Weltcup Nove Mesto Nachgedreht (1): Phänomen und Verschwörungstheorien

Vom Anfang und vom Ende des Herren-Weltcups in Tschechien

Mathieu van der Poel wird als nächstes Snooker-Weltmeister. Oder so. Matthias Stirnemann findet den Schlüssel, Thomas Litscher macht Bekanntschaft mit Elefanten. Und Markus Schulte-Lünzum wird als Lonesome Cowboy mit Sonderapplaus bedacht. Vom Weltcup in Nove Mesto Nachgedreht, was hier noch nicht geschrieben stand.

 

Mathieu van der Poel (Corendon-Circus) wird die Berichterstatter wohl noch länger beschäftigen und seine Gegner natürlich auch. Was der Besitzer dieses athletischen Körpers auf die Pedale bringt, hat was Phänomenales.

Gepaart mit seinem Siegeswillen schreibt der in Belgien lebende Niederländer Geschichten und Geschichte. Aus allen Lagern gab es nach seinem ersten Weltcup-Sieg im Cross-Country Respektsbekundungen. Sein Cyclo-Cross-Dauerkonkurrent Wout van Aert zog den Hut, Straßen-Profi Matteo Trentin twitterte: „Was Mathieu van der Poel dieses Jahr macht, ist einfach unglaublich. Ich schätze, er kann auch die Snooker-WM gewinnen, wenn er will. So viel Klasse.“

Van der Poel bedeutet der Sieg offenbar viel. „Es ist eines der größten, eines der härtesten Dinge, die ich erreichen konnte. Ich habe es drei Jahre versucht und es ist schon lange her, dass es einem Niederländer gelungen ist“ sagte er im Sieger-Interview.

Gut 13 Jahre ist es her, am 1. April 2006 auf der Antillen-Insel Curacao, da konnte Bart Brentjens den letzten niederländischen Weltcupsieg im Cross-Country feiern. Wie gestern schon erwähnt, ist Mathieu van der Poel damit auch der zweite Fahrer überhaupt nach dem Österreicher Gerhard Zadrobilek, der sowohl einen Straßen-Weltcup (1989 in San Sebastian) als auch einen Cross-Country-Weltcup (1992 in Kirchzarten) gewinnen konnte. Auch wenn das heute „Pro Tour-Rennen“ heißt, ist das Amstel Gold Race, das van der Poel gewonnen hat, die gleiche Kategorie.

Und van der Poel ist auch der erste männliche Fahrer, der an einem Wochenende sowohl das Short Track als auch das Cross-Country-Rennen gewinnen konnte.

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Mathieu van der Poel und Nino Schurter ©Traian Olinci

 

So. Genug der van der Poel-Festspiele hier, es gibt auch noch andere zu würdigen. Zum Beispiel Matthias Stirnemann (Möbel Märki), der als Zwölfter sein bestes Resultat seit drei Jahren erzielte. Stirnemann lag nach der Startrunde auf Position 22, fuhr dann an die zwölfte Position und war im Folgenden Teil einer Gruppe, die zwischen Position sieben und 14 unterwegs war, nachdem Jordan Sarrou (Absolute Absalon) eingeholt war.

„Ich konnte mal wieder richtig fahren! Ich habe versucht, während dem ganzen Rennen nicht zu überdrehen. Das war neben meiner materialschonenden Fahrt wohl der Schlüssel zu diesem tollen Erfolg“, kommentierte Matthias Stirnemann via Pressemitteilung aus dem Hause Stirnemann.

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Thomas Litscher (KMC Ekoi Orbea) schlug sich in Nove Mesto mit einer Erkältung herum, weshalb er auch das Short Track-Rennen ausließ. „Ich bin am Sonntagmorgen aufgewacht und habe mich gefühlt, als wären in der Nacht 100 Elefanten über mich drüber gelaufen“, schreibt er auf Instagram. „Aber weil es Nove Mesto ist, habe ich gar nicht drüber nachgedacht, nicht zu starten.“

Drei Runden benötigte Litscher, dann gab sein Körper doch noch mehr her. Von Position 37 konnte er sich noch Platz 18 verbessern. „Ich denke, das ist das Maximum, was ich heute erreichen konnte“, so Litscher.

