchler Giger zur Änderung seiner Linie zwang, was wiederum Fumic in Schwierigkeiten brachte. Im Baum-Haus wurde da gewissermaßen keine Freundschaft geschlossen. Mussten sie auch nicht: die Zeit der Begegnungen war damit vorbei.

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Marco Fontana: Durch Sattelbruch zurückgeworfen in den Dunstkreis der hinteren Reihen. ©Marius Maasewerd/EGO-Promotion
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