Mediterranean Epic: Deutscher Dreifach-Sieg beim Bergzeitfahren
Auf der ersten Etappe siegt Marathon-Weltmeister Andreas Seewald (Canyon-Northwave) vor Georg Egger und Lukas Baum (Speedcompany). Ex-Weltmeisterin Ramona Forchini dominiert das Frauen-Rennen
Ein anstrengendes Bergzeitfahren eröffnete die 2022er Auflage des Mediterranean Epic, einem spanischen Vier-Etappenrennen der UCI-Kategorie SHC: über 19 km führte die erste Etappe von Oropesa del Mar nördlich von Valencia malerisch an der Mittelmeerküste gelegen hinauf auf den Bergrücken mit seinen Fernmeldeantennen auf 400 Meter über dem Meer (im wahrsten Sinne des Wortes), 550 Höhenmeter galt es bis oben hin zu überwinden. Und während unten am Strand strahlend blauer Sonnenschein herrschte, wehten oben über den Berg kalte Nebelschwaden.
Rohe Gewalt
Die beiden deutschen Speedcompany-Fahrer Georg Egger und Lukas Baum legten beide gleich ordentlich los. „Es ging heute einfach um rohe Gewalt und darum, wer die meiste Power hat über 45 Minuten“, beschrieb Baum die Anforderungen an die Fahrer auf der ersten Etappe. Den ersten von vier Kontrollpunkten erreichten die beiden fast in derselben Zeit von 13:19 Minuten (Egger, Baum +1s dahinter): eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 30,79 km/h vermeldete die Zeitmessung für den Sieger des Costa Blanca Bike Race vor zwei Wochen. Die Uhr von Weltmeister Andreas Seewald, als Führender im UCI Marathon Ranking als letzter ins Rennen gestartet, blieb erst 34 Sekunden später stehen. Gleiche Situation fünf Minuten später bei Checkpoint 2: Egger führt ex aequo mit Baum (18:43 min), Simon Stiebjahn (10:07 min) und Martin Frey (19:08 min) vom neuen Singer Racing Team liegen ebenfalls fast zeitgleich auf den Plätzen 5 und 6 schon deutlich dahinter, während Seewald seinen Rückstand in etwa konstant hielt, dabei sich aber von Platz 10 auf Platz 8 verbesserte.
Regenbogentrikot zu schnell
Doch dann dreht Baum auf: der Wahl-Franzose aus der Pfalz, ehemals Deutscher U23-Meister jagt den Berg hinauf. Zwischenzeit bei der dritten Zeitmessung: 26:44 min, Egger ist sechs Sekunden langsamer. Doch der 31-jährige Seewald ist noch schneller: der Weltmeister hat nur noch 24 Sekunden Rückstand auf Baum und zieht damit im Klassement an Stiebjahn und Frey vorbei. Bei der letzten Zwischenzeit überholt Seewald Baum bereits um zwei Sekunden, Egger liegt nun deutlich mit 13 Sekunden hinter Baum zurück. Den Fahrer im Regenbogentrikot kann wohl keiner aufhalten. Simon Stiebjahn hat an dieser Kontrollstelle 36 Sekunden Rückstand auf Seewald, der Österreicher Daniel Geismayr 38 Sekunden und Martin Frey 45 Sekunden.
Drei Deutsche auf dem Podium
Am Ende gewinnt der Weltmeister Andreas Seewald („Das erste Rennen der Saison tut immer weh!“) die erste Etappe in einer Zeit von 43:53 Minuten. Georg Egger, der noch einmal die zweite Luft bekam, passiert 24 Sekunden später als Zweiter die Ziellinie. Lukas Baum wollte das hohe Tempo nicht bis ins Ziel durchhalten und verliert auf den letzten Kilometern lange fünfzehn Sekunden auf seinen Teamkameraden und wird damit aber immer noch souveräner Dritter vor dem Belgier Wout Alleman (44:31 min, +38 s auf Seewald). „Ich hatte ein bisschen Angst zu überziehen und mich nicht getraut, mit voller Konsequenz zu fahren“, sagt er nach seinem Zieleinlauf. Bereut hat er diese Entscheidung allerdings nicht: „Schließlich geht das Rennen ja noch ein paar Tage.“
Prominenz in den Top Ten
Ex-Weltmeister Leonardo Paez wird Fünfter, Simon Stiebjahn wird mit einem Rückstand von 44 Sekunden auf Seewald Sechster: „Das ist ein guter Einstand! Ich kam gut durch den Winter. Dass es am Ende Platz 6 werden würde, hatte ich so nicht erwartet. Umso glücklicher bin ich natürlich.“ Martin Frey verliert insgesamt fast eine Minute (exakt: 55 s) Sekunden auf Seewald und wird als viertbester Deutscher Neunter. „Mit dieser Top-Ten-Platzierung bin ich zufrieden“, sagte Frey im Ziel. Er sei das Rennen kontrolliert angegangen und habe sich vor allem auf den Anstieg konzentriert: „Ich habe mir das Rennen gut eingeteilt. Das hat sich ausgezahlt.