Bundesliga Heubach Nachgedreht: Schlangenlinien und Rechenfehler
Warum zwei Favoriten beim BiketheRock das Feld verließen
Von Rekord, Herzblut und Schutzgebieten, von einer Erklärung mit Ironie und Sarkasmus. Warum gutes Wetter ein Nachteil sein kann. Von einem grandiosen schwäbischen Uhrwerk. Vom Sitzfleisch, von einer Strategie zur Selbstüberlistung und anderen weniger erklärbaren Dingen. Vom Bundesliga-Auftakt beim BiketheRock in Heubach nachgedreht, was hier noch nicht geschrieben stand.
Das 18. BiketheRock powered by KMC war erneut eines von der feineren Sorte von Events der Cross-Country-Branche. Der Bundesliga-Auftakt in Heubach war wieder das gewohnt facettenreiche Wochenende, das man in Deutschland so sonst nirgendwo findet. Mit 930 Teilnehmern verzeichnete man über alle Wettbewerbe hinweg einen Teilnehmer-Rekord. Und an der sportlichen Güte-Klasse ließ es nicht zu wünschen übrig.
„Man spürt, dass die Macher in Heubach mit Herzblut dabei sind“, sagte Weltmeister Nino Schurter und Lars Forster sprach von einem Event, der Spaß macht.
Was den beiden Schweizern weniger Spaß macht ist der „Old-School-Kurs“. Aber an dem gibt es nach wie vor kein Vorbeikommen, so sehr sich Eckhard Häffner und sein engagiertes Team das auch wünschen würden. So viel Anstrengungen in dieser Richtung auch schon unternommen wurden. Keine Chance. Einer alternativen Streckenführung stehen einfach Schutzgebiete im Weg.
Würde man den Kurs noch auf modernen Standard bringen, dem BiketheRock würden mit seinem Charme und seiner freundlich-witzigen Atmosphäre noch mehr Fans unter den Fahrern gewinnen. Es gibt sie natürlich auch so. Maja Wloszczwoska (Kross Racing) verschickte via Interview eine Liebeserklärung. „I love this course“.
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In eine Portion Selbst-Ironie und eine Prise Sarkasmus verkleidete Jolanda Neff (Kross Racing) auf einem Instagram-Post die Enttäuschung über ihr DNF beim BiketheRock. Die Weltmeisterin konnte schon am ersten Anstieg das Tempo, das Elisabeth Brandau und Konsorten anschlugen, nicht mitgehen und stieg zu Beginn von Runde zwei aus. Sie verschwand vom Gelände und ging auf der Straße ausrollen.
Neff schreibt davon, dass sie die Farben auf ihrem rechten Bein, genauer: auf dem Oberschenkel, schon ganz nett finde, sie aber doch lieber auf dem Trikot als auf der Haut sehen würde. Und falls irgendjemand wüsste wie man pedalieren könne, ohne das Bein
zu beugen, soll man ihr das bitte sagen. Sie hätte das noch nicht herausgefunden. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Prellungen im Oberschenkel sind noch nicht verdaut und die Schmerzen (sufferfest) seien dann doch unwirklich groß geworden.
Am Streckenrand bestätigte der Schweizer Nationaltrainer Bruno Diethelm den Kopf. „Nein, die Prellung bei Jolanda ist noch nicht wieder gut.“
Auch bei den Herren strich ein Mitfavorit frühzeitig die Segel. Julien Absalon (Absolute Absalon) verabschiedete sich ebenfalls in Runde zwei. „Kein guter Tag“, nannte der Franzose das. Die Sonne, die über Heubach schien, wurde ihm zum Verhängnis, respektive der Pollenflug. „Ich war nicht in der Lage zu atmen“, bedauerte Absalon, der sich im Vorfeld so überaus motiviert gezeigt hatte.
Auch seinem Teamkollegen Neilo Perrin Ganier ging es nicht gut. Der Mitfavorit wurde im U23-Rennen nur 26.
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Ondrej Cink (Primaflor-Mondraker) hatte nachgemeldet. Deshalb hatte ihn erst mal niemand auf dem Schirm. Außerdem musste der Tscheche von ganz hinten starten, weil er nach seinem einjährigen Profi-Intermezzo auf der Straße keine Weltranglistenpunkte mehr hat. Cink war nach einer Runde Zwölfter, dann fuhr er drei Runden lang schneller als die Spitze und schloss Anfang von Runde fünf im Anstieg zu den führenden Nino Schurter und Lars Forster auf. Und dann?
Cink grinste. „Ja, ich habe bei meiner Aufholjagd schon überzogen und konnte dann einfach nicht mehr mitgehen. Aber ich muss zur Zeit so viel Punkte wie möglich holen.“ Dieses Jahr müsse er auch jedes mögliche Rennen fahren, nächstes Jahr könne er sich dann wieder aussuchen. Am Ende durfte er als Fünfter immerhin noch die stimmungsvolle Siegerehrung miterleben.
Vor ihm lag noch Marcel Guerrini (Focus XC). Der war konstant und mit drei enorm schnellen letzten Runden noch an die vierte Position nach vorne gefahren. „Die Form kann nicht so schlecht sein. Diese Strecke ist zwar speziell, aber eine gute Basis brauchst du hier auch“, meinte Guerrini, der schon im Vorjahr in Heubach Fünfter war.
