WM Andorra Nachgedreht (1): Um 7.45 Uhr wird das letzte Mal zum Genuss
Ein Schweizer, der zu weit springt. Ein Eidgenosse, der lange Angst hat vor den Qualen. Ein anderer, der nicht den absoluten Glanztag erwischt und noch einer, für den die WM ein Spiegelbild für die Saison wird. Ein Olympiasieger mit einem ganz kurzen Arbeitstag. Und die deutschen Herren: Einer, bei dem nichts in den Beinen ankommt, einer mit drei Überschlägen, einer, dem die Leistungsspitzen fehlen und ein weiterer, dem das Material ausreichend Streiche spielt. Aus dem Herren-Rennen nachgedreht, was hier noch nicht geschrieben stand.
Mathias Flückiger (Stöckli Pro Team) befand sich mit Manuel Fumic (Cannondale Factory Racing) und Ondrej Cink m Kampf um Bronze, als er einen Hinterrad-Defekt erlitt. „Selbst verschuldet“, wie er kritisch anmerkte. „Ich bin an einem Sprung zu weit gesprungen und mit dem Hinterrad auf einem Stein gelandet“, erklärte er diesen Fehler. Mit noch etwas Luft im Reifen investierte Flückiger in eine Art Zwischensprint. „Ich wollte etwas Abstand machen, damit ich nicht so viel verliere“, erklärte Flückiger. Im Prinzip nicht so schlecht, dieses Ansinnen, denn von dieser Anstrengung konnte er sich ja beim Warten auf den Wechsel seines Hinterrads dann wieder erholen.
Er kam sogar bis auf sieben Sekunden an das Spitzen-Duo Absalon/Schurter heran. Leider dauerte der Wechsel dann 33 Sekunden. „Ein bisschen zu lang“, bedauerte Flückiger. Die Körner fehlten dann am Ende, um den Dreikampf mit Fumic und Cink erfolgreich bestreiten zu können. „Schade, ich wäre bereit gewesen für eine Medaille“, meinte Flückiger.
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Ralph Näf (BMC Racing) hat mit der WM weitere „Letztes-Rennen“ bestritten. Das letzte Cross-Country-Rennen seiner Karriere. (Es folgt nur noch das Swiss Epic). Und seine letzte Weltmeisterschaft. Der siebte Platz war mehr
als ein würdiger Abgang, sondern unterstrich, dass er als konkurrenzfähiger Athlet abgetreten ist. Trotz aller physischen Probleme. (Siehe Interview).
Dabei wollte sich während der WM-Woche überhaupt keine Vorfreude auf die letzte WM einstellen. „Ich hatte die ganzen Tage Angst vor diesen Qualen und mich gar nicht gefreut“, bekannte er. Doch als er am Samstagmorgen aus dem Fenster blickte, da drehte sich die Einstellung. „Ich dachte, Ralph, das ist das letzte Mal. Geh raus und genieße das. Ab 7.45 Uhr habe ich mich darauf gefreut und ich konnte das Rennen tatsächlich genießen. Ich bin mega zufrieden damit.“
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Florian Vogel (Focus XC) wurde in der letzten Runde noch von Ralph Näf überholt und war als Achter viertbester Schweizer. Man hatte ihn im Vorfeld als Medaillenkandidat gehandelt, doch schon nach zwei Runden hatte er 30 Sekunden Rückstand auf Bronze.
Den absoluten Glanztag hatte er nicht erwischt. „Es war kein schlechtes Rennen, aber ich hatte sicher nicht meinen besten Tag. Ich habe es versucht, aber braucht nicht viel zu fehlen und du bist ein paar Plätze weiter hinten“, meinte er. Die große Enttäuschung war bei ihm aber nicht zu spüren. „Ich hatte eine geniale Saison, auch wenn das hier nicht so aufgegangen ist, wie erhofft“, zog er für seine Bilanz einen etwas größeren Kreis.
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Fabian Giger (Colnago-Südtirol) hätte der fünfte Schweizer in der Top-Ten sein können. Ohne Defekt wäre das vermutlich gelungen. Er lag auf einem komfortablen siebten Platz, als es passierte. Dummerweise war es in der dritten Runde ein langer Weg bis zur nächsten Technischen Zone. Giger fiel bis auf Rang 33 zurück und beendete die WM als 27.
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Auch Lukas Flückiger (BMC Racing) war nicht vom Glück begünstigt. Nach einem gelungenen Start, stürzte er und verbog sich sein Schaltwerk. Das Schalten wurde danach sehr schwierig und als er dann in der dritten Runde auch noch einen Reifen-Defekt erlitt, da war halt nicht mehr drin als Rang zwölf. „Ein Spiegelbild meiner Saison“, nannte er das WM-Rennen.
