Neustadt a.d.W.: Lakata und Morath siegen bei erstem großen Marathon 2020 in Deutschland

Ein dank Corona ungewöhnlicher Startmodus und große Hitze prägen die 18. Sigma Sport Challenge. Auf der Mittelstrecke siegen ein deutscher Crosser und eine niederländische Mountainbikerin, die am Vortag noch in Tschechien gewonnen hatte.

Der Marathon in Neustadt an der Weinstraße zählt zweifellos zu den schönsten in Deutschland, vor allem wegen seines hohen Singletrail-Anteils und der liebreizenden, oft mediterran anmutenden Landschaft des Pfälzer Waldes. So wird es von vielen Teilnehmern beschrieben. Mittelstrecken-Siegerin Anne Terpstra (Ghost Factory Racing) aus den Niederlanden geht noch einen Schritt weiter: „Der Sandboden war wie bei meinen Eltern zuhause. Da fühlte ich mich wohl, das kenn ich.“ Okay, auch in den Niederlanden gibt es also Sand, nicht nur an der Adria. Und auch Adelheid Morath (KS Trek) nennt als Grund für ihren ersten Auftritt in der Pfalz: „Viele schwärmen n mit seinen vielen Trails. Dieser hohe technische Anteil kommt mir als Cross-Country-Fahrerin entgegen“, sagte die Siegerin auf der Langstrecke. Auch für den ehemaligen Marathon-Weltmeister Alban Lakata (Bulls) war es das erste Mal, dass er in der Pfalz an den Start ging. Er nannte als Werber seinen ehemaligen Teamkameraden Wolfram Kurschat (Kurschat Consulting) aus Zeit, als beide noch für Topeak-Ergon unterwegs waren.

Alban Lakata (Archiv) © Armin M. Küstenbrück
Alban Lakata (Archiv)
© Armin M. Küstenbrück

Doch einiges war anders als in der Vergangenheit. Auch der Sigma-Marathon stand im Zeichen von Corona. Und das hieß in der Pfalz: kein Massenstart, sondern Start in Zehnerblöcken. Zwar sprachen die Veranstalter von der Radsportakademie in der Ausschreibung von zufällig zusammengestellten Gruppen, am Ende waren die meisten der stärksten Fahrer dann aber doch im ersten Startblock. Doch die Verfolger konnten den taktischen Vorteil nicht nutzen, die Spitzengruppe zu jagen, was auch daran lag, dass das Tempo trotz der großen Hitze von über 35 Grad konstant hochgehalten wurde, am Anfang sogar zu hoch für Alban Lakata: „Ich weiß, dass ich die Hitze nicht gut vertrage und habe alles daran gesetzt, am Anfang nicht zu überdrehen. Ich bin das Rennen verhalten angegangen und habe die anderen erstmal austoben lassen.“ Der 41-jährige Österreicher zeigte sich nach seinem eher enttäuschenden Abschneiden beim Engadin Bike Giro unsicher ob seines Leistungsstandes. „Ich wusste, dass ich im Engadin noch an meiner Abfahrtstechnik arbeiten musste, aber ich war mir nicht sicher, wie es um die Form steht. Ich hätte nicht gedacht, dass es dann doch so gut geht.“

Langdistanz: Bulls vs. Zwiehoff
In der zweiten Runde war die Spitzengruppe der Langdistanz auf vier Fahrer geschrumpft: drei Bullen (neben Lakata Simon Schneller und Martin Frei, die zum Schluss Platz 3 und 4 belegten) auch Centurion-Vaude-Fahrer Ben Zwiehoff, der im Hinblick auf das anstehende Swiss Epic sein Gewicht um beachtliche fünf Kilogramm auf nun rund 60 Kilogramm reduziert hatte, um noch größere Vorteile als Bergfahrer zu haben. „Sobald das Gelände vertikaler wurde, wurde es für die anderen nicht so angenehm“, beschrieb Zwiehoff seine Taktik, die allerdings aber anfangs der zweiten 47-Kilometer-Runde von einem Hobby-Fahrer durchkreuzt wurde. Zwiehoff stürzte und zerstörte dabei den Lockout seiner Gabel. Mit blockierter Gabel musste er der Spitzengruppe hinterherjagen: „Das hat sicher einige Körner gekostet.“ Doch planmäßig gelang es ihm an einem der letzten Anstiege die Bulls-Gruppe hinter sich zu lassen. „Vor dem letzten Berg habe ich mich umgesehen, da war von anderen nichts mehr zu sehen.“

Doch plötzlich war Alban Lakata wieder an seinem Hinterrad. „Ich bin gefahren, was das Rad noch hergegeben hat“, beschrieb Zwiehoff die gemeinsame Hatz Richtung Ziel. „An einer Stelle, die ich mir in der ersten Runde schon ausgespäht hatte, wollte ich noch überholen, aber da war es dann doch viel eng: ich musste es auf einen Zielsprint ankommen lassen.“ Doch der Ex-Weltmeister ließ nichts anbrennen. Wenige Zehntelsekunden betrug Zwiehofs Rückstand im Ziel. „Gegen Alban zu verlieren, ist keine Schande!“, zeigte sich Zwiehoff im Ziel dann trotz der knappen Niederlage zufrieden mit seiner Form.

