Frankreich: Mission Tokyo startet mit vier Athlet*innen

Die Grande Nation schickt zwei Elite-Weltmeister*innen und die zwei Weltcup-Sieger*innen von Albstadt auf die Reise nach Japan

Stell Dir vor, Du bist Dritter der aktuellen Weltmeisterschaften und darfst trotzdem nicht zu den Olympischen Spielen. Genauso dürfte sich momentan der Franzose Titouan Carod (Absolute Absolon-BMC) fühlen, aktuell mit 892 Punkten Elfter der Weltrangliste, zuletzt Neunter beim Weltcup in Nove Mesto na Morave / CZE und eben Dritter der Weltmeisterschaften 2020 in Leogang / AUT im vergangenen Herbst. Dazu amtierender Europäischer und Französischer Vizemeister. Zweifellos einer der besten Cross-Country-Fahrer Frankreichs. Und doch wird er das olympische Mountainbike-Rennen am 26. Juli wohl vom Fernseher aus betrachten müssen. Frankreich hat ein Luxusproblem.

Victor Koretzky: Sieg in Albstadt © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
Victor Koretzky: Sieg in Albstadt
© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Nur zwei Startplätze für die französischen Männer
Die Grande Nation, vielmehr die altehrwürde Fédération Française de Cyclisme (FFC), hat gestern ihre Olympianominierungen bekannt gegeben. Und da die Franzosen im Nationenranking der UCI mit 6.720 Punkte den Italienern (7.117 Punkte) deutlich im Kampf um den zweiten Platz unterlagen, dürfen sie nur zwei Männer zu den Olympischen Spielen nach Tokio schicken. Da hätte es auch nichts genutzt, hätte Carod beim Weltcup in Albstadt keinen so rabenschwarzen Tag erwischt und mehr als die drei Punkte eingesammelt, die er für seinen indiskutabel schlechten 76. Platz erhielt: „Einige Tage sind härter als andere, aber gestern war wohl der schlechteste überhaupt für mich“, schrieb der 27-Jährige auf Instagram: „Ich fühlte mich das ganze Rennen über komplett leer. Es war ein Kampf gegen mich selbst, überhaupt die Ziellinie zu erreichen.“

Und als er sie erreichte, hatte ein Landsmann von ihm schon gewonnen, und ihm wohl auch endgültig den Olympia-Startplatz weggeschnappt: Als Carod nach 1:29:28 h endlich die Ziellinie im Bullentäle erreichte, hatte Victor Koretzky (KMC-Orbea, ebenfalls 27) schon neun Minuten lang seinen Sieg gefeiert – und vielleicht auch seinen gerade errungenen Olympia-Startplatz.

Leistungen bei den Weltcups gaben den Ausschlag

Jordan Sarrou siegt bei der WM in Leogang / AUT © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
Jordan Sarrou siegt bei der WM in Leogang / AUT
© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Der zweite (oder vermutlich eher der erste) Startplatz geht an Weltmeister Jordan Sarrou vom Team Spezialized. Acrossthecountry.net wird demnächst Julien Absalon demnächst einmal nachfragen, ob es im Nachhinein nicht ein Fehler war, den Vertrag mit dem 29-Jährigen nicht über 2020 hinaus zu verlängern: Sarrou hatte schon vor der Weltmeisterschaft 2020 in Leogang bei Specialized unterschrieben, weil er von Absolute Absalon-BMC kein Angebot für 2021 bekommen hatte. Allerdings muss man auch sagen: so ganz sicher war der Startplatz in Tokio für den Weltmeister nicht: so schreibt die französische Sportzeitung L’Equipe: Es war der fünfte Platz in Nove Mesto, der schließlich für die Nominierungskommission den Ausschlag für die Nominierung Sarrous gegeben hatte. Die fünfköpfige Nominierungskommission unter dem Technischen Sportdirektor Christophe Manin hatte sich einstimmig für das Duo Sarrou/Koretzky ausgesprochen. „Bei den Männern hat sich die Sache durch die beiden Weltcup-Runden (die zur Verfeinerung der Auswahl dienten) quasi von selbst ergeben. Die Besten (Victor Koretzky, Sieger in Albstadt, und Jordan Sarrou, 5. in Nove Mesto) haben sich klar durchgesetzt“, sagte Manin nach der Sitzung der Kommission.

PFP siegt 2020 in NMNM © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
PFP siegt 2020 in NMNM
© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Frauen: zwei Weltmeisterinnen
Deutlich einfacher war die Nominierung der Frauen: hier standen eigentlich nur zwei Optionen zur Auswahl, die Elite-Weltmeisterin Pauline Ferrand-Prevot (Absolute Absalon) und die U23-Weltmeisterin Loana Lecomte (Massi), die drei der letzten vier Weltcups für sich entscheiden konnte. Allerdings wäre in der Weltrangliste auch die nächstfolgende Französin nicht allzu weit weg: die eher unbekannte Lena Gerault vom Team VCA Anjos Asterion liegt immerhin auf Platz 10 (zum Vergleich: die beste Deutsche Elisabeth Brandau (EBE) rangiert derzeit auf Rang 23 der Weltrangliste, Nadine Rieder (Ghost Factory Racing) als zweitbeste Deutsche auf Rang 54 und Nina Benz (jb Brunex Felt) auf Rang 57.

Loana Lecomte, bei ihrem Sieg in Nove Mesto 2021 © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
Loana Lecomte, bei ihrem Sieg in Nove Mesto 2021
© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Auch Französische Meisterin muss zu Hause bleiben
Allerdings kam Gerault, ihres Zeichens amtierende Französische Meisterin im Marathon und Cross Country 2020, bei beiden Weltcups bei weitem nicht an die Leistungen von Ferrand-Prevot und Lecomte heran: In Albstadt wurde sie 16., in Nove Mesto 19. Dennoch dürfte sich Gerault wohl ähnlich fühlen wie Carod. Frankreich hat ein Luxusproblem. Oder zumindest eine gute Ersatzbank.

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