Swiss Epic #3: Leader bauen Vorsprung aus

Sowohl Schurter/Forster (Scott-SRAM) als auch Langvad/Batten (Specialized) holen sich den Tagessieg. Ein Sturz von Ben Zwiehoff sorgt für das Aus für das Centurion-Vaude-Team

Für Centurion-Vaude lagen Licht und Schatten heute nahe beieinander: während das Team das vorzeitige Aus für das in aussichtsreicher Position liegende Männer-Team vermelden musste, konnte Stefanie Dorn mit ihrer Radon-Teampartnerin Elisabeth Brandau als Tagesdritte ihren zweiten Platz in der Gesamtwertung erneut verteidigen und ihren Vorsprung auf Platz 3 um 5:50 Minuten ausbauen. Fast sieben Minuten beträgt nun der Vorsprung des deutschen Teams auf das schweizerisch-belgische Team Ariani Lüthi und Alice Pirard (Andermatt-Spur).

Unangefochten in Führung ist bei den Damen aber weiterhin das Duo Annika Langvad und Haley Batten vom Team Specialized. „Wir wussten, dass es heute gut für uns wird wegen der vielen Trails“, teilte Annika Langvad acrossthecountry.net nach dem Rennen mit. In zwei Schleifen ging es über 60 km und 1.900 Höhenmeter rund um Arosa. Wegen der Kürze der Strecke konnten die Sportlerinnen und Sportler heute auch mal ausschlafen, der Start war erst um 9:00 Uhr.

Brandau und Dohrn verlieren überraschend Zeit bergauf
Zunächst waren es wie schon am ersten Tag Stefanie Dohrn und Elisabeth Brandau, die dem Rennen ihren Stempel aufdrückten. Im langen Anstieg hinauf auf über 2.600 Meter Höhe konnten die beiden einen ordentlichen Vorsprung herausfahren. An der Hörnlihütte nach 10 km Renndistanz betrug der Vorsprung der Deutschen 49 Sekunden, doch harte und steile vier Kilometer bergauf später, auf dem Pass Gredigs Fürggli auf 2.615 m, am höchsten Punkt der Swiss Epic 2020, hatte sich dann aber schon das Blatt gedreht. Brandau kämpfte mit der dünnen Luft, während Dohrn noch relativ frisch war. Doch Langvad/Batten waren noch frischer, waren kurz vor dem höchsten Punkt auf einem Trail förmlich an den beiden Deutschen vorbeigeschossen. Nun wies das Zwischenklassement einen Rückstand 1:23 Minuten für Brandau/Dohrn aus. „Damit konnten wir als erste in die sehr, sehr lange Abfahrt gehen und unseren Vorsprung ausbauen. Die Abfahrt war echt cool! Am Ende war es wegen der steinige Trails schwierig, den Lenker festzuhalten“, berichtete Langvad an acrossthecountry.net. Auf den letzten Kilometern ließen sich die Gesamtführenden aber dann auch nicht mehr die Butter vom Brot nehmen und bauten ihren Vorsprung gegenüber ihren Verfolgern weiter aus.

In der Abfahrt gingen dann auch noch Sophie von Berswordt-Wallrabe und die amtierende Junioren-Weltmeisterin Jacqueline Schneebeli (jb Brunex Felt 2) an den beiden Deutschen vorbei und hatten schnell einen Vorsprung von rund zwei Minuten, der dann aber trotz eines langen, weitgehend falchen Anstiegs bis ins Ziel mehr oder minder konstant blieb, sodass sich die beiden über den zweiten Platz freuen konnten (+8:02 min). Folgerichtig ging Platz drei an Brandau/Dohrn.

Zweikampf um Platz 4
Ein Zweikampf entbrannte in der zweiten Schleife um Platz 4 zwischen den Maloja Pushbikern Linda Indergand (SUI) und der Tschechin Karla Stepanova auf der einen Seite und Ariane Lüthi (SUI) und ihrer Partnerin vom Team Andermatt-Spurt Alice Pirard (BEL) auf der anderen Seite. Bis zum höchsten Punkt hatten Lüthi/Pirard die Nase deutlich vorne, in Zahlen: bis zu drei Minuten. Danach schmolz der Vorsprung in der Abfahrt und gemeinsam gingen die vier auf die zweite Schleife. Im Ziel hatten dann die Pushbikers wieder mehr Punch und 39 Sekunden Vorsprung. „Der Anstieg war anstrengend, aber die Abfahrt war richtig cool und wir konnten einige Zeit gut machen.“

Auch Kim Ames, Gastfahrerin bei jb Brunex Felt, musste heute bergauf wieder leiden. So sehr, dass sie sich sogar am Trikot von ihrer Teamkollegin Nina Benz festhalten und den Berg hochziehen lassen musste: „Ich hatte in den steilen Passagen einfach nicht mehr genug Kraft von gestern.“ Die Energie war über Nacht nicht wie erhofft zurückgekommen, die Akkus nicht wieder voll aufgeladen. „Nina hat mir auch mental geholfen. Das war einfach super Teamarbeit!“, bedankte sich die Kölnerin. „Jetzt muss ich gucken, dass ich mein Bestmöglichstes tue, damit es morgen wieder ein Tickchen schneller wird“, berichtete Ames, als sie gerade von der obligatorischen Massage zurückkam. Fast zwölf Minuten betrug der Rückstand des jungen Duos auf die Führenden am höchsten Punkt am Gredigs Fürggli. Danach, als es über die Singletrails weit nach unten ging und anschließend wieder ein ganzes Stück hinauf nach Arosa, verloren sie nur noch wenig Zeit auf Langvad/Batten, und holten sogar über zwei Minuten auf Brandau/Dohrn auf.

