Marathon-Weltmeister Avancini und seine Botschaft
Interview: Tage, an denen du besonders tief gehen musst
Noch ein Avancini-Interview, aber wenn zum ersten Mal ein Brasilianer Weltmeister wird und beim Bericht von Rennen Zitate von ihm noch nicht verfügbar waren, dann mag das angemessen sein. Henrique Avancini sprach nach der Pressekonferenz der Marathon-WM in Auronzo di Cadore mit Armin M. Küstenbrück über seine Strategie und die Bedeutung seines Erfolgs.
Henrique, vergangene Woche bei der Cross-Country-WM in Lenzerheide warst Du Vierter. Würdest Du für eine Medaille dort das Regenbogen-Jersey im Marathon eintauschen?
Nein, ich sehe mich nicht als Cross-Country-Fahrer, Etappenfahrer, Short Track- oder Marathon-Spezialist. Oder wie auch immer man mich nennen will. Ich bin ein Mountainbiker. Ich liebe es Zeit auf meinem Bike zu verbringen, ich liebe es auf meinem Mountainbike zu arbeiten.
Für mich hat dieser Sieg vor allem eine Message, weil ich liebe was ich tu, weil ich hart dafür arbeite. Ich sehe nicht der Cross-Country-Racer oder Marathon-Fahrer oder was auch immer, besser ist als der andere. Ich liebe es mit dem Bike Rennen zu fahren und das ist es. Ich glaube, wenn du dich dafür entscheidest, deiner Leidenschaft zu folgen, dich zu verbessern, dann kannst du großartige Dinge erreichen.
Wofür Du nun ein gutes Beispiel bist.
Vor ein paar Jahren hätte niemand gedacht, dass ich eines Tages Weltmeister sein würde. Und dieses Jahr war ich auf dem Weltcup-Overall-Podium, habe einen Short-Track-Weltcup gewonnen, das Cape Epic auf dem Podium beendet, bin Weltranglisten-Zweiter und jetzt bin ich Weltmeister im Marathon. Das bedeutet für mich nichts weiter als eine Message: Tu was du liebst und tu es mit Leidenschaft.
Im Rennen warst Du nach der Hälfte mit Daniel Geismayr und mit Hector Paez vorne. Gib uns doch mal Einblick, wie es dann aus Deiner Sicht gelaufen ist.
Im ersten Teil habe ich nur versucht im Spiel zu bleiben. Das Rennen war unglaublich hart und das Tempo war höher als ich es erwartet hatte. Ich habe nur versucht an den besten dran zu bleiben und zu nutzen, was mir zur Verfügung stand. Ich hatte ein Fully und habe mir selbst erlaubt in einigen Anstiegen fünf, zehn Sekunden zu verlieren, um die im Downhill wieder zu schließen. So bin ich gefahren.
In den holprigen Passagen habe ich versucht Druck zu machen („put the hammer down“), um die Beine der Anderen ein wenig müder zu machen. Um ehrlich zu sein, im letzten Teil war ich ein bisschen müde. Aber ich habe gespürt, dass ich ziemlich nah dran war, etwas Großes zu erreichen. An solchen Tagen musst du tief gehen („dig deep“), musst du deinem Körper weh tun, weil es ein besonderer Tag ist.
Letztlich hast Du es geschafft.
Ich bin wirklich glücklich, weil es mir gelungen ist im letzten Teil die Situation zu meistern. An der Spitze des letzten Anstieg, haben sie mich abgehängt. Ich hatte etwa zehn Sekunden auf Geismayr und Paez. Aber ich wusste, wenn ich diese Lücke schließe, würde ich die beiden im Sprint schlagen können. Ich habe alles gegeben, was ich hatte, weil ich einfach die Chance nutzen wollte.
Ich bin super froh, weil das, wie gesagt, viel mehr ist für mich als eine Medaille. Es ist eine super Message für die Welt des Radsports. Deshalb bin ich wirklich happy über das, was ich erreicht habe.
War es schwierig eine Woche nach einer harten Cross-Country-WM diese lange Marathon-Distanz anzugehen?
Hmm, die ganze Saison ist hart. Manchmal sind wir eben ziemlich über der Schmerzgrenze, aber was mich antreibt ist meine Leidenschaft. Deshalb war ich motiviert vor einer Woche und war ich heute genauso motiviert. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Ich genieße, was ich tue. Wie ich schon sagte, es geht mir nicht drum Weltmeister zu sein. Mit meiner Saison sende ich eine Botschaft und das ist die größte Leistung, zu der ich in der Lage bin.
Ist deine Saison jetzt beendet?
Ich rechne damit, dass ich jetzt ziemlich viel zu tun habe die nächsten Wochen (lacht). Ich mache eine kleine Pause, bevor noch mal ein Trainingsblock kommt als Vorbereitung auf den Brasil Ride. Das ist ein sehr besonderes Rennen für mich. Ich fahre das mit Manuel Fumic, der für mich ein ganz besonderer Mensch in meinem Leben ist. Deshalb wird das ein ganz besonderes Rennen.
Ein längeres Interview gab Henrique Avancini acrossthecountry.net vor einigen Wochen.