Weltcup Hafjell nachgedreht: Von Pistolenschüssen, einem Weltcup-Neuling und Slowenen in Feierlaune
Die ersten Cross-Country-Weltcup-Rennen in Norwegen sind Geschichte. Zwei Lückenschließer waren vor Ort, einige bemerkenswerte Damen auch. Und ein Betriebsschlosser der seine Liebe zum Mountainbiken wiederentdeckt hat. Plötzlich fiel ein Pistolenschuss und später wurde ein deutscher U23-Biker von einem Sturz aufgehalten. Eine Eidgenössin verliert per Defekt den Anschluss und andere werden von der 80-Prozen-Kelle gestoppt. Das alles vor nicht all zu vielen Zuschauern. Nachgedreht, was hier aus dem Land der Trolle noch nicht geschrieben stand.
Simon Stiebjahn und Markus Bauer haben mit ihren 22. und 25. Plätzen in Hafjell etwas geschafft, was man erstens am vergangenen Samstag (noch) nicht erwartet hätte und zweitens etwas ist, auf das man lange gewartet hat. Mit Ausnahme der Namen Fumic, Milatz, Kurschat und Käß gab es etliche Jahre keinen deutschen Elite-Fahrer, der er es schaffte unter die besten 25 zu kommen.
Sicher, ein finaler Weltcup nach einer WM hat immer so was wie eigene Gesetze und im Gegensatz zu vielen Konkurrenten haben Bulls-Biker Stiebjahn und Lexware-Rothaus-Fahrer Bauer keine WM bestritten, sind also mit anderen Voraussetzungen ins Rennen. Trotzdem, die Leistung verdient Respekt. Stiebjahn hat sich eigentlich gar nicht auf den Weltcup vorbereitet, sondern hat die Marathon-DM im Visier und Bauer kam mit einem Magen-Darm-Infekt nach Norwegen.
Nächstes Jahr müssen die beiden das bestätigen, was Bauer nach dem Rennen andeutete. „Ich freue mich, dass Stiebi und ich gezeigt haben, dass wir die Lücke zu unseren Topfahrern schließen können.“ Das muss nicht heißen, dass sie bald Top-Ten-fähig sind, aber zumindest nicht so arg weit weg.
Bemerkenswert auch die Leistungen von Nadine Rieder (Topeak-Ergon) und von Nina Wrobel (Fujibikes-Rockets) auf den Plätzen 23 und 26. Nadine Rieder, als starke Sprinterin gleich gut mit dabei, kämpfte bis Ende zweite Runde sogar mit Hanna Klein (Lexware-Rothaus) und mit Elisabeth Brandau (EBE-Racing) um Rang 15. Dabei zeigte sich Rieder sehr aktiv und nicht einfach damit zufrieden in diesen Regionen fahren zu können.
In der dritten Runde fiel die 24-Jährige aus den Top 20 heraus, doch Rieder hatte am Ende ihr Ziel deutlich erreicht und das beste Weltcup-Resultat ihrer Karriere erreicht. „Es hätte nicht besser laufen können“, meinte sie zufrieden. An dieser Stelle muss man einflechten, dass die frühere Deutsche Schülermeisterin mit dem Umweg über den Sprint erfreulicherweise auch im Cross-Country den Anschluss gefunden hat.
Nina Wrobel kam im Gegensatz zu sonst in den ersten beiden Runden ganz gut ins Rennen. Die sonst üblichen Krämpfe am Anfang hielten sich in Grenzen. Nach zwei Runden konnte sie sich von Platz 32 aus nach vorne arbeiten. Auch sie verbuchte ihren ersten Top-30-Platz in dieser Saison, was angesichts ihres geringen Trainingsaufwands schon erstaunlich ist. Bis zur fünften Runde lag sie noch gleichauf mit Rieder. „In der letzten Runde war die Luft dann raus. Ich habe ja auch seit der DM im Juli kein Cross-Country-Rennen mehr bestritten“, erklärte die 30-Jährige.
