Gstaad: Flückiger und Neff sind Schweizermeister 2021

Die Europameister Nino Schurter (Elite) und Joel Roth (U23) ergatterten nur Silber. Sturz eines Favoriten überschattet Junioren-Rennen

Tiefblauer Himmel strahlte am Sonntag über dem Flugplatz von Saanen, Austragungsort der Schweizermeisterschaften 2021. Und im Gegensatz zum vergangenen Jahr, als ein heftiger Wind das Tal herauf blies und so das fast zwei Kilometer lange Flachstück zu einem harten Kampf gegen den Windwiderstand machte, war es nur eine leichte Brise, die den Sportlern ins Gesicht wehte oder teilweise sogar von hinten kam. So war der Windschatten auf der Start-Ziel-Geraden nicht der entscheidende Faktor 2021, und es gelang entgegen den ursprünglichen Erwartungen einzelnen Fahrern, sich früh zu lösen und in einer langen Solofahrt das Rennen um das rote Trikot mit dem weißen Schweizerkreuz zu kontrollieren.

Start der Männer
Start der Männer / © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Männer: Solofahrt von Flückiger
Bei den Männern war das Mathias Flückiger (Thömus RN), der seinen Vorsprung auf eine meist dreiköpfige Verfolgergruppe immer weiter ausbauen konnte. Nach sieben Runden hatte der Jüngere der beiden Flückiger-Brüder einen Vorsprung von 1:14 Minuten auf Europameister Nino Schurter (Scott-SRAM). Der hatte sich erst in der letzten Runde von der großen Überraschung des Renntags, von Marcel Guerrini (im Trikot des italienischen Teams Torpado-Ursus) trennen können. Guerrini hatte sein großes Jahr 2016, als er zum letzten Mal in der U23-Klasse unterwegs war. Damals wurde er Schweizermeister U23, holten in der U23-Klasse den Weltcup-Sieg in Andorra und wurde jeweils Dritter bei der Europa- und Weltmeisterschaft und im Gesamt-Weltcup. Ein Jahr später konnte er sich noch in den Top20 der Elite bei der Europa- und Weltmeisterschaft behaupten, danach verschwand er ziemlich in der Versenkung. Aktuell ist er 105. In der UCI-Weltrangliste und damit gerade einmal zwölftbester Schweizer in der Elite-Klasse, bei den vergangenen beiden Weltcups in Albstadt und Nove Mesto belegte er die Plätz 39 und 35 – also nichts, was auf die Leistungsexplosion am Sonntag hätte hindeuten. Guerrini, mit Startnummer 10 ins Rennen gegangen, konnte aber in der dritten Runde zu den Verfolgern, zu denen zu diesem Zeitpunkt auch noch Schurters Teamkollege Lars Forster zählte, aufschließen und sich dort festbeißen. Erst ganz zum Schluss musste er Schurter ziehen lassen und erreichte 1:29 Minuten nach Flückiger das Ziel und die Bronzemedaille. Lars Forster musste sich mit der undankbaren Holzmedaille und dem vierten Platz begnügen (+ 2:03 min). Lukas Flückiger (Axxios-Infinity), mit 37 Jahren der älteste Fahrer im Feld, belegte nach einer fast ebenso langen Solofahrt wie sein Bruder den fünften Platz (+2:48). Medaillen-Kandidat Filippo Colombo (Absolute-Absalon – BMC) war nach seinem heftigen Sturz mit Beckenbruch in Albstadt in Gstaad nicht am Start.

