Anna Saier, die Hammer Zeit und das freie Leben

Erledigt. Nicht Anna Saier, aber deren Leistungssport-Karriere ©Maxime Schmid/EGO-Promotion
Erledigt. Nicht Anna Saier, aber deren Leistungssport-Karriere. Ein Bild von der EM 2015, als sie Siebte wurde. ©Maxime Schmid/EGO-Promotion

Junioren-Nationalfahrerin Anna Saier hat beschlossen das Kapitel Leistungssport zu beenden. Die 18-jährige Offenburgerin hatte sich im Mai die Hand gebrochen und war seither keine Rennen mehr gefahren. Es gab allerdings einen weiteren Anlass, sich Gedanken zu machen.

Auf Facebook hat Anna Saier ihren Entschluss vor wenigen Tagen offiziell verkündet. Sieben Jahre Leistungssport zählt sie auf, seit der U13 war sie als Mountainbikerin unterwegs. Klar, alle die keinen Leistungssport betreiben, können sich in etwa vorstellen, auf was Anna Saier bis dato verzichtet hat. Und sie ist auch nicht die Erste, bei der eine Verletzung oder Krankheit in diesem Alter dazu führt, der Wettkampf-Mühle den Rücken zu kehren.

Es war wohl ein schleichender Prozess, denn im Ende Juni war sie gegenüber acrossthecountry.net noch voller Hoffnung, „dass es bald wieder los gehen kann“.

Eigentlich hatte sich Anna Saier das Rennen der UCI Junior Serie in Méribel im August als Wiedereinstieg vorgenommen, doch dann tauchte eine Entzündung wieder auf, die sie im Frühjahr schon gestört hatte. Dadurch wurde normales, wettkampforientiertes Training unmöglich (und ist es immer noch nicht). Anna Saier hatte Zeit sich anderen Lebenswirklichkeiten zu widmen, die ihr den Impuls gaben nachzudenken. Über den Leistungssport.

Eines von nur wenigen Rennen in der Saison 2016: das in Rivera . Da zwangen Bauchschmerzen Anna Saier zur Aufgabe ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion
Eines von nur wenigen Rennen in der Saison 2016: das in Rivera . Da zwangen Bauchschmerzen Anna Saier zur Aufgabe ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

„Ich habe gemerkt, ups, da gibt es ja noch was anderes“, erzählt sie. Mit Freunden was unternehmen, auch „feiern“ oder andere Sportarten ausprobieren. Bouldern (freies Klettern) zum Beispiel. „Freier leben“, nennt sie das. „Die Pause hat mich vom Sport entfernt und mir die Augen geöffnet für was Anderes“, sagt die DM-Dritte des vergangenen Jahres. Und sie spürte, dass dieses „Andere“ ihr auch gefehlt hat.

Getraut sich die Fragen zu stellen

Es ist nicht untypisch, dass sich Sportler, vor allem junge, durch eine Zwangspause vom Leistungssport-Betrieb distanzieren. Vorher ist das Denken und Tun zwangsläufig auf den Sport fokussiert, aber dadurch auch die Wahrnehmung eingeschränkt. Plötzlich tauchen aber in einem Vakuum emotionale Anker auf, die das bisherige Handeln in ein anderes Licht rücken. Grundsätzliche Fragen werden gestellt. „

Ich habe mich getraut, mir diese Fragen zu stellen: Soll ich mich durchquälen? Ist es das wirklich, was ich will, was ich bin“? Die Antwort hat sich Anna Saier gegeben, auch wenn sie nicht einfach war. Sie lässt ja auch zurück, was bis dato ein großer Teil ihres Lebens war. Einer, den sie durchaus schätzt.

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In Bad Säckingen lief es ganz ordentlich, da wurde sie Dritte, hinter der späteren Weltmeisterin Ida Jansson und Anna Spielmann. ©Lynn Sigel/EGO-Promotion

„Ich bereue nichts“, sagt Anna Saier, „ich liebe den Sport und es war eine Hammer Zeit.

Wer weiß, vielleicht komme ich ja wieder zurück. Ich werde das Zusammensein im Lexware-Team, mit der Nationalmannschaft vermissen, ich bin mit denen ganz dick. Und das Renn-Feeling, das drumherum und danach erschöpft am Boden zu liegen und zu wissen, man du hast alles gegeben.“ (Siehe Aufmacher-Foto von der EM in Chies d’Alpago)

Und, so spricht sie weiter, sie habe im Leistungssport viel gelernt. Zum Beispiel diszipliniert auf ein Ziel hinzuarbeiten, ihrem Leben eine Struktur zu geben und zu kämpfen.

