Tokyo2020: Die Favoritinnen (und andere) bei den Frauen

Wenn dieser Artikel online geht, dann schlafen die Mountainbikerinnen in Tokio längst. Und selbst hier n Deutschland sind es nur noch zwölf Stunden bis zum Start des zweiten großen Mountainbike-Rennens der Olympischen Spiele von Tokyo2020. Allerhöchste Zeit also, einen Blick auf die Favoritinnen, die Deutschen, die Schweizerinnen und die Österreicherin zu werfen.
Loana Lecomte, bei ihrem Sieg in Nove Mesto 2021 © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
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Im ersten Halbjahr 2021 gibt es eine deutliche Dominatorin bei den Frauen: die erst 22-jährige Französin Loana Lecomte. Von den sechs Weltcups in den vergangenen zwölf Monaten hat sie fünf gewonnen, die letzten vier davon in Folge. Mit beeindruckenden Leistungen führt sie die Rennen an, führt mit der höchstmöglichen Punktezahl den Weltcup an und ist Weltranglisten-Erste. Von der Papierform her hat sie fast schon gewonnen. Wenn sie gewinnen würde, würde sie Tom Pidcock den Ruhm, jüngster Mountainbike-Olympiasieger (m/w) zu sein, nach einem Tag schon wieder abnehmen, schließlich ist Lecomte neun Tage jünger als Pidcock. Aber kann Lecomte die Papierform auch auf der Olympiastrecke umsetzen? Wer könnte ihr gefährlich werden?

Weltmeisterin Pauline Ferrand-Prevot © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
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Da ist zunächst einmal ihre eigene Landsfrau Pauline Ferrand-Prevot. Die Lebensgefährtin von Doppel-Olympiasieger Julien Absalon weiß durchaus auch, wie man wichtige Rennen gewinnt. Schließlich ist sie die amtierende Weltmeisterin in der Elite-Klasse (das aber vielleicht auch nur, weil Lecomte im vergangenen Jahr noch in der U23-Klasse angetreten ist). Ihr Siegesliste 2021 ist nicht ganz so lupenrein wie die von Lecomte, aber auch sie stand bei den vergangenen sechs Weltcups immer auf dem Fünfer-Treppchen. Für die 29-Jährige sind es bereits die dritten Olympischen Spiele, doch diesmal tritt sie nur auf dem Mountainbike an, in London und Rio war sie auch auf der Straße unterwegs. Hilft ihr die Konzentration auf ein Rennen zum Erfolg?

Danach wird es richtig schwer mit Prognosen. Es gibt eine ganze Handvoll Kandidatinnen, die an einem guten Tag aufs Podium steigen können: Anne Terpstra (NED), Evie Richards (GBR), Kate Courtney (USA) und natürlich Rio-Siegerin Jenny Rissveds (SWE). Aber auch die Schweizerinnen Sina Frei und Jolanda Neff oder die Österreicherin Laura Stigger könnten es schaffen. Für die Deutschen Elisabeth Brandau und Ronja Eibl wären wohl eher Top10-Ergebnisse schon ein Erfolgserlebnis.

Ronja Eibl © Lynn Sigel / EGO-Promotion
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Dabei kommt vor allem Ronja Eibl aus Grosselfingen nach eigener Aussage „gut mit der Strecke zurecht.“ Sie mache es Spaß und fühle sich entspannt an, sagte sie in einer Audiobotschaft an acrossthecountry.net. Laut ihrem Trainer würden die Werte, die im letzten Jahr aus dem Gleichgewicht geraten waren, nun wieder stimmen: „Man hat auch in Les Gets gesehen, dass es wieder aufwärts geht.“ Auch, dass sie beim Testevent vor knapp zwei Jahren auf der Strecke als Fünfte so gut abgeschnitten hat, stimme sie positiv, sagte Eibl. Am Renntag will sie ihr normales Programm durchziehen: morgens etwas auf die Rolle, zum Frühstück Pfannkuchen aus dem Waffeleisen und dann vor dem Rennen das normale Aufwärmprogramm „so wie ich es immer die letzten Jahre gemacht habe.“ Ohnehin versuche sie nicht zu sehr an das Rennen zu denken: „Diese absolute Fokussierung auf ein Rennen hat bei mir öfters bei Europa- und Weltmeisterschaften schon nicht funktioniert“, bekennt die 21-Jährige. „Aber die technische, steile und staubige Strecke sollte mir eigentlich liegen“, zeigt sich Eibl zuversichtlich.