Weil der Start in Blöcken erfolgte, konnte sich die Spitzengruppe nicht sicher sein, wirklich die Schnellsten gewesen zu sein. Jochen Käß und Vinzent Dorn(beide wie Zwiehoff von Centurion-Vaude) wären noch solche Kandidaten gewesen, die Lakatas Sieg noch gefährden hätten können. Aber da hätten sie mindestens auf Sichtweite zum Spitzenduo oder zumindest zum Verfolgerduo aufschließen müssen. Als dann Schneller und Frey im Ziel ankamen, war klar oder zumindest sehr wahrscheinlich, dass keiner mehr die Zeit von Lakata schlagen können würde. „Aber eigentlich war ich mir schon sicher, dass es reichen würde“, gestand Lakata später. „Wir haben das Tempo immer sehr hochgehalten, sind beherzt gefahren, haben nie gebummelt und immer sehr gut harmoniert. Selbst Ben hat gut mitgearbeitet, obwohl wir ja drei gegen einen waren.“

„Klar ist das Format gewöhnungsbedürftig“, konstatierte Lakata. „Aber immer noch besser als keine Rennen fahren zu können.“

Adelheid Morath (Archiv) © Armin M. Küstenbrück
Adelheid Morath (Archiv)
© Armin M. Küstenbrück

Adelheid Morath unterbricht Konzentration aufs Studium
Etwas einfacher hatte es Adelheid Morath: denn hier waren alle Favoritinnen im ersten Startblock der Frauen versammelt, sodass sie ihre Konkurrenz jederzeit im Blick hatte. Allerdings interessierte sich die Freiburgerin gar nicht so sehr für ihre Gegnerinnen: „Ich habe mich auf mein Rennen konzentriert, auf meine Belastung. Es tat gut, den Körper endlich mal wieder in die rote Zone zu bringen.“ Wie viele andere auch vermisse sie es, Rennen zu fahren. Das liege aber 2020 nicht nur an Corona, sondern auch daran, dass die ehemalige Zeitsoldatin ihr Studium zur Ernährungsberaterin abschließen will. Sie habe aber festgestellt, dass der Körper vom Studium müde sei: „Auch wenn es keine körperliche Arbeit ist, kostet es Energie. Vielleicht nur ein paar Prozent, aber auf diesem Niveau machen auch ein paar Prozent viel aus. Am Ende war es aber nicht die Kraft, sondern der körpereigene Wasserhaushalt, der Morath zu schaffen machte: „Es war extrem heiß, ich bin komplett dehydriert ins Ziel gekommen. Trotzdem hat es Spaß gemacht!“ Für den Sieg hat es dennoch locker gereicht: nach 4:24:51 Stunden Fahrzeit für 91 km und 2.040 hm betrug ihr Vorsprung 4:06 Minuten auf ihre Verfolgerin Stefanie Dorn, wie der Männer-Zweitplatzierte vom Team Centurion-Vaude. Dritte wurde Irina Lützelschwab vom VC Kaisten.

Mitteldistanz: Sieg an Querfeldeinspezialisten
Noch mehr etatmäßige Cross-Country-Spezialisten tummelten sich auf der Mitteldistanz über 45 Kilometer und 1.100 Höhenmeter. Wobei der Sieger erst seit einem Jahr das Mountainbike für sich entdeckt hat: Marco König (Wheelsports), Deutscher Juniorenmeister auf der Straße und im Querfeldein 2013. „Mountainbike-Rennen liegen mir eher als die vielen Straßenkriterien in der Pfalz“, beschreibt sich der 25-jährige Mechatroniker bei Opel selbst. „Und als Crosser bin ich auch technisch ganz gut unterwegs.“ Trotzdem sah es zunächst so aus, als wäre Noah Jung (delta-bike.de) der Protagonist des Rennens. Der hatte sich zusammen mit König und Bulls-Fahrer Niklas Schehl zunächst aus dem Zehner-Startblock gelöst, doch dann fiel Schehl mit einem platten Reifen zurück und Jung übernahm alleine die Führung, doch König verlor nie ganz den Anschluss. Doch nach 1,5 Stunden Fahrzeit musste Jung das Tempo herausnehmen. „Am vorletzten Berg hatte ich noch 15-20 Sekunden Rückstand“, beschrieb König den entscheidenden Angriff. „Doch am letzten Anstieg hinauf zur Burg habe ich dann Noah eingeholt, überholt und einfach stehen gelassen.“ Auf den letzten Kilometern vergrößerte sich der Vorsprung Königs noch auf fast 48 Sekunden.

