EM Brünn Nachgedreht: Ehemalige General-Manager..

…andere Motorklassen und EM-Medaillen über 20 Jahre

Die deutschen Starter sind in den Sonntags-Texten bereits gewürdigt, deshalb nur noch mal ein Blick über die Grenzen hinweg. Zur EM-Bilanz und der – vielleicht 100. offiziellen – Medaille für ein Nachbarland, zu Favoriten, die abgeräumt werden, zu einem Routinier, der sein Repertoire nutzt und seine eigenen Rechnungen anstellt. Wenn einer vom General-Manager zum Putzpersonal degradiert und trotzdem geliebt wird, über niederländische Kriterien-Jagd, wenn sich was „fremd“ anfühlt und fehlende Erholung. Nachgedreht, alles was wir sonst noch erfahren haben und hier noch nicht geschrieben stand.

 

Die Europameisterschaften in Brünn waren ein Erfolg. Gut organsiert und Eintritt verlangt haben sie nicht und am Sonntag kamen anstatt des angekündigten Regens die ungezählten Zuschauer in Strömen. Die Stimmung an der Strecke war etwa so, wie man es von belgischen Cyclo-Cross-Rennen kennt, jedenfalls mit viel Begeisterung, die sich im Lärmpegel ausdrückt. Auch mit diversen Schlagwerkzeugen, Hupen und Motorsägen.

Die wievielten Auflage der MTB-Europameisterschaften das war, das konnte nicht mal der Pressesprecher des Europäischen Radsportverbands Stefano Bertolotti sagen. Ab wann es eine offizielle EM gab? Dafür müsse er erst ins Archiv steigen. Es gab jedenfalls welche vor 1991, aber ob die schon unter UEC-Regie liefen? Who knows?

Die Schweizer addierten zu ihrer ohnehin schon überragenden Bilanz sieben weitere Medaillen, vier Goldene, drei Silberne. Wenn man ab 1991 rechnet, dann war die Silberne von Florian Vogel genau das 100. EM-Edelmetall in den Cross-Country-Disziplinen und im Eliminator, 55 davon in Gold.

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Florian Vogel auf dem Weg zur achten EM-Einzel-Medaille ©Traian Olinici

Florian Vogel (KMC Ekoi Orbea) stellte seine Silber-Medaille in einen größeren Zusammenhang. 20 Jahre nach seiner ersten EM-Medaille, 1999 in Porto de Mos (Portugal) als er Junioren-Bronze gewann, sei er immer noch konkurrenzfähig. „Dass mir das jetzt noch gelingt, erstaunt mich eigentlich selber. Ich hätte mir das nie erträumt“, meinte Vogel und zog einen weiteren Kreis.

„Ich war in meiner Karriere ein starker Fahrer, habe zwei Weltcups gewonnen, aber ich hatte nie die Klasse wie ein Schurter oder Absalon oder wie die alle heißen. Womit ich mir aber ein Denkmal setzen kann, ist vielleicht, dass ich es immer wieder schaffe einen kleinen Erfolg zu landen. Mir bedeutet das extrem viel, so lange Zeit zu den Besten zu gehören.“

An diesem Tag im Bikepark Anthropos habe die Routine eine wesentliche Rolle gespielt. Es sei klar gewesen, dass Mathieu van der Poel an einem normalen Tag nicht zu schlagen sei, weil er „eine Motorklasse höher“ fährt. Also habe er gar nicht versucht Attacken mitzugehen, sondern versucht aus seinem „Repertoire“ zu machen. Vogel fuhr sein Tempo und erst als es bei den Verfolgern zusammen fiel, griff er an. Am Ende wurde ihm seine vierte EM-Medaille in der Elite und seine Achte insgesamt um den Hals gehängt.