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Thomas Litscher kommt erst in der zweiten Hälfte ein wenig auf Touren ©Traian Olinici

 

Markus Schulte-Lünzum (Bike Way Racing) erlebte ein Déjà vu, eines von der unangenehmen Sorte. Dass ihm nach 2013 zum zweiten Mal in Nove Mesto am Start die Kette reißt, das ist schon ein Fall für Verschwörungs-Theoretiker. Damals war das im U23-Weltcup-Leaderjersey und es folgte ein zweiter Kettenriss und schließlich auch noch ein Hinterrad-Defekt.

Solches Unbill blieb an diesem Sonntag aus. Markus Schulte-Lünzum kam als 130. und Letzter mit 5:01 Minuten Rückstand aus der Startrunde und hatte natürlich erst mal freie Fahrt. So allein gelassen fehlte es ihm aber trotzdem nicht an Motivation. Er produzierte gleich die 16. Rundenzeit, musste dafür aber nur drei Leute überholen. Dann wurden die Reihen dichter und die Zeiten auch etwas langsamer.

Schulte-Lünzum wühlte sich durch die Reihen. „Ich war voll fokussiert und bin dann echt ein sauberes Rennen gefahren“, bilanzierte der Ex-Meister seinen Wettkampf, der schließlich auf Position 71 endet. Mit 9:08 Minuten Rückstand auf Sieger van der Poel. Rechnet man, sagen wir mal: 4:30 Minuten weg, die ihn der Kettenriss gekostet hat, dann wäre um Platz 25 herausgekommen.

Man muss ihm Recht geben, wenn er für sich sagt: „Mit meiner Leistung kann ich zufrieden sein, auch wenn es ohne Positionskämpfe und ohne das Adrenalin kein normales Rennen war.“

Im Übrigen nahm er es mit der Verpflegung auch nicht so genau, weil er nicht damit rechnete volle sieben Runden fahren zu dürfen. Doch er konnte das Ende per 80-Prozent-Regel tatsächlich vermeiden.

Und was Schönes – Vorsicht, Sarkasmus – hatte das für Markus Schulte-Lünzum auch. „Wenn es einen passenden Ort für einen Kettenriss gibt, dann Nove Mesto. Die Anfeuerung der Zuschauer hat man dann ganz für sich allein.“ Tatsächlich gab es für den „Lonesome Cowboy“ Sonderapplaus.

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Zwei für’s Overall: Henrique Avancini und Mathias Flückiger ©Traian Olinici

 

Nach zwei Weltcup-Stationen und vier Wettbewerben thront Mathieu van der Poel mit drei Siegen und einem zweiten Platz ganz oben im Klassement. Er liegt 200 Punkte vor Mathias Flückiger (Thömus RN Racing, 500), der wiederum 15 Zähler vor seinem Landsmann Nino Schurter geführt wird.

Wie wir wissen, lässt van der Poel die nächsten beiden Weltcup-Stationen aus und wird seine Führung da wieder verlieren. Es sind dann wohl die beiden Schweizer, sowie die beiden Cannondale-Fahrer Maxime Marotte (425) und Henrique Avancini (370), die nach dem aktuellen Stand der Dinge am ehesten um die Weltcup-Krone kämpfen werden.

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Die UCI, respektive die Hüter des Regelwerks haben aus aktuellem Anlass am Nove Mesto-Wochenende zwei Communiqués herausgegeben. Einerseits betrifft das die Teilnahme am Short Track. Wen ein für das Short Track vorgesehener Fahrer sich bis Freitag um 10 Uhr nicht abgemeldet hat und dann nicht antritt, bekommt er künftig auch für das sonntägliche Cross-Country-Rennen keine Starterlaubnis mehr. Wird ein Sportler danach kurzfristig krank oder verletzt sich, muss er beim offiziellen Mediziner vorstellig werden und sich das bescheinigen lassen.

Das könnte unter anderem von Georg Egger ausgelöst worden sein, denn der Deutsche Vize-Meister wurde erst abgemeldet als er bereits auf der Startliste stand.

Als zweiten Note wurde mit erhobenem Zeigefinger der Hinweis versendet, dass die „Startnummern“ mit der Aufschrift Team nur für Trainer gedacht sind und nicht dafür, dass Athleten auch außerhalb der ihnen zugewiesenen Trainingszeiten auf der Strecke trainieren können. Im Weltcup gibt es für die einzelnen Kategorien speziell zugewiesene Trainingszeiten, um eine Massierung zu vermeiden.

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