Querfeldein-Spezialist Marco König (Archiv) © Armin M. Küstenbrück
Querfeldein-Spezialist Marco König (Archiv)
© Armin M. Küstenbrück

„Ich konnte aber trotzdem nicht jubeln, weil ich nicht wusste, ob ich wirklich gewonnen hatte: es konnte ja aus den folgenden Startgruppen immer noch einer schneller sein als ich“, sagte König nach dem Rennen. Er musste lange warten, bis er sich wirklich sicher sein konnte, dass er als Sieger feststand: „Als Straßenfahrer Marcel Fischer [im Trikot von Stop&Go Marderabwehr] aus einer der folgenden Startgruppen das Ziel erreichte, wusste ich, dass es reicht. Königs Siegzeit betrug 1:51:25 h. Der dritte Platz ging an Texpa-Simplon-Fahrer Simon Gessler (1:52:31 h). Jung zeigte sich enttäuscht über seinen zweiten Platz: „Die Attacke von Marco hat mich echt überrascht. Ich wollte gegenhalten, aber es ging nichts mehr. Ich hatte von eine Viertelstunde vorher das Tempo etwas rausnehmen müssen, deswegen konnte Marco auch aufschließen. Aber ich bin froh, endlich wieder Rennen fahren zu können.“

Terpstra: Zwei Rennen in zwei Tagen, dazwischen 500 km
Nur gut acht Minuten hinter Marco König überquerte Anne Terpstra die Ziellinie in Neustadt. Sie war ebenfalls mit der ersten Startgruppe ins Rennen gegangen und während des Rennens nur von sieben Männern überholt worden. Dabei hatte die 29-jährige Niederländerin am Vortag bereits das Rennen im tschechischen Zadov gewonnen und war über Nacht fast 500 km quer durch den Süden der Republik gedüst (am Steuer: Lebenspartner und Teammanager Thomas Wickles), um für ihren Co-Sponsor Sigma am Sonntagmorgen pünktlich um 9:00 Uhr am Start zu stehen. Sie ließ die mit hohem Tempo eine Minute hinter ihr gestarteten Männern erstmal an sich vorbei ziehen. Aber einige mussten dem hohen Anfangstempo bald Tribut zolle. „Ich war dann mit zwei Jungs unterwegs, die haben sich dann aber beide abgelegt“, berichte Terpstra über den etwas hektischen Rennbeginn. „Danach bin ich dann komplett alleine unterwegs gewesen.“ Am Ende siegte sie als einzige Frau unter zwei Stunden Fahrzeit in 1:59:37 h vor Nina Benz (jb Brunex Felt, 2:5:42 h) und Theresia Schwenk (Bulls, 2:11:10 h).

„Das wichtigere Rennen war für mich natürlich der Strabag Cup am Samstag in Zadov“, sagte Terpstra nach dem Rennen. „Sonntag bin eigentlich nur zum Spaß gefahren.“ Und Spaß hätten ihr die Trails im Pfälzer Wald durchaus gemacht. „Überraschenderweise hatte ich am Sonntag aber sogar die besseren Beine“, stellte die Ghost-Fahrerin erstaunt fest. „Auch wenn ich dann danach richtig im A… bin. Ich brauche jetzt erstmal ein, zwei Tage Trainingspause.“ Dennoch zieht die Doppelsiegerin eine positive Bilanz des Wochenendes: „Nach meiner Erkrankung im Frühjahr habe ich immer wieder gemerkt, dass ich mich nicht so schnell erhole. Doch offensichtlich regeneriert mein Körper jetzt wieder schneller. Das gibt viel Selbstvertrauen für den Doppel-Weltcup in Nove Mesto.“ Dort erwarten die – so er denn wie geplant Ende September stattfindet – binnen sechs Tagen zwei Shortraces und zwei Rennen über die olympische Distanz, ehe schon eine Woche später die Weltmeisterschaft in Saalfelden-Leogang / AUT die Weltmeisterschaft ausgetragen werden (sollen).

Ergebnisse

Facebook Auto Publish Powered By : XYZScripts.com