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Olympiasieger Jaroslav Kulhavy flog etwas als unter dem Radar, was das Renngeschehen angeht. Nicht aber für seine tschechischen Landsleute, die ihn anfeuerte, als würde er um die Goldmedaille mitmischen. Das sei für ihn eine Überraschung gewesen, erzählte er dem tschechischen Kollegen Jan Nemec. Er hatte mit Liebesentzug gerechnet, weil die Erfolge schon längere Zeit ausgeblieben sind.

„Ich fühle mich wie ein General-Manager, der zum Putzpersonal degradiert wurde“, sagte er im Interview. Warum er so degradiert wurde, sein Körper die intensiven Bereiche nicht mehr verträgt, bleibt aber nach wie vor ungeklärt. Er selbst glaubt, dass er Verletzungen und Krankheiten nicht genügend auskuriert hat, dass die Balance nicht stimmte zwischen Belastung und Erholung.

 

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Reto Indergand, hier noch hinter Georg Egger ©Traian Olinci

Reto Indergand (BMC Racing) war am Ende als Fünfter zweitbester Schweizer, obschon es lange nicht danach aussah. Vor ihm fuhren Thomas Litscher und erst mal auch Andri Frischknecht. Vor allem sah es nicht nach einem fünften Platz aus, doch Indergand hielt sein Tempo, konnte in den beiden Schlussrunden noch zulegen und dadurch eben Litscher noch einsammeln, genauso wie Ondrej Cink, der sein Pulver in den letzten beiden Runden verschossen hatte und nur als Zwölfter das Ziel erreichte.

„Ich wollte gut starten, aber nicht überziehen. Dann hatte ich einen guten Rhythmus und konnte ihn durchziehen“, freute sich Indergand über die Wiederholung seines fünften Rangs von Glasgow 2018.

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Thomas Litscher (KMC Ekoi Orbea) kämpfte in den Medaillenrängen, zeigte sich bisweilen sogar an der Spitze, am Ende reichte es dennoch nur zu Rang acht. „Ich bin halt einer von der ‚Ich-probier’s einfach’-Sorte“, meinte er im Ziel erschöpft. „Dreimal bin ich gestorben, dreimal bin ich wieder aufgestanden.“ Soll heißen: dreimal war er abgehängt, dreimal tauchte er wieder in der Gruppe auf, die um Silber und Bronze kämpfte. Am Ende aber verspulte es ihn dann doch. „Es fehlt nur wenig, um wieder vorne dabei zu sein“, konstatierte Litscher.

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Thomas Litscher, hier vor dem neuen Europameister Mathieu van der Poel ©Traian Olinici


Gerhard Kerschbaumer (Torpado-Ursus) war als Mitfavorit gestartet, doch am Ende stand nur ein 16. Platz zu Buche. Kerschbaumer lag zu Beginn in der Spitzengruppe, konnte aber van der Poels Tempo-Verschärfung nicht mitgehen und war dann lange auf Platz 26, 27 unterwegs, ehe es noch mal vorwärts ging und er in der Schlussrunde die Bestzeit markierte. „Ich bin eigentlich in guter Form, deshalb ärgert es mich sehr. Vielleicht ist das auch ein gutes Zeichen für das kommende Rennen“, schreibt Kerschbaumer auf Instagram. Das ist dann der Weltcup in seiner italienischen Heimat.

Luca Schwarzbauer sah sich im Ziel nach dem Südtiroler um, er hätte sich gerne entschuldigt. „Ich habe ihn abgeräumt“, gestand der Lexware-Fahrer. „Es tut mir leid, aber ich habe ihn einfach nicht gesehen.“ Vermutlich rechnet man gegen Ende des Rennens in den 20er-Rängen nicht einem solchen Tempo eines Konkurrenten.

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Anne Terpstra (Ghost Factory Racing) hätte beinahe noch mal Anschluss an die Medaillenränge geschafft. Doch die Niederländerin schaffte es nicht ganz die Lücke zu Yana Belomoina und Elisabeth Brandau zu schließen.

„Ich habe mich gestern nicht so gut gefühlt und war deswegen nicht ganz sicher über meinen Körper. Ich habe es natürlich versucht, aber bin einfach nicht ran gekommen. Mit Platz vier bin ich aber zufrieden“, meinte Terpstra.