Scott-SRAM und Trek Pirelli arbeiten zusammen
Ähnlich dominant wie bei den Frauen das Duo Langvad/Batten ist bei den Männern Nino Schurter und Lars Forster (Scott-SRAM), auch wenn sie bislang auf einen Tagessieg verzichteten. „Heute lief bei uns wieder alles nach Plan“, ließ Schurter acrossthecountry.net wissen. „Am ersten Anstieg konnten wir dran bleiben, konnten die 800 Höhenmeter mit der Spitzengruppen mitgehen. Und dann kam unser Terrain!“ Gemeinsam mit den Zweitplatzierten vom Team Trek-Pirelli konnten sie in die langen Trails bergab gehen. „Dort haben wir gut zusammengearbeitet“, lobte der Weltmeister die Zusammenarbeit mit den Italienern. Erst auf den letzten Trails hinauf nach Arosa spielten die Schweizer ihre physische Stärke aus. „Wir haben die Chance genutzt, diese Etappe zu gewinnen und unseren Vorsprung in der Gesamtwertung auszubauen.“ 23 Sekunden betrug der Vorsprung im Ziel vor Fabian Rabensteiner und Samuele Porro, die nun in der Gesamtwertung 5:55 Minuten zurückliegen.

Einen spannenden Dreikampf gab es um den dritten Platz. Mit dabei: die überraschend starken Youngsters vom Schweizer Team BMC-Fischer Casey South und Noah Blöchlinger. Sie traten an gegen die tschechischen Vortagessieger Kristian Hynek und Martin Stosek (Future Cycling Nothwave) und das deutsch-schweizerische Duo Simon Stiebjahn und Urs Huber (Bulls Heroes). Von einem „soliden Tag“ sprach Stiebjahn im Interview mit acrossthecountry.net. Dabei hatten die beiden Helden im ersten langen Anstieg über 800 Höhenmeter den Anschluss an die Spitzengruppe verloren. Da sich die Profis aber schon vor Wochen Teile der Strecke angeschaut hatten, kannten sie die Abfahrt bereits und konnten ihre Streckenkenntnis vorteilhaft ausspielen. Gemeinsam mit den beiden Konkurrenzduos gingen sie in den langen Schlussanstieg. Und wie am Vortag musste Huber oben raus mehr leiden als die anderen. „Bis dahin konnten wir gut mitfahren, auch wenn die Tschechen einen Tick stärker waren“, berichtete Stiebjahn. „Die Beine fühlen sich nach drei Tagen im Sattel schon ein wenig müde an, aber das ist bei den anderen bestimmt nicht anders“, ist sich Stiebjahn sicher.

Frühes Pech für die Bulls Youngsters
Pech hatten seine Youngsters-Kollegen: Unmittelbar nach dem Start, noch in der neutralisierten Zone, als alle gerade in Masken abnahmen und in den Trikottaschen verstauten, aber auch schon um die ersten Positionen gekämpft wurde, meinte Martin Frey plötzlich zu seinem Partner Simon Schneller: „Du, lass uns mal rechts ranfahren.“ Schneller glaubte zunächst an einen schlechten Scherz und lachte. Doch Freys Hinterrad, das fünf Minuten vor dem Start noch den vollen Druck hatte, verlor schnell Luft. „Ich muss mir auf dem Weg zum Start oder kurz danach den Reifen an einer Scherbe oder einem Nagel aufgeschlitzt haben.“ Und während die anderen Teams des ersten Startblocks sich auf die dritte Etappe machten, machte sich die Bulls Youngsters daran, den Reifen abzudichten und wieder aufzupumpen. Immerhin hielt er danach das ganze Rennen lang. Im Gegensatz zur Form von Martin Frey: „Aus dem Nachhinein sind wir die Verfolgungsjagd ein bisschen zu schnell angegangen.“ Die beiden erreichten die Spitzengruppe wieder, kurz bevor es vorne „zur Sache ging.“ „Im Anstieg haben wir uns dann richtig schwer getan“, berichtete Frey später, „dafür hatten wir dann in der Abfahrt freie Fahrt.“ Bergab jagten sie der Verfolgergruppe hinterher, sahen sie auch vor sich, konnten aber die letzten 20, 30 Sekunden nicht mehr aufholen. „Den ganzen Rest des Rennens sind wir dann alleine gefahren. Ich bin mir sicher, wären wir von Anfang an mit vorne dabei gewesen, hätten wir mit den anderen mithalten können. Letztlich ging es dann aber nur noch um Schadensbegrenzung“, fasste Frey diese dritte Etappe zusammen. Wie die anderen Teams auch profitierten die Bulls Youngsters vom weitaus größeren Pech des Teams Centurion-Vaude und rutschten in der Gesamtwertung einen Platz nach vorne und sind nun Fünfte.

