Weltcup-Leaderin Annika Langvad: Genieße jede Sekunde
Drei Weltcup-Siege hintereinander: Annika Langvad (Specialized Racing) hat zu ihrem ersten Sieg 2015 in dieser Saison gleich zwei weitere hinzugefügt und wird auch am Sonntag in La Bresse im weißen Leaderjersey mit dem roten Brustring an den Start gehen. Die Dänin ist nach nur neun Jahren im Sport endgültig in der absoluten Cross-Country-Weltspitze angekommen und genießt „jede Sekunde“, wie sie selber sagt.
Sicher, Annika Langvad hat ihre beiden Weltcupsiege in diesem Jahr in Abwesenheit von Jolanda Neff (Stöckli Pro Team) errungen und auch Weltmeisterin Pauline Ferrand Prevot (RaboLiv) war am Sonntag in Albstadt gesundheitlich nicht auf der Höhe. Bei der EM in Schweden wurde sie Zweite hiner Jolanda Neff, aber beim Finale im Val di Sole voriges Jahr konnte sie die Schweizerin im direkten Duell bezwingen. Deshalb sollte man diese drei Siege auch nicht relativieren.
Sie ist zwar schon 32 Jahre alt und damit neun Jahre älter als Neff, doch sie hat als Mountainbikerin weniger Jahre auf dem Buckel als die Weltcup-Titelverteidigerin.
Spät entdeckte Langvad ihr Talent. 2005 war sie auf einer Sportschule, hauptsächlich wegen dem Alpin-Skifahren. Bei einem Trainingslager in Alpe d’Huez kam sie in Berührung mit verschiedenen Outdoor-Sportarten und fuhr dort ihr erstes Adventure-Rennen.
Als sie 2006 nach Kopenhagen zieht, um dort Zahnmedizin zu studieren, beginnt sie Triathlon zu trainieren. Im Winter macht sie Cross-Duathlon-Wettkämpfe und wird gleich Zweite bei der Dänischen Meisterschaft.
„Ich habe dabei gespürt, dass ich auf dem Fahrrad viel stärker bin als beim Laufen. Deshalb habe ich dann bei ein paar Mountainbike-Rennen teilgenommen“, erklärt Annika Langvad wie sie dann Feuer gefangen hat für die Disziplin mit den breiten Reifen. 2007 meldet sie sich bei einem Mountainbike-Klub an und dann dauert es nur zwei Jahre bis sie in Wetter/Ruhr das internationale Bundesliga-Rennen gewinnt. Und das vor keiner Geringeren als der zweifachen Weltmeisterin Irina Kalentieva (Möbel Märki).
Mit Turbo-Antrieb ausgestattet
Im Marathon, wo es fahrtechnisch weniger anspruchsvoll zugeht, erreicht sie bereits 2010 mit WM-Bronze die Weltspitze, bis heute ist sie in dieser Disziplin dreimal Weltmeisterin geworden. Im Cross-Country steht sie aber 2011 als Zweite im Dalby Forest auch schon auf dem Weltcup-Podium.
Annika Langvad ist von der Natur offensichtlich mit einem Turbo-Antrieb ausgestattet worden. Aber auch fahrtechnisch hat sie sehr schnell dazu gelernt. Das mag in punkto Gleichgewicht und Koordination auch mit der Alpin-Ski-Erfahrung zu tun haben. Dennoch hatte sie dort lange ihr größtes Handicap.
Trotz der schnellen und zahlreichen Erfolge hat Annika Langvad ihr Studium der Zahnmedizin in Kopenhagen fortgesetzt, wenn auch zeitlich gestreckt. Erst 2015 legte sie eine Pause ein. „Nächstes Jahr werde ich das Studium fertig machen, aber im Moment bin ich Voll-Profi“, erklärt Annika Langvad. „Das ist einfacher für die Regeneration. Vorher bin ich manchmal direkt vom Bundesliga-Rennen zum Studium, das war krass.“
Allerdings wollte das Profi-Dasein auch erst akzeptiert sein. „Das ist ein ganz anderes Leben und ein großer Prozess, das zu lernen. Ich habe mich das ganze Leben als Schülerin gefühlt. Aber mit der Zeit ist es gekommen und ich genieße das jetzt sehr“, sagt sie. Es brachte ihr nicht nur ein neues Lebensgefühl, sondern auch mehr Konstanz in ihre Leistungen.
„Ein Privileg das erleben zu dürfen“
Der Weg in die Weltspitze verlief im Zeitraffer-Tempo, doch nicht die komplette Sportler-Persönlichkeit entwickelte sich gleich schnell mit. „Ich habe den Sport ja nicht von Kind auf gelernt. Klar, ich bin ein Riesentalent, aber mir fehlte die Grundlage, wie man als Hochleistungssportler lebt. Mit dem Körper ging das relativ schnell, aber der Kopf war langsamer“, bekennt die angehende Zahnärztin.
Inzwischen kann sie das Leben als Profi genießen. Die Erlebnisse im Sport, die Herausforderungen, der Life-Style als Mountainbikerin, das alles summiert sich zu einem positiven Lebensgefühl. „Ich kann so viel über mich lernen und ich bin sicher, dass ich eines Tages auch davon profitiere, wenn ich nicht mehr Sportler bin. Es ist ein Privileg, das erleben zu dürfen“, sagt Annika Langvad.
Performance-Manager Sauser bringt System rein
Mit der dreifachen Cape-Epic-Siegerin muss man rechnen: In La Bresse, bei der WM und auch bei den Olympischen Spielen. Zumal sie im Specialized Racing Team jetzt auch noch Ex-Weltmeister Christoph Sauser als „Performance Manager“ an ihrer Seite hat. Der zeigt ihr auf den Strecken nicht nur die besten Linien, sondern berät auch im Blick auf das Setup des Bikes, vom Reifendruck und Reifenwahl bis zur Dämpfer-Einstellung.
„Er kann gut vermitteln und bringt System da rein“, bestätigt Annika Langvad, die übrigens sich übrigens für die Dauer der Saison mit ihrem Freund Thomas Bonne, einem Ex-Mountainbiker, im Südschwarzwald Quartier bezogen hat. Wo genau, das will sie lieber nicht kund tun, um keine Fahrrad-Diebe anzulocken.
In Albstadt saß sie nach ihrem dritten Weltcup-Erfolg in der Interview-Zone und versuchte trotz ihres völlig souveränen Sieges den Eindruck abzuwehren, dass das eine Selbstverständlichkeit wäre. „Ich muss sagen: ich bin extrem dankbar und genieße jede Sekunde. Wirklich“, sagte sie mit Nachdruck.
In Teilen wurde der Text vom Auto für die Albstadt Weltcup-Beilage des Zollernalb-Kurier verfasst.