WM Mont Sainte Anne Nachgedreht: Abschiedsvorstellungen und Erinnerungslücken

Elisabeth Brandau fühlt sich wie in Lenzerheide

Mont Sainte Anne zum letzten Mal mit den Gründern. Stop&Go und vierte Plätze. Ein Kampf mit Herz und ein Befreiungsschlag. Fifty-Fifty-Chancen und Erinnerungslücken. Das Hoffen auf ein Wunder, das nicht eintritt und ein Olympia-Ticket für das Dreisamtal. Nachgedreht von den Weltmeisterschaften in Mont Sainte Anne, was hier noch nicht geschrieben stand.

 

Zum dritten Mal gastierte eine Weltmeisterschaft in Mont Sainte Anne. Die Organisatoren haben geliefert, eine Woche „pure Mountainbiking“, wie das so gerne genannt wird. Die Zuschauer-Zahl war nach Einschätzung der Organisatoren die größte, die sie in fast 30 Jahren bei ihrem Event je hatten. An Stimmung hat es nicht gemangelt und die Kanadier sind ein faires Sportpublikum.

Seit 1991 gastiert die Weltelite der Mountainbiker im alpinen Wintersport-Ort. Mit dem Event gründeten Patrice Drouin und Chantal Lachance gemeinsam die Agentur Gestev, die ihre Aktivitäten nach und nach auf andere Geschäftsfelder ausdehnte. Vor sechs Jahren verkauften sie die Agentur an das kanadische Medien-Unternehmen Quebecor, lenkten aber in der Geschäftsführung die Geschicke weiter.

Drouin verkündete im März seinen Rücktritt, Lachance wird Ende des Monats ausscheiden. Die WM war ihre Abschiedsvorstellung, Drouin war noch als Berater und Repräsentant dabei. Der Weltcup in Mont Sainte Anne 2020 wird bereits von anderen Verantwortlichen gelenkt werden.

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Elisabeth Brandau (Radon-EBE Racing) wurde als 40. per 80-Prozent-Regel aus dem Rennen genommen. Deshalb ist für den aktuellen Rennbericht nicht mehr greifbar. Am Abend (Ortszeit) meldet sie sich dann und berichtet, wie es ihr mit der Steißbein-Verletzung ergangen ist.

„Ich bin froh, dass ich gefahren bin, die Schmerzen kamen erst nach der Hälfte des Rennens“, erklärt sie. Aber das Hauptproblem ist ein anderes. Sie fühlt sich in den Anstiegen genauso schwach wie schon in Lenzerheide. „Als ob mich jemand halten würde“, sagt sie. „Weil ich bergauf so schwach war, bin ich den Abfahrten immer hinter jemand gewesen und es war ein Stop&Go. Ich habe auch den Mut verloren schnell bergab zu fahren.“

Richtig erklärten kann sich Brandau die Verfassung auch nicht. „Vermutlich war es nach der EM in Brünn einfach alles zu viel und ich habe die Stopp-Signale nicht beachtet“, meint sie.

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Anne Terpstra hat Anne Tauber wieder überholt und wird Vierte ©Irmo Keizer

 

Platz vier ist bei einer WM der so genannte „undankbare“. Es gibt keine Medaille dafür, nichts was man nach Hause nehmen könnte. Und deshalb herrscht meistens Enttäuschung im Gesicht der Athletin, die an vierter Stelle über die Ziellinie rollt. So war das auch bei Anne Terpstra (Ghost Factory Racing). Nachdem sie schon bei der EM in Brünn direkt neben den Medaillenrängen gelandet war, vielleicht noch mehr.

Aber hätte ich für diese Ergebnisse vor der Saison unterschreiben können, hätte ich das wohl blind gemacht“, relativiert sie die Enttäuschung. Sie ging zu Beginn das Tempo mit, musste dann aber Tribut zollen und fand sich zwischenzeitlich an Position sieben wieder. Sie schob sich wieder nach vorne, überholte auch ihre Landsfrau Anne Tauber, doch die 35 Sekunden Rückstand auf die Medaillenränge konnte sie nicht mehr kompensieren.

