Rothaus Bike Giro: Stiebjahn übernimmt Gelbes Trikot von Ian Millenium
Den Tagessieg holt sich nach einem einsamen Soloritt Vinzent Dorn. Bei den Frauen siegt zwar Chiara Beer, der Vorsprung der Führenden Janine Schneider schrumpft aber besonders Richtung der Südafrikanerin Robyn de Groot
Man darf sich morgen noch eine spannende Schlussetappe des Rothaus Bike Giro freuen: Denn noch ist das Ergebnis nicht gemacht! Die heutige dritte Etappe über 65 km und 2.130 hm hat gezeigt, wie schnell sich das Klassement noch ändern kann.
Der Tagesieger Vinzent Dorn (DMT) hat nach seiner „Panne“ gestern allerdings mit dem Ausgang des Vier-Etappen-Rennens nichts mehr zu tun. Dorn bekam gestern die dramatischen Folgen eines Komplettausfalls der elektronischen Schaltung zu spüren: „Es war ein saudummer Fehler, der mir da gestern passiert ist. Ich hatte ein neues Rad bekommen und vergessen, mir eine Ersatzbatterie mitzunehmen, die sonst immer am Rahmen klebt“, erzählte der Freiburger freimütig. Als dann auch noch in der Techzone keine direkt verfügbar und erst gesucht werden musste war klar: die Gesamtwertung des Bike Giro 2021 war für den 23-Jährigen gelaufen. So sparte er sich auf den letzten Kilometern am Freitag die Kraft für seine heutige Attacke. Drei Minuten nach Start am Notschreipass fasste sich Dorn ein Herz, attackierte und enteilte dem Rest des Feldes, das den Lokalmatador („Ich bin hier oben viel trainieren, das ist eigentlich mein Trainingsgebiet!“) denn auch bereitwillig ziehen ließ: „Vinzent hat gestern über zwanzig Minuten in der Gesamtwertung verloren – damit war er nicht mehr interessant für uns“, berichtete Simon Stiebjahn (Team Bulls) sichelrich auch im Namen der gesamten Spitzengruppe. Trotzdem versuchte Stiebjahn, das Tempo hoch zu halten, so dass sich schon ungewöhnlich früh die Spitzengruppe mit den bekannten vier Verdächtigen bildete: im gelben Führungstrikot der Däne Ian Millenium, Stiebjahns Teamkollege Martin Frey und der Schweizer Marc Stutzmann (Texpa-Simplon). Bis zu 3,5 Minuten konnte Dorn auf seine Verfolger herausfahren. Doch zwei kleine Verirrungen und das hohe Tempo vor allem auf den Flachpassagen hinten ließen den Vorsprung auch wieder schrumpfen.
Zirka zehn Kilometer vor dem Ziel musste zunächst Millenium abreißen lassen. Er hatte eine fiese Abzweigung in einer Abfahrt rechts wieder den Berg hinauf zu spät gesehen und hatte sich verschalten. Millenium musste vom Rad – und die Lücke war gerissen. Zwar eilte der junge Däne den anderen hinterher, als er dann aber in der Hitze des Gefechts eine weitere Abzweigung verpasste, war sein Schicksal besiegelt: „Als in der ersten Hälfte des Rennens Stutzmann und Stiebjahn immer wieder attackierten, konnte ich problemlos dran bleiben. Ich habe mich heute echt super gefühlt. Aber in den Trails kam ich an Martin Frey einfach nicht vorbei, auch wenn ich mehr Kraft hatte als er“, erzählte Millenium: „Am Anfang habe ich die beiden noch gesehen.“ Aber auf den letzten Kilometern, als es nur kurze Anstiege und Abfahrten und sonst weitgehend flach war, konnte er den beiden Enteilten alleine im Wind nicht folgen: „Wenn die zwei da vorne zusammen arbeiten, kann ich als kleiner Däne nicht mehr dran bleiben“, musste er resigniert feststellen.
Derweil sah das Verfolgerduo Stutzmann/Stiebjahn plötzlich den Ausreißer Vinzent Dorn vor sich: „Wir beiden waren aber auch am Limit, Marc und ich haben durchgezogen, aber wir konnten nicht mehr viel Zeit auf Vinzent gut machen.“ Am Ende konnte Dorn noch neun Sekunden ins Ziel retten. Im Sprint um den zweiten Platz siegte Marc Stutzmann hauchdünn vor Simon Stiebjahn. Ian Millenium, der dem Fünftplatzierten Martin Frey seinerseits auf den letzten Kilometern noch 1:19 Minuten abnehmen konnte, erreichte 1:04 Minuten nach Stiebjahn die Ziellinie und verlor damit das gelbe Führungstrikot an den Bulls-Biker aus Titisee-Neustadt. „Vinzent wurde für seinen Mut, heute so früh anzugreifen, belohnt. Den Etappensieg hat er sich ehrlich verdient“, zollte Stiebjahn dem Sieger Respekt. Man muss auch gönnen können.
16 Sekunden führt nun Stiebjahn vor dem Schweizer Marc Stutzmann vor der letzten Etappe in der Gesamtwertung. Wie wenig das ist, konnte man an der heutigen Etappe sehen. „Morgen wird nochmal ein harter Tag!“, prognostiziert der neue Gesamtführende Simon Stiebjahn: „Ich bin nun in der der glücklichen Situation, dass ich nicht agieren muss. Ich bin gespannt, wie die anderen morgen das Rennen angehen. Ich könnte einfach das Trikot verteidigen oder auch auf Angriff fahren, um auf Nummer sicher zu gehen“, schildert Stiebjahn seine Möglichkeiten. „Aber vermutlich werde ich abwarten, wie sich das Rennen morgen entwickelt. Ich habe ja den Vorteil, dass ich die Strecke kenne“, so der Lokalmatador.
Auf die Athlet*innen warten morgen zwei ineinander liegende Runden, zunächst eine kleine mit rund 16 km, ehe es hinauf auf das Dach des Schwarzwaldes, den Feldberg mit 1.493 Meter ü. NHN geht (bzw. eigentlich nur bis zur Todtnauer Hütte, die 180 Höhenmeter tiefer liegt), sodass insgesamt 51,6 Kilometer und 1.500 Höhenmeter zu bewältigen sind. Scharfrichter wird der Anstieg hinauf zum Feldberg sein, mit rund 600 Höhenmetern am Stück. „Doch auch die zwei knackigen Anstiege in der ersten Runde eignen sich für Attacken“, verrät Stiebjahn.
Bei den Frauen war es nach dem Sieg der Südafrikanerin Robyn de Groot gestern heute Chiara Beer vom RSC St. Ingbert, die den Tagessieg für sich verbuchen konnte. Allerdings ging es ihr ähnlich wie Vinzent Dorn: da sie mit fast 20 Minuten Rückstand keine Gefahr fürs Gesamtklassement mehr darstellte, konnten sie die beiden Gesamtführenden guten Gewissens ziehen lassen. Doch auch die Spitzenreiterin büßte wie schon gestern beim Sieg von De Groot einige Sekunden ihres Vorsprungs ein, den sie sich am Donnerstag herausgefahren hatte. Nur noch 47 Sekunden liegen nun zwischen Janine Schneider, der Dame in Gelb, und Robyn de Groot. Auch da kann also am morgigen Finaltag noch einiges passieren!