Transmaurienne: Siege an Weltmeister Leonardo Paez und an Eva Lechner

In den französischen Hochalpen belegt Jakob Hartmann (German Technology Racing) als bester Deutscher den 13. Platz

Wenn wegen der Corona-Pandemie kaum Rennen stattfinden, dann findet man plötzlich auch Marathon-Weltmeister und Cyclo-Cross-Vizeweltmeister auf der Startliste eines sonst eher familiären S2-Rennens in den französischen Hochalpen. So gut wie nie war die 2020er Ausgabe der Transmaurienne besetzt.

Thomas Pidcock bei der Cross-WM in Dübendorf  / SUI 2020 © Armin M. Küstenbrück
Thomas Pidcock bei der Cross-WM in Dübendorf / SUI 2020
© Armin M. Küstenbrück

Der kolumbianische Weltmeister Leonardo Paez (Giant Polimedical) war denn dann auch von Anfang der Protagonist des Fünf-Etappen-Rennens nahe der französisch-italienischen Grenze. Bereits auf der ersten Etappe drückte der 38-Jährige dem Rennen seinen Stempel auf und konnte auf den folgenden Etappen diesen nach Belieben kontrollieren. Dabei spielte ihm in die Karten, dass sich der junge britische Vizeweltmeister im Cyclo-Cross Thomas Pidcock (Trinity) bei der Startaufstellung zur ersten Etappe mit den Rennkommissären anlegte und ihm dafür eine Geldstrafe von 200 Schweizer Franken und eine Zeitstrafe von 30 Minuten in der Gesamtwertung aufgebrummt wurden. Damit konnte Pidcock dem Kolumbianer kaum mehr gefährlich werden. Am Ende schaffte es die beiden, mit exakt derselben Zeit im Sattel die fünf Etappen zu beenden (12:51:18 Stunden). Pidcock wurde aber aufgrund der Zeitstrafe als Vierter gewertet.

Platz 2 ging an den Schweizer Vorjahressieger Lukas Flückiger (Infinity) mit einem Rückstand von 10:13 Minuten auf Paez. Der hatte von dem Geplänkel um Pidcock beim Start zur ersten Etappe nichts mitbekommen, da er mal wieder zu spät zum Start erschien und entsprechend einige Reihen weiter hinten starten musste. Da bei allen Etappen sehr schnell gestartet wurde, lernte Flückiger schnell, „dass ich besser nicht zu spät komme, um negative Effekte in der ersten Rennphase zu vermeiden.“ Schließlich sind die Etappen für Stage Races nicht sonderlich lang, weder zeitlich noch von der Distanz her, aber sie bieten kaum Chancen, sich zwischendurch mal zu erholen. „Es gibt keinen Meter, wo Du mal rollen kannst“, wusste Flückiger schon vom vergangenen Jahr, „Ich war nach einem Etappenrennen noch nie so kaputt wie hier.“ Dazu trägt natürlich auch die Höhe bei: der Start und Ziel waren auf 1.500 M.ü.d.M., oft ging es bis auf fast 3.000 hinauf.

Lukas Flückiger (Archivbild) © Armin M. Küstenbrück
Lukas Flückiger (Archivbild)
© Armin M. Küstenbrück

Doch der verpatzte Start war es nicht, der den ersten Tageserfolg von Flückiger verhinderte. Er hatte sich schnell an die Spitze gearbeitet und war alleine in Führung, als er gemeinsam mit dem Führungsmotorrad falsch abbog und so einige Minuten verlor. Später hatte er dann auch noch einen Platten, sodass er am ersten Tag zwei Minuten auf Paez und den Sprint um Platz zwei gegen Pidcock verlor. Eine Minute konnte Flückiger dem Weltmeister am nächsten Tag wieder abnehmen, am dritten Tag, einer Cross-Country-Etappe über vier Runden, passierte Flückiger die Ziellinie knapp vor dem Kolumbianer. „Am vierten Tag ging es mir dann richtig schlecht“, berichtete Flückiger gegenüber acrossthecountry.net. Fast acht Minuten verlor er auf das Führungsduo Paez/Pidcock, dessen Zielsprint der Brite knapp für sich entscheiden konnte.

Eingangs der fünften und damit letzten Etappe führte Paez mit fast drei Minuten vor Pidcock und fast neun Minuten vor Flückiger. Pidcock zeigte am letzten Tag ein beherztes Rennen konnte seinen Rückstand auf die Sekunde genau egalisieren und gewann die letzte Etappe mit 2:43 min Vorsprung vor Paez, Dritter wurde erneut Flückiger, der sich damit den zweiten Platz in der Gesamtwertung sicherte, Dritter in der Gesamtwertung wurde der Italiener Tony Longo (Soudal Leecougan), der es nur bei der vierten Etappe als Tagesdritter aufs Podium geschafft hatte und mehr durch konstante Leistung glänzte.