Eine Medaille konnte sie nicht mit nach Hause nehmen, aber immerhin die Erkenntnis, dass sie inzwischen konstant zu den Besten der Welt gehört.

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Titelverteidigerin Kate Courtney (Scott-Sram) wurde diesmal Fünfte. Sie war zu Beginn vorne dabei, verlor allerdings in Runde zwei den Anschluss an Jolanda Neff, die zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit Rebecca McConnell in Führung lag.

Ein Sturz in Runde vier bedeutete dann noch mal einen Rückschlag, ehe sie sich sammeln konnte und Platz fünf erobern.

„Es war ein harter Kampf, aber eine Leistung, auf die ich stolz sein kann. Obwohl ich natürlich angetreten bin in der Hoffnung mein Regenbogen-Jersey zu verteidigen, bin ich stolz auf Mut und Herz, was ich gezeigt habe“, wird Courtney in einer Pressemitteilung des Teams zitiert. Mit dem fünften Platz hat Courtney die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio perfekt gemacht.

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Kate Courtney ©Sven Martin

 

Linda Indergand (Superior XC) war nach Jolanda Neff als Zehnte die zweitbeste Schweizerin. Sie ballte beim Überfahren der Ziellinie die Faust und strahlte über das ganze Gesicht. „Das war ein Befreiungsschlag“, nickte sie, „cool, dass es mal wieder geklappt hat.“

Sie hatte sie einen guten Start vorgenommen, was ihr auch gelang und setzte sich dann in einer Gruppe fest, die von Rang neun bis zwölf reichte. „Schön, dass ich mich da vorne halten konnte“, freute sie sich.

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Eine Abschiedsvorstellung war es auch Irina Kalentieva (Möbel Märki), die in Mont Sainte Anne ihre 22. Weltmeisterschaften (eine davon als Juniorin) und ihr letztes Rennen bestritt. Die glanzvolle Karriere endete mit einem 33. Rang, beim Weltcup-Finale in Snowshoe tritt sie nicht mehr an.

Mehr über ihre Laufbahn demnächst in einer längeren Geschichte.

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300 Meter vor dem Ziel durch einen Plattfuß die Silbermedaille aus den Händen zu geben, es hat bei Weltmeisterschaften vermutlich selten so unglückliche Umstände gegeben. Gerhard Kerschbaumer (Torpado-Ursus) holte sich einen Hinterrad-Defekt in der letzten technischen Sektion. Damit musste er nicht nur die Silber- sondern auch die Bronze-Medaille aus den Händen geben. Er wurde am Ende nur Fünfter. Die Enttäuschung kann man sich ausmalen.

Mathias Flückiger (Thömus RN) und Stephane Tempier (Bianchi-Countervail) mussten sich allerdings nicht entschuldigen profitiert zu haben, denn auch sie hatten zuvor Defekt erlitten.

In dieser letzten, technischen Sektion gab es zwei Linien, auf der einen eine Bachdurchfahrt. Die scheint einigen Fahrerinnen und Fahrern zum Verhängnis geworden zu sein.

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Georg Egger ©Max Fuchs/EGO-Promotion

 

Georg Egger (Lexware) beendete die WM auf Rang 44. Der 24-Jährige erwischt keinen optimalen Tag. „Es ging nicht so gut, aber ich habe mich durchgebissen. Mir hat für diesen schweren Kurs und die WM die Frische gefehlt“, gesteht Egger, der erst noch bei Luca Schwarzbauer mitfuhr, seinen Teamkollegen dann aber nicht halten konnte. „Ich habe aber nicht den Kopf in den Sand gesteckt“, meint Egger noch und sieht kritisch einige Fehler, die er in den technischen Passagen begangen hat. „Es gab immer wieder Trouble. Durch andere Fahrer vor mir oder ich habe selbst mal was falsch gemacht. Ich denke, ich habe ein, zwei Minuten im fahrtechnischen Bereich liegen lassen.“

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Markus Schulte-Lünzum (Bike Way Racing) steht als 50. in der Ergebnisliste. Dahinter stecken verschiedene kleine Sequenzen, die das nackte Resultat nach oben relativieren. Schon am Start handelt er sich ein noch größeres Handicap ein, als es die Startnummer 62 schon ist. Ben Zwiehoff ist direkt vor ihm, doch der Essener kommt nicht weg. Schulte-Lünzum muss noch mal den Fuß runter nehmen und als es los geht, hat er schon Positionen verloren.