Elisabeth Brandau scheint weitaus besser in Form zu sein, als man es erwarten konnte. Die Schönaicherin wäre wohl unter den besten 20 gelandet, wenn sie nicht durch Halsschmerzen und Schnupfen gehandicapt hätte aufgeben müssen. Ab der zweiten Runde waren die noch mobilisierten Kräfte aufgebraucht, so dass sie auf Platz 38 zurückfiel und mit einer Runde Rückstand aus dem Rennen genommen wurde.
Ghost-Fahrerin Katrin Leumann hatte das Pech, dass sie einen der vielen scharfkantigen Steine erwischte und bereits in der ersten Runde einen Hinterrad-Defekt erlitt. Bis auf zehn Fahrerinnen gingen alle Damen an ihr vorbei, ehe sie das Rennen fortsetzen konnte.
Mit ihrem Rennen an sich war Leumann nicht unzufrieden, zumal sie sich mit guten Rundenzeiten noch auf Platz 17 nach vorne fahren konnte. Allerdings kostete sie das Malheur wohl den sechsten Gesamtrang an Jolanda Neff (Giant Pro XC) und fand sich nur sechs Zähler hinter ihrer Landsfrau und hinter Catharine Pendrel (Luna Pro) auf Rang acht wieder. „Eigentlich auch nicht so schlecht“, meinte sie dennoch.
Mathias Flückiger (Stöckli Pro Team) ist nach länger andauernden gesundheitlichen Schwierigkeiten eindrucksvoll zurückgekehrt. Der Schweizer hat zwar im Grunde nur die WM (und Muttenz) ausgelassen, aber seit dem Frühjahr bremste der eigene Körper den WM-Dritten des vergangenen Jahres ständig aus.
In Hafjell fehlte ihm zwar die Rennhärte um länger mit Schurter und Kulhavy mitzuhalten, aber sein Niveau war schon ganz beachtlich. „Es war die richtige Entscheidung nicht zur WM zu fahren und mich auf das Weltcup-Finale zu konzentrieren. Sonst hätte ich wieder nicht richtig trainieren können und bei der WM wäre es wohl auch nichts geworden“, meinte Flückiger.
Das BMC Racing Team wurde bei der WM ja schwer gebeutelt. Die dort erlittenen Rippenbrüche von Julien Absalon und Lukas Flückiger brachten auch das Projekt Team-Gesamtsieg ins Wanken. Übrig blieben in Hafjell nur drei Mohikaner, die den Vorsprung gegenüber Multivan-Merida verteidigen mussten. Da es weder bei Ralph Näf, noch bei Moritz Milatz und schon gar nicht bei Martin Fanger besonders rund lief, kam Sport-Marketing-Manager Steven de Jonckheere am Streckenrand ins Schwitzen. Mit dem Smartphone bewaffnet versuchte er durchzurechnen.
Nachdem am Anfang sowohl Ondrej Cink in der Spitzengruppe und José Hermida dahinter auf Rang sechs lagen, die BMC-Fahrer, aber nicht unter den ersten 15, schienen die 30 Punkte Vorsprung zu entschwinden.
Das Blatt wendete sich weil Hermida („ich habe die ganze Zeit gelittten“) zurück fiel und auch Cink die Spitzengruppe nicht mehr halten konnte. Allerdings gab es in der vorletzten Runde eine Schrecksekunde – oder besser: Minuten. Bei Ralph Näf platzte mit einem Knall wie der von einem Pistolenschuss der hintere Reifen. Der Schweizer hielt den Schaden aber in Grenzen, so dass die BMC-Equipe doch noch zum ersten Mal die Teamwertung gewinnen konnte.
Gerrit Rosenkranz (Univega) ist 29 Jahren sein erstes Weltcup-Rennen gefahren. Und hat es gleich ganz respektabel auf Platz 49 abgeschlossen, eine Position vor Andy Eyring (Bergamont). Dabei demolierte er sich bei „zwei üblen Stürzen“ das Hinterrad. „Ich habe dadurch einige Positionen verloren, aber was soll’s ich bin echt super zufrieden“, kommentiert er auf Facebook.
