Am Wochenende: Nationale Meisterschaften Marathon
Schon am Samstag ab 7:15 Uhr werden im schweizerischen Engadin und am Sonntag beim Odenwald Bike Marathon in Deutschland die Marathon-Meister gesucht
Müßig zu erwähnen, dass 2020 alles anders ist wegen Corona. Viele Veranstaltungen mussten verschoben werden, und gerade die Meisterschaften traf es hart: kaum eine Meisterschaft, die an ihrem ursprünglich vorgesehenen Ort ausgetragen wird. So denn auch die Schweizer und deutschen Marathonmeisterschaften, die nun beide an diesem Wochenende bei bestem Herbstwetter und strengen Corona-Vorschriften über die Bühne gehen werden.
Schweiz: Nationalpark-Marathon
Die Schweizer treffen sich nicht, wie ursprünglich für Ende Juni vorgesehen beim BerGiBike-Marathon im Kanton Fribourg, sondern im Engadin in Scuol, wo es dann auf einer neuen, sogenannten Alternativstrecke den Inn hinauf nach Zuoz und wieder zurück nach Scuol führt. Die Gesamtlänge der Meisterschaftsstrecke im Rahmen des Nationalpark-Marathons ist 108 km lang, 2.777 Höhenmeter gilt es dabei zu erklimmen. Ein Großteil der Strecke verlässt dabei kaum die Talsohle, vielmehr geht es immer wieder hinunter zum Inn und an den Talhängen ein Stück zu den alten Engadiner Dörfern hinauf. Lediglich zur Streckenmitte, kurz vor dem Wendepunkt in Zuoz geht es fast bis zur Alp Griatschouls auf 2.111 hinauf. Komplett ausgelassen wird in diesem Jahr die Schleife nach Italien, sonst fester Bestandteil des länderübergreifenden Nationalpark-Marathons: „Da […] die Situation in Italien nicht klar ist, mussten wir uns, auch um eine gewisse Planungssicherheit zu haben, für die Option Alternativstrecke im Engadin entscheiden. Das ist schade, denn so können wir nicht in die Val Müstair, durch die Val Mora, nach Livigno und über den Chaschauna-Pass fahren. Aber im OK waren wir der Meinung, dass es wichtiger sei, überhaupt einen Anlass durchzuführen, statt ganz abzusagen. Uns bleibt nur die Hoffnung, dass nächstes Jahr (zum 20-jährigen Jubiläum) alles wieder gut ist und wir den Nationalpark Bike-Marathon wieder auf der Originalstrecke austragen dürfen“, schreibt OK-Präsident Claudio Duschletta im Grusswort des Programmheftes.
Titelverteidigerin: Arian Lüthi
Titelverteidigerin Ariane Lüthi Andermatt-Spur tritt in Scuol gegen 17 Konkurrentinnen an, darunter auch Altmeisterin Esther Süss (Bikerich) und die junge Steffi Häberlin (Thömus RN), die zu Beginn der Nach-Corona-Saison beim Engadin Bike Giro, also nur ein paar wenige Kilometer weiter das Inntal hinauf, auf sich aufmerksam gemacht hatte.
Sechster Titel für Urs Huber?
Die Konkurrenz bei den Männern ist zahlenmäßig ungleich größer: 42 Fahrer stehen auf der Startliste. Der fünffache Schweizermeister Urs Huber (Team Bulls) muss seinen Titel vor allem gegen den ewigen Zweiten, seinen eigenen Teamkollegen Hansueli Stauffer verteidigen. Aber auch eine ganze Reihe etatmäßiger Mountainbiker steht auf der Startliste des Nationalpark-Marathons. Und da die einerseits schon einige Rennen in den Beinen haben und andererseits dem Saisonhöhepunkt, den Weltcups, Welt- und Europameisterschaften in den kommenden Wochenenden entgegenstreben und daher „fit wie ein Turnschuh“ sein dürften, könnten auf dem Kurs, bei dem es nur drei nicht allzu lange Ansteige mit bis zu 500 Höhenmetern am Stück gibt, diese durchaus für eine Überraschung bei den etablierten Marathonisti sorgen, allen voran Lukas Flückiger (Infiniti), Andri Frischknecht (Scott-SRAM) oder Matthias Stirnemann (Möbel Märki). Gespannt sein darf man auf Simon Vitzthum (jb Brunex Felt), der ein starkes Frühjahr gefahren ist, im Sommer auf den Cross-Country-Kursen ein wenig schwächelte.