“ Eine kurzes Verfahren kostete ihm zehn Sekunden und damit wohl auch einige Plätze in der heutigen Tageswertung, wo noch alle dicht beieinander liegen. Zwischen die beiden schoben sich noch der Niederländer Hans Becking (7., +45 s) und der Österreicher Daniel Geismayr (Wilier-Pirelli) (8., + 49 s). Letzterer freute sich vor allem darüber, dass er nach seinem Horrorsturz auf der Schlussetappe des Andalucia Bike Race im Mai 2021 „endlich wieder Rennen fahren konnte.“ Der Vorarlberger hatte sich einen Bruch des Oberschenkelknochens zugezogen und musste operiert werden. „Ich wusste ja nach zehn Monaten Rennpause überhaupt nicht, wo ich stehe“, sagte er im Ziel gegenüber acrossthecountry.net. Dass er sich ein bisschen verfahren hatte und dabei einige Sekunden eingebüßt hatte, nahm Geismayr gelassen: „Wichtig ist, dass ich heute keine Schmerzen hatte: Das ist ein gutes Zeichen!“
Weltmeister war super motiviert
Auch Andreas Seewald zeigte sich im Ziel ganz zufrieden mit seiner Form: „Als Weltmeister ist man natürlich super motiviert“, beschrieb der Lenggrieser seine Einstellung zum ersten Rennen der Saison. „Ich war schon im Januar zum Trainingslager hier, die Vorbereitung verlief deutlich besser als im letzten Jahr“, erzählte er im Ziel. Allerdings hatte sich der Oberbayer die Strecke für das Bergzeitfahren noch nicht so genau angeschaut. Eine technische Passage zu Beginn des Rennens kostete ihm nach eigenen Angaben viel Zeit – was eben auch den Rückstand bei Kontrollpunkt 1 erklärt. „Aber der Berg war lang genug, um das wieder gutzumachen“, freute sich der Weltmeister über seinen Sieg. Sein Erfolg auf der ersten Etappe bedeutet aber auch, dass er bei der zweiten Etappe das weiße Trikot mit den Regenbogenstreifen unter dem blauen Leaderjersey des Mediterranean Epic verstecken muss. „Das richtige Rennen beginnt eh erst mit der Etappe morgen“, ordnet Seewald die Wertigkeit des Prologs ein. Auf der zweiten Etappe stehen 58 Kilometer und stolze 1.700 Höhenmeter auf dem Programm. Höhepunkt ist das Borriol-Massiv, wo es in einem langen Anstieg binnen sechs Kilometer fast 400 Höhenmeter am Stück den Berg hinauf geht. Dennach ist sich Georg Egger sicher: „Morgen wird es einfacher. Wenn man in der Gruppe unterwegs ist, behält man leichter den Überblick. Heute war es einfach Vollgas, aber man keinen Plan, wo man eigentlich steht.“
Forchini überrascht – vor allem sich selbst
Bei den Frauen sicherte sich die Schweizer Weltmeisterin von 2020 Ramona Forchini (jb Brunex Superior) den Sieg in einer Zeit von 53:15 Minuten. Damit führt sie vor der zweiten Etappe schon 56 Sekunden vor der amtierenden Europameisterin Natalia Fischer Egusquiza (BH Tempo), die im vergangenen Jahr ausgerechnet in der Schweiz in Evolène Steffi Häberlin und Forchini hinter sich gelassen hatte. Forchini fährt nun auch 96 Sekunden vor ihrer Landsfrau Janina Wüst, die 2022 vom Cross-Country auf die Marathon-Distanz umgestiegen ist: „Schritt für Schritt möchte ich mich der Weltspitze nähern und die beste Athletin werden, die ich sein kann“, schreibt die 27-jährige Wüst auf ihrer Homepage. Forchini sah sich dabei vor dem Rennen gar nicht in einer Favoriten-Rolle: „Das war für mich persönlich heute eine große Überraschung“, ließ die ebenfalls 27-jährige Schweizerin nach dem Rennen wissen. „Zum einen geht‘s fast alles berghoch, zum anderen hatte ich ein schlechteres Wintertraining als geplant mit Isolation, Quarantäne und zu allem Überfluss dann auch noch eine langwierige Erkältung. Ich bin gespannt auf die weiteren Etappen. Ich nehme Tag für Tag, wie es kommt, denn das Rennen beginnt erst jetzt.“
Richards und Hovdeank schon abgeschlagen
Fast zweieinhalb Minuten auf die Tagessiegerin büßte die aktuell Weltranglisten-Erste im Cross-Country, die Britin Evie Richards vom Trek Factory Racing Team auf der ersten und kürzesten der vier Etappen ein. Die Norwegerin Hildegunn Hovdenak, die noch vor zwei Wochen souverän wie Georg Egger das Costa Blanca Bike Race gewonnen hatte, verlor überraschend 7:10 Minuten und wurde Zehnte, Naima Diesner (Buff-Megamo) wurde mit einem Rückstand von 9:06 Minuten 14.