„Dieses Jahr bin ich viel fitter als letztes Jahr, als ich hier gewonnen habe“, konstatierte Flückiger nach dem Rennen. „Aber das Niveau war einfach viel höher. Gegen den Marathon-Weltmeister nicht zu gewinnen, ist jetzt bei einem Marathon-Etappenrennen nicht schlimm“, zog der 36-jährige Schweizer eine positive Bilanz. Vor allem auch, weil Flückiger wichtige Punkte für die Weltrangliste im Hinblick auf den geplanten Doppel-Weltcup in Nove Mesto Ende September sammeln konnte: „Ich kämpfe darum, beim Shortrace an den Start gehen zu dürfen.“ Das dürfen die besten 40 gemeldeten Fahrer der Weltrangliste. Nach dem Rennen in Frankreich, das 70 Weltranglisten-Punkte auf sein Punktekonto spülte, dürfte Flückiger etwa auf Platz 47 liegen.

Jakob Hartmann (Archivbild) © Armin M. Küstenbrück
Jakob Hartmann (Archivbild)
© Armin M. Küstenbrück

Bester Deutscher in Frankreich war der Sieger der Corona-Challenge in Heubach, der inoffiziellen Deutschen Marathon-Meisterschaft, Jakob Hartmann vom German Technology Racing Team aus Rosenheim. „Es war ein richtiges MTB-Rennen, extrem hart, brutale Strecken und ein Test für Material und Mensch. Dazu die ungewohnte Höhe“, fasste Hartmann seine Eindrücke von seinem zweiten Auftritt bei der Transmaurienne zusammen. Bis zur vierten Etappe am Donnerstag lief alles wunschgemäß für den 25-jährigen Bayern. Die erste Etappe hatte er als 10., die zweite als 14. abgeschlossen. Beim Cross-Country-Rennen am Mittwoch wollte er sich nicht voll verausgaben: „Ich bin taktisch gefahren und wollte eigentlich Körner für den nächsten Tag sparen: es bringt nichts, wenn Du Dich bei so einem kurzen Rennen komplett ausbelastest und dann am nächsten Tag einbrichst.“ Dennoch passierte genau das am Donnerstag: schon vom Start weg hatte Hartmann Kreislaufprobleme, genauso wie sein Team-Kollege Sven Strähle, der im Vorjahr noch den zweiten Platz belegt hatte: „Ich hatte schon beim Warmfahren ein komisches Gefühl. Aber nach 1.000 Höhenmeter und 20 Kilometer, kurz vor der ersten Feedzone, hatte ich mein Rad nicht mehr Kontrolle. Ich habe mich erstmal hingesetzt.“ Aber es ging nicht mehr. Das Risiko war einfach zu groß. „Auf dieser Strecke kann das böse ausgehen. Und die Gesundheit geht vor“, stieg Strähle enttäuscht aus. Hartmann jedoch fuhr weiter. „Ich musste brutal aufpassen, in den Abfahrten ist mir immer wieder schummrig geworden.“ Über 25 Minuten verlor Hartmann an diesem Tag auf den Sieger. „Am Freitag hatte ich mich wieder gefangen“, berichtet der Master-Student. Am Ende wird er 13. Und bleibt unter 14 Stunden Fahrzeit.

Pech hatte sein Teamkollege Luis Neff: am letzten Anstieg des Cross-Country-Rennens, das Ziel fast schon in Sichtweite, krachte er mit dem Vorderrad gegen einen Baum und zerstörte dabei die Felge. Er musste ins Ziel laufen und verlor fiel Zeit, fast 17 Minuten auf den Tagessieger Thomas Pidcock. „Schon der erste Tag war hart für mich, ich musste mit Magenproblemen fahren“, berichtete Neff. „Und dann ist dieses Jahr das Niveau wirklich anders. Dieses Jahr ist es sicher kein zweitklassiges Etappenrennen wie in den vergangenen Jahren. Aber ich will mich nicht beschweren. Schließlich bin ich es auch einfach nicht gewohnt, 1.000 Höhenmeter am Stück zu überwinden: Das kann ich zuhause gar nicht trainieren. Deswegen reicht’s mir jetzt auch erstmal wieder mit den Bergen, sowohl bergauf als auch bergrunter.“ Und ergänzt nach einer kurzen Denkpause: „Es ist abartig, wie es hier bergab geht. Mit gesundem Menschenverstand würde man hier nicht fahren, auf 2.500 Meter über dem Meer und Puls am Anschlag.“ Luis Neff wird in der Endabrechnung 22. in der Gesamtzeit von 14:25:51 h, 1:34:33 h hinter dem Weltmeister.

