Neue Schweizermeister Marathon: Fanger und Häberlin

Schwerer Sturz von Casey South (Fischer-BMC) überschattet den Nationalpark-Marathon
Schweizermeister Steffi Häberlin und Martin Fanger.   © Martin Platter / velomedia.ch
Schweizermeister Steffi Häberlin und Martin Fanger.
© Martin Platter / velomedia.ch

Neue Gesichter strahlten am Samstagnachmittag vom Podium in Scuol, Start und Ziel des Nationalpark-Marathons. Doch während der jungen Siegerin Steffi Häberlin (Thömus RN, 23 Jahre) von ihren Konkurrentinnen Anerkennung gezollt wurde, musste sich Martin Fanger (Papival Scott BCVS GrandRaid, 32 Jahre) ob seiner riskanten Fahrweise harsche Kritik anhören, besonders von den anderen beiden Medaillengewinnern, Urs Huber (Silber, Team Bulls) und Lukas Flückiger (Bronze, Infinity). Gemeinsam mit Casey South (Fischer-BMC) waren die drei nach einer langen Schlussabfahrt gemeinsam auf die 400 Meter lange Zielgerade in Scuol gekommen. Das Quartett hatte sich erst kurz zuvor aus einer 10-12-köpfigen Spitzengruppe lösen können, die über die 108 km durch das Engadin meist konstant zusammengeblieben war. Fluchtversuche wurden immer wieder schnell gestellt.

Lediglich der Belgier Frans Claes (Square Group) hatte es einmal kurzzeitig geschafft, sich in einer der langen Flachpassagen „davonzuschleichen“, wie es Flückiger im Ziel ausdrückte: „Ich wollte aber nicht nur Schweizermeister werden, ich wollte auch das Rennen gewinnen“, gab der mittlerweile 36-jährige Routinier im Ziel zu Protokoll, warum er den Belgier, der ja keine Gefahr für ihn darstellte, nicht einfach ziehen ließ. Gemeinsam mit Urs Huber organisierte er die Verfolgung, nur South und Fanger konnten folgen.

Fanger, der bis dato kaum Führungsarbeit geleistet hatte, klemmte sich nun das Messer zwischen die Zähne und „fuhr voll auf Angriff“. In der letzten Kiesabfahrt schlossen South und Fanger wieder zu den beiden alten Hasen auf. „Es hat schon in Ftan [wenige Kilometer vor dem Ziel und vor der letzten Abfahrt, Anm.d.Red.] begonnen. Martin hat sich rücksichtslos an den Mitstreitern vorbeigedrängt und mich in einer Kurve so geschnitten, sodass ich bremsen musste, um einen Sturz zu verhindern“, berichtete Flückiger sichtlich aufgewühlt. In der Abfahrt habe dann wieder Fanger in einer Kurve zu viel riskiert. „Wenn ich nicht gebremst hätte, wären wir alle gestürzt“, so Flückiger. Das Manöver kostete Flückiger den Anschluss ans Spitzentrio: „Ich habe zuhause zwei Kinder und eine Frau. Ich wäre gerne Schweizermeister geworden, gerade in meinem Alter, aber das war es mir nicht wert.“

Siegerehrung Männer Glücklich sieht anders aus. © Martin Platter / velomedia.ch
Siegerehrung Männer
Glücklich sieht anders aus.
© Martin Platter / velomedia.ch

So waren es dann South, Huber und Fanger, die nach vier Stunden zusammen auf die Zielgerade einbogen, eine Zielgerade mit einer leichten Linkskurve. Fanger zog den Sprint in der Straßenmitte an und steuerte dann kerzengerade auf das Ziel zu. Der Platz für South (ganz außen) und Huber (in der Mitte) wurde immer enger. Am Ende wurde es zu eng für South: in hohem Bogen und mit über 40 km/h flog er nur wenige Meter vor dem Ziel auf den Asphalt, nachdem er mit dem Rad an einem der Füße der Absperrung hängengeblieben war.

Fanger überquerte als erster die Ziellinie, Huber nur wenige Zentimeter dahinter. Flückiger, der sich aus dem Sprint weitgehend herausgehalten hatte wurde Dritter, während South bewusstlos am Boden lag. Im Krankenhaus wurde später ein Bruch des Schulterblatts, eine Absprengung in der Schulter und eine schwere Gehirnerschütterung diagnostiziert. Die Schweizer Rennkommissäre konnten kein Fehlverhalten von Fanger erkennen, der selbst sagte: „Es war ein Sprint wie bei einem Straßenrennen. Ich bin geradeaus gefahren, wie es sich gehört und musste es auf einen Sprint ankommen lassen, da dies meinen Fähigkeiten entspricht.“ Bereits eine Woche zuvor hatte der Schweizermeister im Eliminator Sprint 2014 die O-Tour in der Zentralschweiz ebenfalls im Sprint gewonnen.

Siegerehrung der Frauen © Martin Platter / velomedia.ch
Siegerehrung der Frauen
© Martin Platter / velomedia.ch

Deutlich entspannter ging es bei den Frauen zu. Beinahe zu entspannt, nach Meinung der frischgebackenen Schweizermeisterin Steffi Häberlin. „Am Anfang ging es richtig langsam los“, berichtete sie über die ersten Kilometer. Es war dann aber Irina Lützelschwab, eine ehemalige Weltklasse-Schwimmerin und mit ihren 25 Jahren ebenfalls ein neues Gesicht in der Bikeszene, die eine erste Attacke wagte. „Doch ich wusste, dass ich meine Stärke im langen Anstieg habe“, zeigte Häberlin ihr starkes Selbstvertrauen und blieb ruhig. Der lange Anstieg, den sie meinte, war kurz vor Rennhälfte. Erste kassierte sie zusammen mit Titelverteidigerin Ariane Lüthi die Ausreißerin, danach ließ sie auch Lüthi hinter sich und fuhr den Rest des Rennens alleine an der Spitze. „Klar wünscht man sich, aufs Podium zu kommen, aber ich habe nie geglaubt, dass ich das in meinem ersten Jahr auf dem Mountainbike schon schaffe.“ Nach 4:47:53 Stunden überquerte sie ohne Komplikationen als Erste und neue Schweizermeisterin die Ziellinie in Scuol. Dabei hatte Häberlin, Nachbarin ihres Entdeckers und Teamchefs Ralph Näf, schon beim Engadin Bike Giro ihr Talent aufblitzen lassen: auf der ersten Etappe hatte sie überraschend den dritten Platz belegt, gesamt belegte sie damals den sechsten Platz, weniger als eine Minute hinter Ariane Lüthi.

Die zweitplatzierte Lüthi, die das Ziel in Scoul drei Minuten hinter der neuen Titelgewinnerin erreichte, fand lobende Worte für ihre junge Titel-Nachfolgerin: „Du scheinst ein Wahnsinnstalent zu sein.“, notierte der Schweizer Journalist Martin Platter. Bronzemedaillen-Gewinnerin Irina Lützelschwab, die im Vorjahr SM-Vierte an der O-Tour geworden war, ist den Titelkampf über weite Strecke zusammen mit Lüthi gefahren. Lützelschwab erklärte: „Dank Lüthi bin ich gut über die Distanz gekommen. Nach dem Bergpreis konnte ich allerdings nicht mehr zusetzen.“

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