Absage: 2020 keine WM in Albstadt
Chancen auf Weltcup 2021 bleiben intakt
Im Zuge Corona-Pandemie sehen die Stadt Albstadt, der Weltverband UCI und der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) keine Chance darauf die für Juni abgesagten Cross-Country-Weltmeisterschaften noch mal neu zu terminieren. Das haben die Stadtverwaltung und die UCI am heutigen Donnerstag in einer Pressemitteilung bekannt gegeben. Damit wird es eine WM 2020 in Albstadt nicht geben. Die Stadt bekennt sich über dieses Jahr hinaus aber zum Mountainbike-Sport.
Auch wenn es inzwischen keine ganz große Überraschung mehr war, der Vollzug der Absage der WM in Albstadt dürfte die MTB-Szene noch mal ziemlich derb treffen. Die Chance eine Heim-WM zu fahren, wird auf sich warten lassen. Die Älteren, wie Manuel Fumic, Elisabeth Brandau oder Adelheid Morath werden sie aber sicher nicht mehr bekommen.
Wie kam es zu dieser Entscheidung und warum zum jetzigen Zeitpunkt?
Man habe zunächst eine Verschiebung angestrebt heißt es in der heute Vormittag verbreiteten Presse-Mitteilung aus Albstadt, doch die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie führten letztlich zum Entschluss abzusagen.
Die Weltmeisterschaften in Albstadt hätten ursprünglich vom 25. bis 28. Juni stattfinden sollen. Doch wegen der Einschränkungen zur Eindämmung der Verbreitung des neuen Corona-Virus hatten die Verantwortlichen die Austragung Ende März die Austragung zu diesem Zeitpunkt abgesagt.
Damals reichten die Verbote zwar noch nicht so weit, doch die Prognosen waren schlecht genug. Was damals manchen als verfrüht erschien, stellte sich alsbald als realistisch heraus. Eine Austragung Ende Juni ist inzwischen tatsächlich unmöglich geworden.
In diesem Zusammenhang wurde auf Gespräche mit der UCI verwiesen, in denen einer neuer Termin erörtert werden sollte. Am liebsten wäre den Albstädtern wohl eine Verlegung nach 2021 gewesen. Nachdem das italienische Val di Sole eine Rückgabe seiner Austragungsrechte 2021 jedoch ablehnte, wurde der 1. bis 4. Oktober 2020 ins Auge gefasst.
Klare Signale aus der Politik
Letztlich sahen die Stadt Albstadt, die UCI und der BDR mit Blick auf die Entwicklungen der Corona-Pandemie aber keine Chance die WM in Deutschland neu zu terminieren. Fünf Monate vor dem möglichen Ersatz-Termin scheinen die gesundheitlichen und damit zusammenhängend auch die wirtschaftlichen Risiken zu groß.
Mit wie viel Zähneknirschen bei allen Beteiligten das „Einvernehmen“ im Hintergrund zustande gekommen ist, darüber lässt sich im Moment nur spekulieren. Auch wenn möglicherweise nicht alle Beteiligten zum jetzigen Zeitpunkt einer Meinung waren: im Lichte der aktuellen Gegebenheiten, muss man bekennen, dass die Entscheidung sicher nicht der Laune einzelner Funktionsträger entspringt.
In Deutschland (und weiten Teilen der Welt) Situation in punkto Veranstaltungen hat sich seit Ende März leider nicht entspannt. Im Gegenteil.
BDR-Präsident Rudolf Scharping verweist in seinem Statement auf „klare Signale aus der Politik, dass auch im Oktober international noch mit gravierenden Reisebeschränkungen zu rechnen ist.“ Nach Bewertung der Lage habe es „keine Alternative“ gegeben.
Schon mit dem Verbot von Groß-Veranstaltungen (wie auch immer definiert) bis Ende August, der Absage des Oktoberfests in München, dem Verbot im Oktober den Marathon-Lauf in Berlin durchzuführen, wuchsen Zweifel. Selbst die olympischen Spiele 2021 werden schon in Frage gestellt. Wie zur Bestätigung kam am gestrigen Mittwoch auch die Absage der Straßen-DM in Stuttgart, wo eine Neu-Terminierung ebenfalls als für zu risikoreich gehalten wurde.
Die Landesregierung Baden-Württemberg will (oder kann) zum jetzigen Zeitpunkt zwar keine definitive Aussage treffen, doch auch aus Albstadt wird bestätigt: ermutigt wurde man nicht.
Völlig unklar und unsicher: Die Reisebeschränkungen im Oktober
Von den Reisebeschränkungen weiß niemand wie weit sie noch reichen und unter welchen Bedingungen sie gelockert werden. Auch außerhalb Deutschlands. Zwei Wochen Quarantäne für Einreisende, sagen wir mal: aus Italien oder Spanien? Oder aus den USA? Könnte man unter solchen Umständen eine WM austragen? Selbst wenn man auf den einen oder anderen Gerechtigkeitsaspekt verzichtet?
Für das Organisations-Komitee in Albstadt hätte eine WM auch nur mit Zuschauern einen Sinn gemacht, das stellten die Verantwortlichen immer wieder klar. Nicht nur weil die Einnahmen ein wichtiger Finanzierungsbaustein waren.
