Die erste E-MTB-WM und warum hier nicht drüber berichtet wurde
Ein Diskurs zur Premiere in Mont Sainte Anne, die Fragen aufgeworfen hat
Es findet im Rahmen der Weltmeisterschaften in Mont Sainte Anne die erste Weltmeisterschaft für E-Mountainbikes statt und in diesem Blog ist darüber nichts zu finden. Ohne zu wissen, ob das überhaupt jemand zu finden gehofft hatte, hier ein Diskurs zur ersten E-MTB-WM und die Erklärung, warum es hier kein Berichte dazu gegeben hat.
Einerseits hat die Absenz ganz praktische Gründe. Weil die E-Bike-Rennen fast unmittelbar nach dem Ende des Team Relay gestartet wurden. Bis der Autor seine aktuellen Texte zur Staffel erledigt hatte, waren die Rennen vorbei. Deutsche Fahrer waren nicht am Start, weshalb auch kein Auftraggeber irgendwas wollte.
Zweitens weil sich der Blog mit Berichten über Cross-Country, Marathon und Eliminator eh schon zu viel ans Bein gebunden hat. Noch eine Disziplin ist nicht drin.
Drittens, weil sich der Autor fragt, was das für eine Weltmeisterschaft war, über die zu berichten wäre? So wie diese Premieren-WM besetzt war, stellt sich durchaus die Frage nach dem sportlichen Wert. Wenn ein Julien Absalon sagt: „Ich bin kein High Level-Athlet mehr, sondern nur noch ein enthusiastischer Sportler.“
Ob das eines Regenbogen-Jerseys würdig ist? Oder die Bedeutung des WM-Trikots nicht etwa „verwässert“?
Da fuhren aktuell Aktive, wie Alan Hatherly von Specialized, der sich das Trikot dann auch überstreifte, Jaroslav Kulhavy oder Grant Ferguson. Da waren auch Ehemalige, wie Julien Absalon (Bronze), Marco Fontana (6.), Christoph Sauser (10.) oder Miguel Martinez (7.). „Spezialisten“, sofern es so was schon gibt, wie Kjell van den Boogert. Und Journalisten-Kollegen wie Julien Nayener von Velovert und Olivier Beart von Vojomag. Und der Vater von Downhill-Weltmeister Loic Bruni, Jean Pierre mit Vornamen.
Bei den Damen war es mit Nathalie Schneitter (1.) eine ehemalige XC-Weltcupsiegerin, die auch die E-MTB-Serie fährt, Cyclo-Cross-Spezialistin Maghalie Rochette (2.), sowie die aktuelle Enduro-Fahrerin und frühere Four-Cross-Weltmeisterin Anneke Beerten (3.). Insgesamt waren es nur acht Teilnehmerinnen, weshalb man die Damen auch eine Minute nach den Herren ins Rennen schickte.
Ohne den sportlichen Leistungen und Meriten der Protagonisten zu nahe treten zu wollen – der prinzipielle Respekt ist ihnen gewiss – stellt sich dennoch die Frage: waren/sind das WELTmeisterschaften?
Nun, aller Anfang ist schwer, könnte man antworten.
Wettkämpfe als Präsentations-Plattform
E-Mountainbikes und die Verkaufszahlen sind Realität. Daher gibt es eine Reihe an Faktoren, die zur Einführung der WM geführt haben. Die nationalen und internationalen Verbände müssen auf den Trend reagieren. Sie öffnen sich für die elektrisch unterstützen Bikes, bzw. deren Besitzer. Vielleicht ist das im Sinne der Mitgliederzahlen eines Tages relevant. Man will, man sollte eine Entwicklung auf keinen Fall verschlafen.
Die andere Seite ist die der Marketing-Budgets der Bike-Industrie. Die werden seit ein paar Jahren vom normalen MTB in Richtung Wachstumsmarkt E-Bike verschoben. Um da zu partizipieren, müssen Verbände, Veranstalter und auch Teams den Weg ein Stück weit mitgehen. Man kann ihnen das nicht verdenken.
Das E-Segment wiederum sucht Präsentations-Plattformen für seine Produkte. Der Sport ist eine davon. Also wird versucht Wettkämpfe zu etablieren.
So weit, so gut.
