WM Lenzerheide: Nino Schurter und seine Jäger

Deutsches Quartett vor dem Herren-Rennen zuversichtlich

Unbestrittene Nummer eins im Cross-Country-Kosmos, das Weltcup-Finale gewonnen, die WM kaum eine halbe Stunde vom Wohnort entfernt, für Weltmeister Nino Schurter scheinen alle Vorzeichen auf Titelverteidigung zu stehen. Doch die Heim-WM hat ihre Tücken. Die vier deutschen Herren um Manuel Fumic wirken optimistisch, auch wenn der große Wurf nicht zu erwarten ist.

 

„Ich gehe mit positiven Gefühlen in das Rennen am Samstag.“ Diesen Satz sagte Manuel Fumic (Cannondale Factory Racing) am Mittwoch mit der Team-Silbermedaille in den Hals. Er war auf der einen Runde 14 Sekunden langsamer gewesen als Nino Schurter (Scott-Sram), auch 14 Sekunden langsamer als sein Teamkollege Maxime Marotte.

Die positiven Gefühle nährten sich einerseits aus der vierten Team-WM-Medaille in seiner Karriere, anderseits aber auch aus dem Umstand, Reserven erkannt zu haben. „Ich muss ehrlich sagen, dass ich Respekt hatte nach gerade 45 Sekunden im Rennen die Attacke von Nino mitzugehen. Wenn die Saison bisher anders verlaufen wäre, dann hätte ich mir das vielleicht zugetraut“, erklärte Fumic.

Ob er am Samstag (15:30 Uhr) die Bremse lösen kann und ob das dann gut geht, bleibt indes die offene Frage. Grundsätzlich glaubt Fumic, dass er zu einem Top-Ten, vielleicht auch Top-Acht-Ergebnis in der Lage ist. Mehr, das wäre nach der Vorgeschichte in diesem Jahr schon eine dicke Überraschung. Es begann mit einem langwierigen Infekt, ging weiter mit einer gerissenen Sehne am Finger und mündete dann in Rückenproblemen.

Georg Egger: Erst im Ziel völlig blau sein

Georg Egger (Lexware Mountainbike Team) hat in seinem ersten Jahr in der Elite gleich auf sich aufmerksam gemacht. Der neunte Rang bei der EM in Glasgow hat aufhorchen lassen, der 22. im Weltcup von Nove Mesto auch. Als er versuchte in La Bresse die Top 20 zu knacken, da ging das Unternehmen schief. Doch Georg Egger hat in dieser Saison schon mehrfach bewiesen, dass er Fehler korrigieren kann.

„Am Samstag will ich im Ziel maximal blau sein und nicht schon nach drei Runden“, sagt er. Und Egger hat erkannt: „Um Top 20 zu fahren, dafür fehlt mir an einem normalen Tag noch das Niveau, aber die Top 30 kann ich schaffen, wenn ich keine Fehler mache.“

Ben Zwiehoff (Bergamont) hat’s in dieser Saison bisweilen auch nicht ganz leicht gehabt. Der Bänderriss von Albstadt, dann eine weitere Sturzverletzung Ende Juni. Doch der 24-Jährige hat schon bei der EM (15.) angedeutet, dass er seiner Kurve einen Drall nach oben versetzt hat. Wenn die Trainingssteuerung klappt und der Essener ohne Sturz und ohne Defekt durchkommt, kann er die besten 25 ansteuern.

Auf ähnlichem Niveau ist auch Martin Gluth (Silverback-OMX). Er dürfte mit dem Terrain sehr gut zurecht kommen. „Ich freue mich in erster Linie mal, dass ich mich qualifiziert habe. Ich war vor der Saison ja nicht mehr im Kader. Ich werde versuchen die Startphase möglichst weit vorne überleben und dann ein konstantes Rennen durchziehen“, so der 26-jährige Gluth vor seiner dritten Elite-WM.

 

Kann Schurter dem Heim-Nachteil trotzen?

Von Nino Schurter wird vor heimischem Publikum vielleicht ein ähnliches Kunststück verlangt wie vor den Olympischen Spielen: Das Medien- und Sponsoren-Interesse zu kanalisieren und sich möglichst ohne Energie-Verlust auf den Saisonhöhepunkt einzulassen.

Eine einfache Übung ist das nicht und die Konkurrenz hat Blut geleckt. Sam Gaze fällt als Konkurrent zwar aus, aber auch andere haben diese Saison entdeckt, dass der Weltmeister zu schlagen ist.

Mathieu van der Poel (Corendon-Circus) wollte es zwar in jedem Rennen, gelungen ist es ihm aber nur im Short Track. Mathias Flückiger (Thömus RN Racing) hatte in Mont Sainte Anne endlich mal das verdiente Glück. Der Weltcupsieg in Mont Sainte Anne dürfte ihm ein wenig Druck genommen haben. Maxime Marotte ist zuletzt immer stärker geworden (siehe oben).

Anton Cooper (Trek Factory Racing) war zweimal ganz nah am ersten Weltcupsieg. Gerhard Kerschbaumer (Torpado) ist das in Andorra gelungen. Kann aber sein, dass der Italiener in Lenzerheide seine Kletterqualitäten nicht so ausspielen kann. Europameister Lars Forster (BMC Racing) ist mutig genug, um was zu versuchen.

Dieses Sextett könnte am Lack von Nino Schurter kratzen, wenn der nicht genügend imprägniert ist gegen die Anmutungen einer Heim-WM. Vielleicht sogar einige andere. Bei Jaroslav Kulhavy (Specialized Racing) weiß man aktuell wirklich nicht, wo er steht. Vielleicht weiß er das selber auch nicht.

Doch wer sich an Lenzerheide 2017 erinnert, als der Tscheche seine Aufholjagd nur wenige Sekunden hinter Schurter auf Rang zwei beendete, kann sich ausmalen, dass auch für ihn was möglich ist. Möglicherweise ist ja auch der WM-Dritte des Vorjahres, Thomas Litscher (jb Brunex-Felt) rechtzeitig wieder in einer Verfassung wie 2017. Siehe Sieg in Muttenz

 

 

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