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Jaroslav Kulhavy (Specialized Racing) verließ das Rennen schon nach dem ersten Anstieg. „Ich habe keine Luft bekommen“, sagte er gegenüber dem tschechischen Kollegen Jan Nemec. Für einen 30. oder 40. Platz wolle er sich nicht über die Runden quälen.
Bei Kulhavy hat offenbar die Vorbereitungsvariante mit einer Unterkunft auf 900 Metern Höhe nicht gegriffen. Aber ihm war schon vorher bewusst, dass sein Körper mit der Höhenlagen nicht gut klar kommt und auch sein Coach Viktor Zapletal war skeptisch gewesen.
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Moritz Milatz (Koch Engineering-Müsing Bikes) wurde 80. Zwei Runden Rückstand. Ein höchst unerfreuliches Resultat, natürlich. Erst am Freitag war er angereist. Aus der Not geboren, bzw. Prüfungen an der Uni geschuldet. Ein Experiment, ein Versuch, der schief ging.
„Es kam in den Beinen keine Energie an. Der Start war schon nicht berauschend und dann ging es rückwärts anstatt nach vorne“, berichtete Milatz. Für ihn funktionierte die kurzfristige Anreise in die Höhe also nicht. Der Lern- und Prüfungsstress kann natürlich auch Energie gezogen haben.
„Speedy (Bundestrainer Peter Schaupp) hat gesagt, ich soll durchfahren. Ich war dann froh, als sie mich bei der 80-Prozent-Regel rausgenommen haben“. Zur kurzfristigen Anreise, die etwa bei einem Julien Absalon (am Donnerstag angereist) funktionierte, meinte Milatz. „Vielleicht funktioniert bei mir in der Höhe gar nichts. Das war jedenfalls nicht die richtige Lösung. Aber das weiß man vorher natürlich nicht. Andererseits gab es auch keine andere Möglichkeit. Mit drei Wochen Höhenvorbereitung würde es vielleicht gehen, aber darüber brauchen wir uns aktuell bei mir nicht unterhalten“, bilanzierte er mit Blick auf seine Doppelbelastung mit Studium. Fünf Weltranglistenzähler gab es fürs Durchhalten.
Markus Schulte-Lünzum (Focus XC) verbuchte seinen 44. Platz als einen Hoffnungsschimmer. Nach längerer Wettkampf-Pause konnte der Deutsche Vize-Meister zwar noch nicht auf dem Niveau fahren, wie sein Potenzial eigentlich erlaubt, aber Schulte-Lünzum nannte sein WM-Rennen dennoch „einen Schritt nach vorne“.
„Die Beine waren super“, meinte er. Zumindest im Vergleich zu vielen anderen Rennen. Allerdings hemmten ihn zwei andere Probleme. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen klappte es wegen Problemen in Speiseröhre und Magen mit dem Trinken nicht so richtig. „Nach drei Runden habe ich nur noch Wasser getrunken“, erklärte Schulte-Lünzum. Ob die fehlende Energie dazu geführt hat, dass er sich in den letzten beiden Runden dreimal überschlagen hat? Schwer zu sagen, aber sein langsamer Vormarsch, der bei Position 54 begann, wurde gestoppt. In der letzten Runde gingen dadurch noch zwei Plätze verloren.
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Martin Gluth (Novus OMX) erreichte zehn Positionen weiter hinten das Ziel. „Insgesamt war es okay, aber die Leistungsspitzen haben mir wieder gefehlt“, so Gluth. Auch er hatte sich in kleinen Schritten nach vorne gearbeitet. Von Platz 60 bis auf 50, ehe er in der Schlussrunde von Platz 49 noch fünf Ränge verlor, weil ihm die Kette runter fiel. „Die Startphase hatte mit Rennen fahren nicht viel zu tun“, sprach er einen Aspekt an, den etliche Fahrerinnen und Fahrer beklagten. Wer zu Beginn nicht unter den ersten 10, vielleicht 15 war, der musste viele Laufpassagen einlegen. Überholmöglichkeiten waren zu rar gesät.
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Markus Bauer (Kreidler Werksteam) musste einen 61. Platz hinnehmen, der natürlich nicht seinen Hoffnungen entsprach. Es ging gut los für den Kirchzartener. Als 38. kam er aus der ersten Runde. Dann gab er zehn Positionen preis und war mit Schulte-Lünzum unterwegs.
Anfang vierte Runde musste er dann mit Reifen-Defekt einen Wechsel vornehmen fuhr wieder bis auf Rang 48, ehe ihn ein Kettenklemmer komplett aus der Bahn warf. „Ich bin mit Kettenführung gefahren und trotzdem ist sie mir nach innen reingefallen. Kann ich mir auch nicht erklären. Dann war ich irgendwie fertig mit dem Rennen“, erklärte Bauer.