Anne Tauber: Von schmalen Kufen zu breiten Reifen

Eine Krankheits-Pause macht sie zur Mountainbikerin

Es hat bei Anne Tauber gerade mal viereinhalb Jahre gedauert vom ersten Mountainbike-Rennen bis zum Podest beim Cross-Country-Weltcup in Stellenbosch. Wie die Newcomerin von den schmalen Kufen zu den breiten Reifen kam und warum sie eigentlich schon immer für das Mountainbiken trainiert hat.    

 

„Manchmal denke ich selbst, ich muss aus diesem Traum doch mal aufwachen.“ Anne Tauber konnte es gar nicht glauben, dass sie am 10. März in Stellenbosch neben den beiden Ex-Weltmeisterinnen Annika Langad und Pauline Ferrand Prevot auf dem Podest gestanden hat. Und zweieinhalb Monate später wiederholte sie in Albstadt den dritten Platz hinter Jolanda Neff und Yana Belomoina.

Vor vier Jahren kannte sie in der Mountainbike-Szene schlicht niemand. Auch nicht in der Heimat Niederlande. War auch nicht möglich, denn die Mountainbikerin Anne Tauber gab es nicht. Sie war Eisschnellläuferin. Was im Nachbarland nichts Ungewöhnliches ist, denn das ist dort Nationalsport.

Anne Tauber ist ein Talent, besonders auf langen Strecken. Im Oval der Eisbahnen geht es bei den Frauen in den olympischen Disziplinen bis maximal 5000 Meter. Rund sieben Minuten. „Ich habe bemerkt, das ist ein wenig zu kurz für mich“, sagt Anne Tauber. Deshalb widmete sie ihre Aufmerksamkeit dem wirklichen Langstrecken-Laufen, „Elfstedentocht“, wie die Niederländer das nennen.

Doch 2013 wurde die 18-Jährige auf Eis gelegt, im sprichwörtlichen Sinne. Sie laborierte am Pfeifferschen Drüsenfieber. Und jenem Eppstein-Barr-Virus hat sie es im Grunde zu verdanken, dass sie jetzt Mountainbike-Profi ist.

Als Eisschnellläuferin trainiert man ohnehin manches auf dem Fahrrad und weil sie im Gelände mehr Spaß hatte als auf der Straße, begann sie im Sommer ihre Fitness auf dem Bike aufzubauen. „Ich habe nach meinem eigenen Weg gesucht, um wieder fit zu werden. Ich habe mich entschieden im Sommer zu biken und im Winter Marathon-Eisschnelllauf zu machen“, schildert sie den Umstand, der den Weg zum ersten Mountainbike-Rennen ebnete.

„Alles ging schief, aber es hat Spaß gemacht“

Am 08. September 2013 bestritt sie in Zoetermeer erstes Cross-Country-Rennen. Anne Tauber lacht heute darüber. „Ich wollte einfach zum Spaß mal mitfahren und hatte keine Ahnung. Ich habe gar nicht nach den anderen geschaut, aber ich hatte einen 26er-und Alu-Rahmen und die anderen alle einen 29er-Karbon. Dann ist mir noch die Gabel kaputt gegangen. Alles ist schief gegangen, aber es hat so viel Spaß gemacht.“ Ihr Vater meinte dann, man sollte über ein neues Mountainbike nachdenken, aber sie fand: „Warum? Es war doch alles gut“. Sie bekam ein Neues und dann ging alles schnell. Ziemlich schnell.

Im Winter lief sie auf dem Eis Langstrecke, im Sommer 2014 bestritt sei einige Mountainbike-Rennen, wurde unter anderem Sechste bei den Niederländischen Meisterschaften. Der MTB-Nationaltrainer wurde auf sie aufmerksam, 2016 unterschrieb sei beim Habitat MTB Team und für die Saison 2018 wechselte sie zu CST Sandd American Eagle, wo auch Weltcup-Gesamtsiegerin Yana Belomoina unter Vertrag steht. Im März stand sie erstmals auf dem Weltcup-Podest und im Mai in Albstadt gleich noch mal.

In Nove Mesto erst mal geschockt

Zurückgespult nach 2015. Da tauchte sie erstmals im U23-Weltcup auf. Dreimal war sie 19. und einmal 24. Fahrtechnisch war sie da noch nicht auf der Höhe. „Als ich 2015 nach Nove Mesto kam, war ich erst mal

Anne Tauber_EliteWomen_WC18_Stellenbosch_by Goller
Anne Tauber ©Erhard Goller

geschockt von der Strecke“, bekennt sie.

Aber Anne Tauber ist eine gradlinige und zielstrebige Person. Eine, die sich Herausforderungen stellt. Und weil ihr inzwischen bewusst geworden war, dass Cross-Country ihr Sport sein würde, begann sie an diesen Fähigkeiten zu arbeiten. Wie sie das tat, zeigt aus welchem Holz sie geschnitzt ist.

Mit dem Hardtail auf der Downhill-Strecke

Im Höhentraining in Andorra fuhr sie die Downhill-Weltcupstrecke ab – mit dem Hardtail. „Mein Plus ist, dass ich keine Angst habe und Fehler schnell korrigieren kann“, sagt Anne Tauber über sich.

Das ist wohl die eine Hälfte der Erklärung, warum sie auch fahrtechnisch so schnell zur Weltspitze aufschließen konnte. Genauso geholfen hat, was sie als Kind gemacht hat. „Ich war in einer Zirkus-Akrobatik-Gruppe“, erzählt Tauber. Einrad-Fahren, Seiltanzen und solche Sachen, die schulen das für Mountainbiker so wichtige Balance-Gefühl und die Koordination.

Gepaart mit dem Ausdauer-Training für das Eisschnelllaufen, wo ebenfalls Kraft und Athletik eine große Rolle spielen, hat Anne Tauber im Grunde schon immer für das Mountainbiken trainiert. Nur eben nicht im Sattel.

In Niederlande populär – als Eisschnelläuferin

Das Eisschnelllaufen hat sie auch nicht aufgegeben. Im Januar gewann die Friesin im österreichischen Weissensee das 200-Kilometer-Rennen. In sechseinhalb Stunden. Das erregte in den Niederlanden Aufsehen. Im Gegensatz zu ihrem dritten Platz beim Weltcup-Auftakt in Stellenbosch. Der wurde im Nachbarland medientechnisch kaum registriert. „Eisschnelllauf ist in den Niederlanden alles. Vielleicht hilft die Aufmerksamkeit ja, auch Mountainbiken populärer zu machen“, hofft Anne Tauber.

Für die 23-Jährige, die ihr Design-Studium zugunsten des MTB-Sports unterbrochen hat, fühlt sich nicht nur im Sattel wohl bei den Mountainbikern. „Ich freue mich immer auf die Weltcups. Das ist eine echte Familie, man freut sich aufeinander. Im Rennen sind wir Gegner, aber davor und danach ist man zusammen und hat Spaß“, hebt sie die menschliche Seite hervor.

Mittelfristig sind die Olympischen Spiele in Tokio das Ziel, natürlich. „Klar, alle wollen das. Aber man weiß nie, was passiert. Es ist wichtig zu arbeiten, zu versuchen Schritt für Schritt zu gehen und es gibt so viele schöne Rennen. Ich trainiere nicht vier Jahre lang nur für ein Rennen“, versucht sie die Bedeutung einzuordnen.

Der Text ist in einer kürzeren Fassung zum ersten Mal in einer Beilage des Zollernalb-Kurier beim Weltcup in Albstadt erschienen.

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