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Mit dem Zählen hat es nicht ganz geklappt bei Ramona Forchini (jb Brunex Felt). Die Schweizerin musste im Ziel lachen, als sie von ihrem kleinen Missgeschick erzählte. In der vorletzten Runde attackierte sie am Berg – im Glauben es sei das letzte Mal, dass sie den „Pain Trail“ bewältigen müsse. Oh ja, da wurde die tatsächlich letzte Runde dann noch schmerzhafter. „Aber es ging noch“, grinste Forchini nach ihrem Rechenfehler. Und mit ihrem sechsten Platz war sie auch „sehr zufrieden.“
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Ein weiterer Kandidat aufs oberste Podest stieg zwar nicht aus, war aber nicht in der Lage die Erwartungen zu erfüllen. Anton Cooper (Trek Factory Racing) fühlte sich von Beginn an nicht gut und lag nach drei Runden nur an zwölfter Stelle. In der Abfahrt hatte er sich einen Reifendefekt geholt, den er zu Beginn von Runde vier selber beheben musste. Fast drei Minuten verlor er dadurch, wenn man sich das Rundenprotokoll anschaut. Er wurde erst mal auf einen Platz jenseits der 25 zurückgeworfen. Doch danach muss er sich irgendwie eingerollt haben. Die vorletzte Runde die achte Zeit und die Letzte dann die zweitschnellste belegen das.
Schlecht kann die Form bei Cooper nicht sein, denn er hat ja voriges Wochenende das Sea Otter Classic gewonnen. Vielleicht war es einfach der Jetlag, der noch am Wirken war. Vielleicht ist der Neuseeländer ja einfach aufgewacht. Je später der Tag, desto besser wird’s ja, wenn man aus Nordamerika kommt.
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Cooper gewann den Sprint gegen Georg Egger (Lexware Mountainbike Team) um Rang 18. Der DM-Dritte war nach einer Woche ohne Training auf dem Bike gar nicht unzufrieden. Probleme mit dem Sitzfleisch hatten ihn zu alternativem Training gezwungen. „Der Kreislauf war nicht so in Schwung wie sonst. In Anbetracht der Umstände und auf dieser Art von Strecke bin ich sehr zufrieden mit meinem Resultat“, kommentierte Egger.
Das war auch Martin Gluth (Silverback-OMX). Der Freiburger bestritt nach dem Cape Epic sein erstes Rennen und ist auch nicht gerade ein Spezialist für lange Anstiege. Er wurde 17. und konnte damit leben. Am Start hielt er sich zurück, investierte in Runde zwei und fuhr dann den Rest fast komplett auf der gleichen seiner Position das Rennen zu Ende. „Ich habe noch nichts Intensives trainiert“, so Gluth. „Bis Albstadt passt das schon.“
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Noch besser war einer, von dem das wohl kaum jemand erwartet hätte. Sven Strähle von TeamGerman Technology Racing lieferte für seine Verhältnisse ein ganz grandioses Rennen ab. Strähle, der aus dem nur wenige Kilometer entfernten Böbingen kommt und damit in Heubach DER Lokalmatador ist, ließ als 13. doch einige Arrivierte hinter sich.
Er fuhr wie ein Uhrwerk von Position 28 nach einer Runde in Regionen, die man ihm kaum zugetraut hätte. Sicherlich spielte der Heimvorteil eine Rolle, doch der alleine bringt ja auch nicht sieben Mal den langen Anstieg hoch.
Felicitas Geiger (M-Wave Pro Team) landete auf Platz 14. Das ist für die Deutsche U23-Meisterin einem stark besetzten Feld schon ganz gut. Aber was sich bei näherem Hinschauen verbirgt, lässt staunen.
Geiger fuhr in Runde fünf von sechs die neuntschnellste Zeit und dabei eine halbe Minute schneller als in Runde vier. In der Schlussrunde markierte sie sogar die viertbeste Zeit und war noch mal 40 (!) Sekunden schneller als die Runde zuvor.
Wie das? „Also das kann ich selbst nicht ganz erklären“, sagt Felicitas Geiger. „Runde eins bis fünf waren einfach nicht gut. Weder bergauf noch bergab,… aber in der letzten Runde sind einfach die Beine aufgegangen und ich hatte nochmal richtig Druck.“ Vorher hätte sie auch immer jemand vor sich gehabt, den sie passieren musste. Also aufgehalten wurde.
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Hanna Klein, die seit dieser Saison unter dem Titel Scott-Sparkasse ihre Rennen fährt, war im Ziel ganz schön angeknockt. Die Freiburgerin hatte als 18. die Ziellinie passiert. „Ich bin noch nie so in den roten Bereich reingefahren wie heute“, sagte sie in kraftloser Tonlage. „Es war, wie wenn ich Kreislauf-Probleme habe.“
Dabei hatte es ganz lange nach einem ihrer besten Heubach-Auftritte überhaupt ausgesehen. Nach drei Runden lag sie an zehnter Stelle. „Dann habe ich gemerkt, oh, oh, das wird noch hart“, erzählte Klein. Sie fiel auf einen Platz zurück, doch auf dem ging sie in die Schlussrunde. „Ich musste Schlangenlinien fahren“, berichtete sie vom letzten Anstieg.
Der Grund klingt etwas kurios. Hanna Klein hatte eine Übersetzung gewählt, die sie zwang mit Kraft den Berg hoch zu treten. Quasi eine Art Selbstüberlistung. „Ich habe das einfach mal riskiert. Das war in den ersten Runden super. Aber irgendwann hat mir dann der kleinere Gang gefehlt.“ So bleibt ein halbes Rennen mit einem guten Gefühl. Die zweite Hälfte ist das, was sie sich per Training noch aneignen müsste.