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Für Elisabeth Brandau, die zweite deutsche Olympiateilnehmerin, trifft das eher weniger zu, auch wenn sie extra für Olympia etwas abgenommen habe: sie kann ihre Kraft nicht ausspielen, „weil man mit einem schönen Flow und der richtigen Geschwindigkeit viel Kraft sparen“ könne. „Aber ich bin besser vorbereitet als bei der Europa- und Weltmeisterschaft.“ Zwei Jahre habe sie jetzt auf dieses Ziel hingearbeitet, insbesondere, seit sie die Strecke beim Testevent kennengelernt habe. „Wichtig ist, einen kühlen Kopf zu bewahren“, sagt die 35-Jährige aus Schönaich – und meint das durchaus wörtlich. „Abkühlung, viel Wasser trinken, Klimaanlage“, das sind die Stichworte: „Aber letztlich sind die Probleme für alle gleich.“ Eine Taktik fürs Rennen habe sie sich aber nicht zurechtgelegt: „bei mir geht’s eher ums Überleben!“

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Ganz andere Ziele hat da die Österreicherin Laura Stigger. Die 20-jährige Tirolerin „kann es kaum erwarten, am Start zu stehen! Mir geht’s hier richtig gut, ich fühle mich fit!“, sagte sie gegenüber acrossthecountry.net: „Die kurzen, steilen Anstiege sind genau das, was mir liegt!“, zeigt sie sich zuversichtlich. „Gewinnen wird diejenige, die das beste Gesamtpaket zu bieten hat: man muss mit der Hitze klarkommen, mit der Strecke klarkommen, und das andere Rundherum einfach ausschalten. Es muss halt auch alles zusammenpassen: das Material, die Person, die Strecke.“ Mit dem dritten Platz in Leogang hat sie beweisen, dass sie ganz weit vorne in der Weltspitze mitfahren kann.

Jolanda Neff © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
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Vor zwei Jahren hätte einen solchen Beweis von Jolanda Neff niemand gefordert. Sie gehörte zur absoluten Weltspitze. Doch dann kam ihr Horrorcrash im Dezember 2019, bei dem sie dem Tod gerade mal so von der Schippe sprang. Und als es wieder aufwärts ging, stürzte sie beim Weltcup in Leogang Mitte Juni und brach sich die Hand: „Ich war seit sechs Wochen nicht mehr im Gelände“, gestand sie acrossthecountry.net. „Aber am Freitag [beim ersten Training auf der Strecke in Izu] konnte ich alles fahren, auch alle Sprünge. Das war ein großer Erfolg für mich!“ Jetzt gehe es ihrer Hand es wieder gut. Angesprochen auf die schwüle Hitze erzählte Neff von den umfangreichen Bemühungen im Schweizer Team: „Wir haben viel investiert. Vor der Reise nach Japan waren wir noch zehn Tage in Spanien, und jetzt sind wir auch schon wieder fast zwei Wochen hier, um uns zu akklimatisieren.“ Während für Eibl, Stigger und Brandau alles rund um Olympia und der olympische Flair ohnehin komplett neu sind, hat Neff schon Vergleichsmöglichkeiten: „Hier in Izu ist es ganz anders als damals in Rio, wo wir mit allen Athleten zusammen im Olympischen Dorf waren. Hier sind ja nur die Mountainbiker, die gleichen Gesichter, die man seit Jahren kennt. Ich komme mir eher vor wie bei der Europameisterschaft in Brünn, da waren auch fast alle Sportler im gleichen Hotel untergebracht.“ Natürlich haben wir Jolanda Neff auch noch nach ihrer Taktik fürs morgige Rennen gefragt, aber die wollte sie uns einfach nicht verraten. „Ich freue mich aufs Rennen!“

Dann tun wir das auch mal und drücken allen Athletinnen die Daumen!

Das Rennen der Frauen startet morgen um 8:00 Uhr MESZ und wird in diversen Livestreams (sowohl frei als auch kostenpflichtig) übertragen.

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