Das nimmt sie mit, die Lexware-Fahrerin, deren Karriere jetzt also im zweiten Juniorinnen-Jahr endet. Und die gleichzeitig „ein wenig stolz“ darauf ist, dass sie es geschafft hat, sich diese grundsätzlichen Gedanken zu machen und ihre Schlüsse zu ziehen.

Bundestrainer Marc Schäfer: Ein großer Verlust

Aus der innerbetrieblichen Ansicht verlieren die Bundestrainer Marc Schäfer und Peter Schaupp eine Athletin, die bereits im ersten Jahr bei den Juniorinnen Siebte der EM geworden ist, d

Anna Saier, eine von einer ganzen Reihe verlorener Talente ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion
Anna Saier, eine von einer ganzen Reihe verlorener Talente ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

er man einiges Potenzial attestierte und die von der Persönlichkeit her künftig wohl auch ein Gewinn für die Szene gewesen wäre.

„Es ist natürlich schade, Annas Rückzug ist ein großer Verlust. Wir haben ja eh nicht so die riesige Breite an international konkurrenzfähigen Nachwuchs-Fahrerinnen. Und wenn jemand aufhört, der schon als jüngerer Jahrgang Top-Ten fahren konnte, ist das schade“, kommentiert Junioren-Bundestrainer Marc Schäfer.

Er betont, dass Anna Saier ihn während ihrer Zwangspause nach dem Mittelhand-Bruch immer „vorbildlich“ auf dem Laufenden gehalten und immer einen motivierten Eindruck gemacht habe. „Aber nachdem die Entzündung wieder zurückkam ist, ist sie ins Nachdenken gekommen. Letztlich ist es bedauerlich, aber auch nachvollziehbar“, meint Schäfer.

Auch Lexware-Teamchef Daniel Berhe findet es natürlich schade. „Ich habe sie ermutigt, sich vielleicht im Heimatverein als Trainerin zu engagieren und bin gespannt, was sie macht. Auf jeden Fall verlieren wir eine klasse Athletin“, erklärt Berhe.

Die Liste der verlorenen Talente

Mit dem Rückzug von Anna Saier aus dem Leistungssport setzt sich der Verlust von weiblichen Talenten im deutschen Cross-Country-Sport fort. Nur um mal ein paar Namen aus den vergangenen zehn bis zwölf Jahren zu nennen: Almut Grieb als Junioren-WM-Dritte 2003, Gudrun Stark als EM-Fünfte und WM-Achte. Beide wurden mit dem Leistungssport-Betrieb nie besonders warm.

Junioren-Europameisterin Mona Eiberweiser hat mit Rückenproblemen aufgehört, die zweifache Junioren-EM-Dritte Johanna Techt nach einem Bruch der Wirbelsäule (beim Rodeln). Davor schon verabschiedete sich Ines Thoma (inzwischen im Enduro erfolgreich), ebenfalls eine EM-Bronze-Medaillengewinnerin bei den Juniorinnen.

Die Junioren-WM-Dritte von 2013, Sarah Bauer, machte voriges Jahr Schluss und führte für den Abschied ähnliche Gründe an wie Anna Saier. Auch Anna-Lena Nicolai hat ihren Abschied auch verkündet, 2015 als jüngerer Jahrgang dem Nationalkader angehörte.

Auch in anderen Nationen geht das eine oder andere Talent verloren. In Frankreich zum Beispiel eine Julie Krasniak oder in der Schweiz eine Sonja Traxel. Sarah Koba oder Michelle Hediger, doch in der Menge ist das schon in Deutschland schon eine Serie, die große Lücken in die Leistungssport-Landschaft reißt. So sehr jede einzelne Entscheidung nachzuvollziehen ist.

„Es wiederholt sich leider, auch wenn es unterschiedliche Gründe gibt und es schwer zu analysieren ist“, meint Marc Schäfer. „Wir haben uns jüngst bei der Trainer-Sitzung darüber unterhalten, ob man mal mit wissenschaftlicher Begleitung die Drop-Outs analysieren sollte. Aber das ist natürlich eine längerfristige Sache“, so der Bundestrainer.

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