E-Bikes und der Widerspruch zur Philosophie des Radfahrens
Für Wettkämpfe benötigt man Sportler. Die sind nicht in ausreichender Zahl vorhanden, um ernsthaft Meisterschaften auszurichten. Aktuell zumindest. Es braucht „Anleihen“ aus anderen Segmenten. Siehe oben. Die E-MTB-WM ist also nicht so entstanden, dass da eine schnell wachsende Szene war, die sich mit diesem neuen Gerät unbedingt vergleichen wollte. Wie etwa in den 80er-Jahren als das Mountainbike in der Welt des Radsports auftauchte und die Leute Rennen gefahren sind, längst bevor es Teil des reglementierten Radsport-Verbandswesens wurde.
Einem RadSPORTLER leuchtet nicht unbedingt ein, warum er oder sie einen Motor benötigt. Obschon ein E-MTB einen hohen Spaßfaktor mit sich bringt, wie nahezu alle versichern, die es schon probiert haben. Und durchaus Anstrengung verlangt, vor allem auch Berg runter. Die Geräte wiegen das Doppelte und beanspruchen ein ganz anderes Handling.
Im Grunde aber widerspricht ein E-Bike der Philosophie des Radfahrens, bzw. des Radsports. Da geht es eigentlich darum, sich aus reiner Körperkraft von A nach B zu bringen. Die Energie ist rein menschliche.
Alles was darüber hinausgeht, ist eigentlich MOTORSport. Mit dem E-Bike ist gewissermaßen eine Mischform entstanden. Schwer in das in bestehende Kategorien einzuordnen. Der Motorsport-Verband FIM war ja auch schon der Meinung das in sein Programm integrieren zu müssen. Mit einem geradezu peinlichen Ergebnis. Siehe hier.
Ungelöste technische Fragen
Die Frage ist nicht, ob sich Menschen auf das e-MTB als Sportgerät einlassen und seine Vorzüge genießen wollen. Die ist bereits mit ja beantwortet. Die Frage ist: wollen die Menschen, die das tun, damit Rennen fahren? Aktuell heißt die Antwort: nein. Oder: noch nicht.
Ungelöst sind auch noch einige technischen Fragen. Zum Beispiel wo es um die Begrenzung der Leistung der Motoren und deren Kontrolle geht. Zum Beispiel auch wenn es um das Format geht. So wie das in Mont Sainte Anne war, haben die Motoren nur rund die Hälfte ihrer Leistung verloren als das Rennen vorbei war. Ein kalkulierter Einsatz des Hilfsantriebs war also nicht notwendig. Da steckt noch vieles in den Kinderschuhen und im Sinne der sportlichen Vergleichbarkeit hat man da noch Aufgaben abzuhaken.
Sofern sich E-MTB-Wettkampfsport etabliert, wird er die puristische Form des Radsports ohne Motor voraussichtlich kannibalisieren. Was die Gelder und die Aufmerksamkeit angeht, aber auch was die Athletinnen und Athleten angeht, wird er einen Teil vom selben Kuchen beanspruchen. So wie das schon mit der Enduro-Disziplin war.
Vielleicht blickt man in 10 Jahren auf eine Erfolgs-Geschichte zurück?
Man darf seiner eigenen Einschätzung gegenüber aber durchaus auch misstrauisch sein und sie kritisch prüfen. Sind solche Argumente und Gedankenketten vielleicht auch nur der Abwehr gegen Neues, gegen das Aufbrechen von bekannten Strukturen geschuldet? Ein arrogantes Sich-Abwenden sollte man sich nicht erlauben.
Vielleicht blickt man in zehn Jahren auf eine Erfolgsgeschichte des E-MTB-Sports zurück, die nur holprig begann? Könnte so kommen. Wer kann da zum jetzigen Zeitpunkt schon Prognosen abgeben?
Sicher ist, dass die Disziplin Cross-Country (ohne Motor), so wie man sie aktuell im Weltcup (und bei der WM) zu erleben kann, so attraktiv ist wie nie zuvor. Für das Publikum.
In der Welt der Sponsoren außerhalb der Branche hat man das allerdings noch nicht wirklich bemerkt. Die Frage nach dem warum, ist wieder ein anderes, weitreichendes Thema.
So lange aber die Disziplin existenziell am Tropf der Bike-Industrie hängt, ist sie der beschriebenen Entwicklung ein Stück weit ausgeliefert und muss das Spiel quasi mitspielen.
Vielleicht wird es ja aber auch noch ein interessantes Spiel, das man da mitspielen muss.
Wie gesagt: In diesem Blog bleiben die Wettkämpfe auf E-Mountainbikes aber erst mal außen vor. Natürlich muss sich der Autor trotzdem damit auseinander setzen, eine Haltung entwickeln, zu dem, was passiert. Umso mehr, wenn die Rennen innerhalb der Weltmeisterschaften ausgetragen werden. Auch nächstes Jahr in Albstadt.