Start der Frauen © Lukas Iseli / EGO-Promotion
Start der Frauen © Lukas Iseli / EGO-Promotion

Frauen: Taktische Spitzengruppe
Ganz anders entwickelte sich das Rennen der Frauen: deutlich taktischer ging Titelverteidigerin Jolanda Neff (Trek Factory) das Rennen über sechs Runden mit Start und Ziel am Flugplatz von Saanen an. Frisch neben Sina Frei (Specialized) und Linda Indergand (Liv Giant) zur Schweizer Olympiakandidatin gekürt war sie sich vermutlich bewusst, dass nach den Ergebnissen der letzten Rennen sie nicht unbedingt die Titelfavoritin war: nach ihrem schweren Trainingssturz im Winter 2019/20 hat sie scheinbar noch nicht an ihre damalige Form anknüpfen können. Deswegen hielt sich Neff bei der Führungsarbeit der dreiköpfigen Spitzengruppe merklich zurück. Linda Indergand war schon früh aus dem Rennen um den Titel ausgeschieden, als ihr in der ersten Runde die Kette runterfiel. Zwar konnte sie sich wieder bis auf 13 Sekunden an die Spitzengruppe heranarbeiten, den entscheidenden, kraftsparenden Sprung nach ganz vorne schaffte sie aber nicht. Am Ende reichte es für Indergand bei einem Rückstand von 2:21 min für den vierten Platz, fünfte wurde Marathon-Weltmeisterin Ramona Forchini (jb Brunex Superior). Bis zur letzten Runde blieb die Spitzengruppe von Neff, Freu und Alessandra Keller (Thömus RN) zusammen.

Alte und neue Schweizermeisterin: Jolanda Neff © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
Alte und neue Schweizermeisterin: Jolanda Neff
© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Vor allem Keller, mit ein bisschen Frust im Bauch, nur Ersatz für Olympia nominiert worden zu sein, zeigte sich als die aktivste Fahrerin. Zuerst musste Sina Frei abreißen lassen. Sie konnte den dauernden Attacken von Neff und Keller irgendwann nichts mehr entgegensetzen. Als sich dann Keller in einem Anstieg verschaltete, war der Weg frei für den erneuten Titelgewinn von Jolanda Neff. Am Ende zeigten sich beide glücklich: Neff über die Goldmedaille, Keller, dass sie ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt hatte.

Podium der U23-Männer: Roth - Balmer - Püntener © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
Podium der U23-Männer:
Roth – Balmer – Püntener
© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

U23
In der U23 war es eine klare Sache für Alexandre Balmer, wie Flückiger beim Thömus RN-Team unter Vertrag. Ebenso wie sein Teamkollege verwies er den Europameister auf den zweiten Platz: in der U23-Klasse also Joel Roth, der einer von drei Fahrer des Biketeams Solothurn, die auf den ersten fünf Plätzen landeten: Fünf Sekunden hinter Roth passierte sein Teamkollege Fabio Püntener die Ziellinie, Fünfter wurde Luca Schätti. Dazwischen schob sich noch Jannis Baumann (Trek-Pirelli) auf Rang vier.

Jaqueline Schneebeli © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
Jaqueline Schneebeli
© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Einen Erfolg konnte das jb Brunex Superior Team bei den U23-Frauen verbuchen: Es siegte die Favoritin Jaqueline Schneebeli (1:26:24) vor Ronja Blöchlinger (Fischer-BMC) und Noelle Buri (Thömus RN)

Auch bei den Juniorinnen ging der Sieg an das Thömus-RN-Team, allerdings an deren Nachwuchsteam, den Youngstars um Teamchef Marcel Kuratli: hier hieß die Siegerin Monique Halter. Sie konnte sich gegen die beiden Raiffeisen-Fahrerinnen Noelle Rüetschi und Lea Huber durchsetzen.

Für den Mitfavoriten Finn Treudler endete das Junioren-Rennen schon nach wenigen hundert Meter. Treudler wurde in einen Sturz verwickelt und landete unsanft auf dem Boden und anschließend im Krankenhaus: neben einer aufgeschlagenen Hüfte wurde auch ein gebrochener Finger diagnostiziert. Überraschungssieger wurde Jan Christen, ein Universal-Athlet auf dem Fahrrad: der junge Sportler (erstes Jahr U19) ist auch auf der Straße, im Cross und auf der Bahn erfolgreich. Den Namen wird man sich wohl mekren müssen. Platz 2 ging an Nils Aebersold (Roland), Platz 3 mal wieder an Thömus RN: diesmal wieder ein Nachwuchsfahrer von den Youngstars, Roman Holzer.

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