„Im Trail herrschte dann Krieg“, so Schulte-Lünzum. Kein unbekanntes Phänomen. Was er aber ausdrücklich mal benennen wollte, sei das Verhalten „einiger Südamerikaner“, die auf eine Art und Weise reinhalten würde, die wäre „ziemlich uncool.“

Als das Gröbste überstanden ist, fährt er langsam nach vorne. „Ich habe es mir gut eingeteilt“, meint er. Von Position 64 geht es bis auf 49. Doch dann verliert er, warum auch immer, auf der Zielgeraden Luft aus dem Reifen. Der macht mit der Hilfe der Latex-Milch wieder dicht, aber die Frage steht jetzt im Raum: an der nächsten Technischen Zone wechseln oder nicht.

Er wählt die Option weiterfahren, ist an Ex-Europameister Lars Forster (Scott-Sram) dran, der schon einen Defekt hinter sich hat – und „schießt“ sich dann einen Plattfuß. „Die Fifty-Fifty-Chance war auf der falschen Seite“, meint er Schulter zuckend. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass irgendwann mal Form und Ergebnis zusammen passen. Vielleicht schon in Snowshoe Mountain.

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Ben Zwiehoff (Bergamont) wurde 56. Er war gesundheitlich angeschlagen und konnte deshalb nicht viel erwarten. „Es war eigentlich abzusehen, dass es schwer wird. Ein bisschen habe ich auf ein Wunder gehofft, musste aber letztendlich einsehen, dass der Körper nicht ansatzweise bei hundert Prozent war“, ließ Zwiehoff wissen.

Bis Runde fünf von sieben lag er noch auf Position 49, doch dann wurde es immer schwerer. „In den letzten vier Runden hatte ich überall Krämpfe und musste wirklich leiden, um überhaupt ins Ziel zu kommen. Ich bin stolz, dass ich mich durchgekämpft habe und hoffe, dass es in Snowshoe besser geht“, meinte Zwiehoff.

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Der Belgier Kevin Panhuyzen hatte in der fünften Runde einen schweren Sturz am neuen Sprung. Es dauerte lange bis Panhuyzen geborgen werden konnte. Auf seiner Instagram-Seite schreibt er, dass er sich nicht mehr an viel  erinnern, auch nicht wie es zum Sturz gekommen war, nur ein paar Fetzen Erinnerung sind noch vorhanden. Er sei mit einer gebrochenen Hüfte im Krankenhaus aufgewacht.

Es dauerte wohl vergleichsweise lange, bis er geborgen werden konnte. Und auch die Umleitung der folgenden Konkurrenz über die B-Linie war nicht sofort gesichert. Einige der Konkurrenten machten sich ernsthaft Sorgen. Sein Landsmann Jens Schuermans etwa, meinte hinterher, dass in der letzten Runde die Platzierung nicht mehr im Vordergrund gestanden habe. Auch Ben Zwiehoff registrierte den verletzten Panhuyzen mit großem Unbehagen. Vor allem weil er auch eine Runde später immer noch da lag.

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Feiert wie ein Weltmeister, aber es geht nur um Olympia: Martin Vidaurre Kossmann ©Max Fuchs/EGO-Promotion

 

Das Lexware Mountainbike-Team hatte Grund zu feiern. Zum ersten Mal in der Geschichte der Equipe aus Kirchzarten, die als Nachwuchs-Team begann, hat sich ein Fahrer für die Olympischen Spiele qualifiziert. Für Chile.

Martin Vidaurre Kossmann wurde im U23-Rennen Vierter. Aufgrund der zusätzlichen Qualifikations-Bedingungen, die es für Nationen gibt, die nicht in den 21 ersten Plätzen im Nationenranking vertreten sind, hat Vidaurre Kossmann das Ticket sicher.

Wie der Chilene überhaupt im Dreisamtal gelandet ist, das ist eine längere Geschichte und hat weniger mit seinem vielversprechenden Talent zu tun als man denkt. Hier kann man das nachlesen

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