Kann er auch, an einem Top-50-Ergebnis haben sich schon manche Fahrer die Zähne ausgebissen, auch wenn das Weltcup-Finale sicher nicht ganz so gut besetzt war wie etwa die Weltcups in Albstadt oder in Nove Mesto.
Rosenkranz war als Junior Angehöriger des Nationalkaders, verlor dann aber die Motivation, spielte stattdessen Fußball und kam nach zwei Knie-Operationen im Alter von 24 wieder zurück zum Mountainbiken. „Seither macht mir das Radfahren wieder richtig Spaß“, sagt der berufstätige Betriebsschlosser. Da sieht man wozu das führen kann, mit dem Spaß.
Ben Zwiehoff (Team Bergamont) hatte im U23-Rennen am Samstagabend Pech, dass er in einen Start-Crash verwickelt war. So kam er erst an 45. Position aus der ersten Runde. Dass er sich noch auf den 22. Platz nach vorne kämpfen konnte, ist aller Ehren wert. „Ohne das Pech hätte ich vielleicht auch mit Martin (Frey) mitfahren können, das kann ich ja sonst auch“, meinte Zwiehoff. Der gleichaltrige Frey wurde 16.
Louis Wolf (Cube) landete direkt dahinter auf Platz 23. Auch er hatte das gesamte Rennen über den Vorwärtsgang drin, nicht ganz so schnell wie Zwiehoff. Dennoch reichte es für den noch 19-Jährigen zu den ersten drei Weltcup-Punkten.
Martin Gluth (Lexware-Rothaus) war mit großen Ambitionen in seinen letzten U23-Weltcup gestartet, wähnte er sich doch in sehr guter Verfassung. Doch dem U23-DM-Dritten machte ein Infekt einen Strich durch die Rechnung, der ihn nach der Rückkehr von der Weltmeisterschaft erwischt hatte. So gab Gluth in der vierten Runden auf Platz 37 zurückgefallen auf.
Christopher Platt (Delta Bikes Sport) musste im gleichen Rennen nach einem heftigen Sturz Ende der zweiten Runde, bei dem er sich am Knie verletzte, seine Hoffnungen auch begraben. Er kämpfte sich zwar durch, aber als er sich grade mehr und mehr nach vorne gefahren hatte, standen die Kommissäre mit der 80-Prozent-Kelle da. Rang 39 stand in der Ergebnisliste. „Das passt zu meiner zweiten Saisonhälfte, da ist es einfach nicht mehr gelaufen“, bedauerte Platt.
Melanie Leveau, UCI-Eventkoordinatorin war in Hafjell vor allem von den Zuschauerzahlen enttäuscht. Ob ohne Regen am Sonntag mehr Leute zum Downhill gekommen wären, bleibt offen. Es waren jedenfalls nicht sehr viele da. Auch am Samstag bei den Cross-Country-Rennen und das trotz des relativ großen Bekanntheitsgrades von Gunn-Rita Dahle-Flejsaa (Multivan-Merida). „Es ist als ob wir die Rennen nur für uns machen. Am Samstag konnten wir ja froh sein, dass die Slowenen da waren“, meinte Leveau.
Die waren mit 27 Leuten da, um den Gesamtweltcupsieg von Tanja Zakelj zu feiern. Vom Flughafen Oslo aus hatten sie einen Bus gechartert. „Das hätte ich nie für möglich gehalten, dass Slowenen extra nach Norwegen fliegen“, staunte selbst der slowenische Kollege Grega Stopar von mtb.si
Die Organisatoren zeigten sich Leveau gegenüber im Gespräch nicht enttäuscht über das Zuschaueraufkommen. Das wäre für norwegische Verhältnisse in Ordnung, fanden sie. Vielleicht hätte man Ski unter die Reifen schnallen sollen…Es bleibt die Hoffnung, dass sich bei der WM 2014 ein paar mehr Menschen am Streckenrand zeigen.