Der Sieg bei den Männern beim Nationalpark-Marathon auf der Langstrecke könnte aber auch ins Ausland gehen: immerhin steht mit den beiden Österreichern Alban Lakata (Team Bulls) und Daniel Geismayr (Centurion-Vaude) starke Konkurrenz an der Startlinie.
Deutschland: Odenwald Bike Marathon
Während es in der Schweiz also nur eine Runde im Inntal gibt, müssen sich die deutschen Sportler am Sonntag über derer drei durch den Odenwald quälen, rund um den Kanzelberg und hinauf zur Hohen Waid. Da eine Runde vom Startort in Leutershausen an der Bergstraße am Rande des Rheintals und am Fuße des Odenwalds nördlich von Heidelberg 25 Kilometer Länge und knapp 750 Kilometer Länge aufweist, werden die Athleten insgesamt auf 75 Kilometer und 2.250 Höhenmeter zurücklegen.
Viele Kandidaten fürs Podium
Dabei dürfte es sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen einen harten Kampf geben. Als Titelverteidiger gehen Sascha Weber (Maloja Rocky Mountain) und Janine Schneider (German Technology Racing) um 10:00 Uhr in Leutershausen ins Rennen. Doch die üblichen Kandidaten werden ihnen auf den Fersen sein, allen voran die gesammelte deutsche Fraktion des Teams Bulls: Karl Platt, Simon Schneller, Simon Stiebjahn und Martin Frey. Als Einzelkämpfer werden wohl Andreas Seewald (Rocklube) und Markus Kaufmann (Texpa-Simplon) dagegen halten. Seewald hat am vergangenen Wochenende die Mountainbike-Wertung des Dolomiten Man haushoch gewonnen und beweisen, dass er derzeit in ausgezeichneter Form ist. Schneller, Stiebjahn und Frey zeigten beim Swiss Epic ihre Leistungsfähigkeit.
Haben Cross-Country-Fahrer eine Chance?
Doch auf dem kupierten Gelände am westlichen Rand des Odenwalds dürften auch die Cross-Country-Fahrer ein ernstes Wort mitreden können: so steht das Lexware-Team mit dem Deutschen XCO-Meister Max Brandl, Georg Egger und Luca Schwarzbauer bestens aufgestellt auf am Start. Auch die Jungs vom German Technology Team werden wohl weit vorne zu finden sein.
Ben Zwiehoff: Vermutlich letztes MTB-Rennen in Deutschland
Vielleicht krönt auch Ben Zwiehoff (Centurion-Vaude) seine Mountainbike-Karriere noch mit einer Marathon-Medaille oder gar dem Meistertrikot. Zwiehoff hatte vor zwei Wochen bekannt gegeben, im nächsten Jahr auf die Straße zu wechseln. Nach Informationen von acrossthecountry.net wird er daher schon nicht mehr zu anstehenden Höhepunkten des Cross-Country-Jahres, also den Weltcups in Nove Mesto na Morave, der Weltmeisterschaft in Leogang, der Europameisterschaft am Monte Tamaro und der Deutschen Meisterschaft in Obergessertshausen antreten. Lediglich die Marathon-Weltmeisterschaft in der Türkei am gleichen Wochenende wie Obergessertshausen will Zwiehoff noch bestreiten, so diese denn tatsächlich noch wie geplant stattfinden wird.
Brandau: Favoritin bei den Frauen?