Aus für Centurion-Vaude
Centurion-Vaude hatte zu Beginn des Rennens mit technischen Problemen zu kämpfen. „Erst hatte ich einen Platten, dann ist mir die Kette runter gefallen und schließlich auch noch dem Geisi“, berichtete Ben Zwiehoff von den ersten Kilometern. Am Anfang konnten die beiden die so entstandenen Löcher immer wieder zu fahren, doch irgendwann tat sich eine größere Lücke auf. Am höchsten Punkt hatten die beiden schon 2:14 Minuten Rückstand auf die Führenden. Und in der Aufholjagd über die steinigen und verblockten Singletrails rutschte Zwiehoff dann plötzlich in einer Schotterpassage das Vorderrad weg. „Es war eigentlich total unspektakulär“, schrieb Zwiehoff später aus dem Krankenhaus, nachdem der Cut am Knie gereinigt und genäht worden war. „Die Stelle war ein bisschen unübersichtlich und wir mussten wegen des Plattens auch ein bisschen hinterherfahren. In der Höhe [zur Erinnerung: 2.614 M.u.d.M] ist man dann vom Kopf her auch nicht 100% frisch. Wenn dann ein Parameter, so wie halt jetzt der Luftdruck nicht passt, passiert sowas leider. Wenn ich mit dem Knie einen Zentimeter weiter links den Boden berührt hätte, wäre einfach nichts passiert.“ Doch so ging der Essener auf Nummer sicher, brach das Rennen ab und begab sich ins Krankenhaus. „Für Geisi und unser ganzes Team tut es mir wahnsinnig leid. Die haben alle so einen guten Job gemacht. Wir haben auf jeden Fall gezeigt, dass wir als Duo super gut sind! Darauf können wir stolz sein und Selbstvertrauen mitnehmen. Und ich bin dankbar, dass ich Teil des Teams sein darf!“ verabschiedete sich Zwiehoff vom Swiss Epic 2020. Geismayr konstatierte: „Ich schaue in solchen Momenten immer nach vorne, denn es ist bereits passiert und wir können nichts mehr daran ändern. In einer Woche ist die Österreichische Meisterschaft im Cross-Country auf meiner Heimstrecke [in Dornbirn, Vorarlberg] und darauf freue ich mich.“

Texpa-Simplon freundet sich langsam mit den Trails an
Zum Schluss des heutigen Rennberichts noch eine gute Nachricht: auch das Texpa-Simplon Team mit Markus Kaufmann und Andreas Seewald profitierte vom Ausscheiden von Centurion-Vaude trotz eines durchwachsenen Tags: „Ich hatte zeitweise damit zu kämpfen, dass ich in der Spitzengruppe bleibe“, berichtete Seewald vom ersten langen Anstieg. Doch oben war er wieder dran. „In den langen Trails finden wir uns mittlerweile besser zurecht“, ergänzte der Marathon-Spezialist, doch die Abfahrt vom Gredigs Fürggli war dann doch ein wenig zu ruppig für die beiden. „Wir haben zwar drei oder vier Positionen verloren, aber der zeitliche Abstand war diesmal nicht so groß.“ Im welligen Anstieg zurück nach Arosa waren die beiden Süddeutschen mit ein paar anderen Teams zusammen, die aber alle in der Gesamtwertung weiter hinten lagen: „Deswegen haben die uns dann auch vorne im Wind arbeiten lassen.“ Dennoch konnten sie im letzten Anstieg noch ein sogar ein bisschen wegfahren. Zwar schlossen zwei Teams wieder auf und zogen im Zielsprint auch noch vorbei. Aber die Platzierung (8.) war den beiden Texpa-Fahrern beinahe egal: „Wichtig ist, dass wir keine Zeit verloren haben“, so Seeberger.

Morgen: Königsetappe
Morgen erwartet die Sportler die Königsetappe der diesjährigen Swiss Epic. Über 74 km und 2.700 hm bergauf und 2.900 hm bergab führt die vierte Etappe von Arosa in den Zielort Davos, ehe dort am Samstag mit einer letzten Runde die Swiss Epic zu Ende gehen wird. Man darf gespannt sein, wie sich die Deutschen in den drei großen Anstiegen und vor allem wohl auch in den Abfahrten schlagen: während die einen sich sicherlich schon darauf freuen, wie Nina Benz und Kim Ames oder auch Alban Lakata und Karl Platt, dürfte es anderen eher ein Graus sein, wie Elisabeth Brandau mit Stefanie Dohrn oder Markus Kaufmann und Andreas Seewald, wenn sie an die langen Downhills denken. Bereits um 8:00 Uhr geht es los, die Männer werden wie immer kurz nach 11:00 Uhr in Davos erwartet, die Frauen eine gute Stunde später.

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