Hauptziel von Terpstra an diesem Tag war aber das Erfüllen des Olympia-Kriteriums. Sie hatte die EM als eines von drei Rennen ausgewählt, in denen sie die Norm erfüllen wollte. Top-Ten hätte genügt, deshalb war diese Pflicht auch erfüllt.

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Ihre Landsfrau Sophie von Berswordt vom Schweizer Team jb Brunex-Felt hätte die Norm auch beinahe geknacht, obschon sie sich eigentlich nur die Top 15 vorgenommen hatte – was die WM-Norm bedeutet. Doch dass sie dann mit 47 Sekunden Rückstand auf den zehnten Platz von Tanja Zakelj (Unior Tools) als Elfte so knapp scheiterte, bedauerte sie dann aber doch. Zumal sie sich auch noch per Durchschlag im Rock Garden einen Plattfuß eingehandelt hatte.

„Ich muss einfach was draus lernen und noch stabiler werden“, wandte sie den Blick wieder nach vorne.

Allerdings wäre sie aktuell nur die dritte niederländische Frau, bei aller Voraussicht nach nur zwei Startplätzen. Anne Tauber war ja bei der EM nicht am Start, hat aber die Norm auch schon erfüllt.

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Start der Damen, mit Ramona Forchini vorneweg ©Max Fuchs/EGO-Promotion

 

Maja Wloszczowska (Kross Racing) ging nach langer Pause „ohne Erwartungen“ in die EM, auch wenn sie eine Woche zuvor bei den polnischen Meisterschaften ein gutes Comeback gefeiert hatte. Erst mal habe es sich auch fremd angefühlt in der Masse, um Positionen kämpfend. „Aber dann habe ich mich langsam wieder an der richtigen Stelle gefühlt und bin immer weiter nach vorne gefahren“, schreibt die Ex-Weltmeisterin auf Instagram.

Am Ende fehlten nur 39 Sekunden auf Silber. Das dürfte sie ermutigen, genauso wie die vielen freundlichen Worte der Konkurrentinnen, die sie willkommen hießen. „Ich weiß das sehr zu schätzen“, so Wloszczowska.

 

Alessandra Keller (Thömus RN) mischte das halbe Rennen lang im Kampf um die Medaillen mit. Sie war die erste Widersacherin von Elisabeth Brandau, nachdem sich Jolanda Neff auf und davon gemacht hatte. Keller konnte das Niveau nicht bis zum Schluss durchhalten, war mit ihrem Ergebnis aber durchaus zufrieden.

„Das ist nach der langen Pause wieder ein Schritt nach vorne“, konstatierte Keller und zog als Sechste zufrieden von dannen. Sie hatte Anfang Mai an beiden Armen einen Handwurzelknochen gebrochen.

 

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Ein Schritt nach vorn: Alessandra Keller ©Max Fuchs/EGO-Promotion

Ramona Forchini (jb Brunex-Felt) war als 16. etwas hinter den eigenen Möglichkeiten zurückgeblieben. Nach Les Gets habe sie sich nicht richtig erholt, erklärte Forchini und das ganze Rennen nie zu ihrem Rhythmus gefunden. „Der Puls ging auch nicht hoch“, sagte sie. Was auf schon auf eine nicht ausreichende Erholung schließen lässt. „Kann sein, dass ich einfach länger brauche.“ Auf die Ermüdung hatte sie mit reduziertem Training durchaus reagiert.

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Corina Gantenbein (RDR Factory Racing) beendete die EM auf Platz 19. „Na ja, gemessen an dem, wo ich vor zwei Jahren war, ist das natürlich nichts besonderes. Aber ich denke, es ist wieder ein kleiner Schritt zurück“, meinte sie im Ziel.

Gantenbein hatte aufgrund des Pfeifferschen Drüsenfiebers lange pausieren müssen.

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