Einen schlechten Start ins Rennen hatte Steffen Thum, der in der Vergangenheit auch schon mal das Führungstrikot der Transmaurienne getragen hatte: Bereits am ersten Tag riss ihm die Kette, doch mit einer Zeitstrafe von 4:00 Stunden durfte er das Rennen fortsetzen. Ausgerechnet am Donnerstag, an dem Strähle aussteigen musste und Hartmann fast sein Waterloo erlebte, ließ der Teamchef vom „MTB-Racingteam“ sein Können aufblitzen, ließ seinen französischen Teamkollegen Rémi Laffont, mit dem er sonst zumeist gemeinsam unterwegs war, hinter sich und preschte bis auf Rang 18 vor. In der Gesamtwertung bedeutete das natürlich nichts mehr, Thum wurde 97.

Komplett zu Ende war das Rennen von Sascha Weber (Maloja – Rocky Mountain) nach der zweiten Etappe: kurz vor dem Ziel sei er zusammen mit Leonardo Paez dem Tagessieger Lukas Flückiger hinterher gesprintet: „Ich habe mit dem Pedal auf einem Stein aufgesetzt, und dann bin ich auch schon durch die Luft geflogen“, berichtet Weber, der hart auf dem Rücken landete. Doch Weber klopfte sich zunächst den Staub von den Kleidern und jagte noch zehn Minuten lang den anderen beiden bis ins Ziel hinterher. Weber sicherte sich damit noch den dritten Platz, stieg dann aber aus dem Rennen aus: „Ich habe gleich in Freiburg angerufen, meine Ankunft angekündigt und bin dort noch am selben Abend untersucht worden.“

Eva Lechner (Archivbild 2019) © Armin M. Küstenbrück
Eva Lechner (Archivbild 2019)
© Armin M. Küstenbrück

Das Rennen der Frauen sicherte sich souverän die Südtirolerin Eva Lechner (Trinx). Dabei hatte sie das Rennen zunächst langsam angehen lassen. Denn die erste Etappe im Val Cenis über 76 km und stolze 3.200 hm war zugleich als französische Marathon-Meisterschaft ausgeschrieben. Deswegen waren einige Französinnen und Franzosen am Start, die gar nicht vorhatten, das gesamte Stage Race zu beenden. Zum Beispiel die alte und neue Meisterin Léna Gérault (VTT VCA Anjos), die zwei Tage zuvor in L’Alpe d’Huez beim Coupe de France noch Jolanda Neff geschlagen hatte. Gérault zeigte auch im Val Cenis ihre hervorragende Form und siegte in der Zeit von 4:48:56 Stunden, gut acht Minuten vor Margot Moschetti (Velcan). Um Platz drei sprinteten Lechner und Pauline Ferrand-Prevot (Canyon), die sich trotz der Niederlage im Sprint die Bronzemedaille bei den Meisterschaften sichern konnte. „Ich war noch ziemlich müde vom Samstag“, sagte Eva Lechner, die wie Gérault in L’Alpe d’Huez gestartet war: „Ich wollte vor allem den Tag überleben, deswegen bin ich es gemütlich angegangen.“ Schließlich wollte Lechner die Transmaurienne vor allem als intensive Trainingseinheit nutzen: „Mein Ziel sind natürlich die großen Cross-Country-Rennen, so sie denn stattfinden: der Doppelweltcup in Nove Mesto und die Weltmeisterschaft in Saalfelden-Leogang“, so die vielfache, wenn auch nicht aktuelle italienische Meisterin.

Die Etappen zwei bis vier konnte Lechner für sich entscheiden. Am letzten Tag musste sie aber plötzlich feststellen, dass sie zusammen mit einer Gruppe Männer nach ca. 40 Kilometern falsch abgebogen war. Und da auf der falschen Strecke sogar Markierungen angebracht war, fiel der Fehler erst einige Minuten und vor allem sieben Kilometer und einige Höhenmeter später auf. Aber das Polster aus den Vortagen war groß genug, um ihre Führung im Gesamtklassement nicht zu verlieren, der vierte Tageserfolg war aber futsch. Ihre offizielle Gesamtzeit wird mit 17:12:57 Stunden notiert, Platz 2 geht an ihre Landsfrau Costanza Fasolis (Giant polimedical, 17:35:21 h), Teamkollegin von Leonardo Paez. Dritte in der Gesamtwertung der Frauen wurde die Französin Anais Grimault (VCP Loudeac, 18:24:30 h)

Ergebnisse

 

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