Die Kosten, die Chancen und das Risiko
Sich jetzt für den Oktober-Termin zu entscheiden, hätte für Albstadt bedeutet, den Zug neu ins Rollen zu bringen. Verträge mit einem Gesamtvolumen von über einer Million Euro, von denen sich nur manche mit einer Ausstiegsklausel organisieren lassen. Gepaart mit einer reduzierten Einnahmen-Seite. Vermutlich weniger Zuschauer und vor allem der Rückzug einiger Sponsoren hätten ein Loch in die Kasse gerissen.
Jo Triller, Leiter des Sportamts der Stadt, bei dem die organisatorischen Fäden zusammen laufen, ließ durchblicken, dass etwa die Hälfte der Sponsoren eher zurückhaltend auf eine nochmalige Unterstützung reagierten.
Sicher bedeutet eine WM eine fast einzigartige Gelegenheit Stadt-Marketing zu betreiben und die arg gebeutelte Tourismus-Branche hätte eine Oktober-WM sicher begrüßt. Das steht auf der anderen Seite. Aber nur, wenn die Weltmeisterschaften im Bullentäle tatsächlich stattgefunden hätten.
So bedauerlich und enttäuschend die Absage der ersten MTB-WM in Deutschland seit 25 Jahren auch ist, den Entscheidungsträgern muss man zugestehen, dass sie mit einem unkalkulierbaren Risiko konfrontiert waren.
UCI ist mit Ersatz-Veranstalter im Gespräch
Natürlich schmerzt das Aus auch die Verantwortlichen. Von „viel Herzblut“ spricht Jo Triller in einem Interview mit der Badischen Zeitung, das er vor einer Woche gegeben hat. Man „brenne“ in Albstadt für das Thema Mountainbike, das habe man mit dem Bike-Marathon und dem Weltcup bewiesen. Umso härter die Chance auf die, das Engagement krönende, WM jetzt liegen lassen zu müssen.
Es mag fünf Monate im Voraus wie eine verfrühte Festlegung wirken, doch letztlich musste zeitnah eine Entscheidung getroffen werden. Die UCI versucht den internationalen Kalender für Herbst (neu) zu planen. Die WM hat Vorrang und die UCI spricht in ihrer eigenen Pressemitteilung davon, dass man weiter versuche eine WM 2020 durchzuführen. Beim Weltverband hat man wohl parallel die Fühler nach einem Ersatz-Veranstalter ausgestreckt hat.
Sollte es den tatsächlich geben, dann benötigt der auch Vorlauf-Zeit, genauso wie die Weltcup-Events, die in den Herbst verschoben werden sollen – oder wollen, wie etwa Nove Mesto. Bis Juli warten, war also keine Option.
Dass die UCI noch möglichst viele Veranstaltungen durchziehen möchte, ist verständlich. In Aigle, Schweiz, geht es schon um existenzielle Fragen. Doch inzwischen wackelt ja selbst die verschobene Tour de France (29. August bis 20 September), nachdem die Regierung in Frankreich Großveranstaltungen nicht vor September erlaubt.
„Albstadt bleibt Mountainbike-Hochburg“
Immerhin, das scheint in der Pressemitteilung durch, in Albstadt bleibt man dem Mountainbike-Sport verbunden. Die Bewerbung für den Weltcup-Kalender 2021 und 2022, für die man sich am 12. März entschieden hat, wird aufrecht erhalten. Ob man den Zuschlag erhält, wird voraussichtlich im Juni bekannt werden.
„Albstadt ist und bleibt eine Mountainbike-Hochburg. Wir wollen diesen einzigartigen Sport auch zukünftig in Deutschland präsentieren und voranbringen“, heißt es von Oberbürgermeister Klaus Konzelmann.
Und von BDR-Generalsekretär Martin Wolf verbindet die Enttäuschung mit Zukunftsperspektiven: „25 Jahre nach der letzten (deutschen) MTB-Weltmeisterschaft in Kirchzarten eine solche Entscheidung treffen zu müssen, ist traurig, vor allem auch für unsere aktiven Mountainbiker, die sich seit zwei Jahren auf dieses Highlight gefreut haben.“
Und weiter: „Wir waren uns aber einig, dass wir damit dem MTB-Sport seine Heimat im „Bullentäle“ retten können. Weltcups sind für 2021 und 2022 bereits wieder in der Planung und warum sollte es in ein paar Jahren nicht einen erneuten WM-Anlauf geben. Ronja Eibl als Lokalmatadorin jedenfalls ist jung genug, um auch dann noch als ‚Champion in Albstadt’ für Furore zu sorgen.“
Nächste Chance erst 2026
Wenn es den Weltcup in Albstadt 2021 tatsächlich gibt, wird dem deutschen Mountainbike-Sport wenigstens der so wichtige Standort gerettet. Die Heim-WM zu verlieren, auf die man seit Jahren hin gefiebert hat, ist ein schwerer Schlag für die deutsche Cross-Country-Fraktion. Gemessen an den vielen, vielen härteren Auswirkungen der Corona-Pandemie allerdings auch wieder zu verkraften. Vor allem, wenn es in Albstadt mit dem Weltcup weitergehen kann.
Eine nochmalige Bewerbung für eine WM, was man in der Gemeinde auf der Schwäbischen Alb nicht ausschließen will, ist allerdings frühestens für das Jahr 2026 möglich. Bis dahin sind alle Titelkämpfe schon vergeben.
Offenlegung: Der Autor ist Teil der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der WM