Bei den Frauen wird der Weg wohl über die Schönaicherin Elisabeth Brandau (Radon-EBE) führen. Vor einer Woche zeigte sie sich beim Auftakt zur EKZ Cross Tour im schweizerischen Baden in bester Verfassung und ließ die Konkurrenz deutlich hinter sich: „Ich sehe das hier als gutes Zeichen“, sagte Brandau auf der Baldegg nach dem Rennen: „Ich wollte hier was Kürzeres machen, ehe nächste Woche die Deutsche Meisterschaft im Marathon stattfindet. Da nehme ich mir auf jeden Fall das Podium vor“, so die Deutsche Marathon-Meistern von 2008, 2011 und 2012. Mit einem Sieg in Leutershausen könnte sie neben Cross-Country und Cyclo Cross dann in drei Disziplinen gleichzeitig das Trikot der Deutschen Meisterin tragen. Als größte Konkurrentin verweist Brandau auf Nadine Rieder (Rotwild), die in diesem Jahr ebenfalls eine starke Leistung zeigt. „Auch mit Stefanie Dohrn wird es in diesem Jahr spannend“, prognostiziert Brandau. „Kim [Ames] und Nina [Benz] könnten auch vorne mitspielen, wenn der Kurs technisch ist. Aber ich kenne den Kurs noch nicht“, sagte Brandau vor einer Woche.
Oder doch Nadine Rieder?
Nadine Rieder bereitet sich derzeit wie viele andere auch komplett auf die anstehenden Cross-Country-Aufgaben vor: „Ich hatte in der letzten Zeit keine langen Einheiten“, gestand die Allgäuerin. „Das längste waren mal drei Stunden – das wird am Sonntag wohl ein bisschen länger.“ Allerdings zeigt sich Rieder durchaus selbstsicher: „Marathon klappt bei mir!“ Deswegen sei sie auch total entspannt, um eine Medaille will sie aber schon mitfahren: „Bei einer Meisterschaft geht es doch genau darum, oder?“ fragte sie spitzbübisch. Ursprünglich hatte die ehemalige Deutsche Meisterin im Sprint vor, die Deutsche Meisterschaft Berg auf der Straße zu fahren, die ebenfalls an diesem Wochenende stattfindet. „Ich wollte vor Nove Mesto unbedingt noch ein Rennen fahren. Als dann vor ein paar Wochen bekannt gegeben wurde, dass jetzt aber doch eine offizielle Deutsche Marathon-Meisterschaft ausgetragen wird, habe ich dort gemeldet. Mountainbiken ist mir dann doch lieber.“
Was sagt die Titelverteidigerin Janine Schneider?
Weniger optimistisch über ihre Chancen zeigt sich Titelverteidiger in Janine Schneider vom German Technology Racing Team. Die Wahlschweizerin ist seit ihrem Sieg beim Snowbike Marathon in Gstaad im Januar kein Rennen mehr gefahren – aus Rücksicht auf ihre Patienten, wie sie sagt: „Ich will Corona nicht bei meinen Patienten einschleppen, deswegen suche ich mir die Rennen, wo ich fahre, sehr genau aus.“ So gab die noch amtierende Deutsche Meisterin der Schwedischen Meisterin Jennie Stenerhag eine Absage, als diese wegen eines gemeinsamen Einsatzes beim Swiss Epic anfragte. „Ich finde es nicht schlecht, dass es Rennen gibt“, sagte Schneider gegenüber acrossthecountry.net, „aber ich für mich habe entschieden, nur wenige, ausgewählte Rennen zu fahren. Aber auf diese Rennen freue ich mich dann aber auch! Aber ich würde mogeln, wenn ich sagen würde, ich wäre in der Position, dass ich gewinnen könnte.“
Vegesst Adelheid Morath nicht!
Last but not least muss man sicher auch noch die Freiburgerin Adelheid Morath (KS Trek) zum Kreis der Favoriten rechnen. Auch ihr dürfte der Kurs im Odenwald liegen.
Österreich: Salzkammergut Trophy – aber erst in vier Wochen!
Die Österreicher müssen sich derweil noch ein wenig bis zu ihren Staatsmeisterschaften auf der Langstrecke gedulden, bekommen dafür aber ein besonderes Schmankerl serviert: in vier Wochen, am 18. Oktober 2020 werden die ursprünglich Ende Mai in Kleinzell geplant gewesenen Titelkämpfe in Bad Goisern, der Heimat der legendären Salzkammergut Trophy, ausgetragen.
Informationen zu den nationalen MTB-Marathon Meisterschaften findet Ihr hier:
Deutschland: Odenwald Bike Marathon
Schweiz: Nationalpark Marathon
Österreich: Salzkammergut Trophy