WM Lenzerheide: Die Jagd nach Staffel-Gold und Punkten

Eine Gebrauchsanweisung vor der 20. Auflage des Team Relay

Mit dem Team Relay, auf deutsch: Staffel-Rennen, werden am Mittwoch um 17.30 Uhr in Lenzerheide die 29. Mountainbike-Weltmeisterschaften eröffnet. Team Relay, das gibt es nur zweimal im Jahr und für weniger versierte Beobachter gibt der Wettbewerb immer wieder Rätsel auf. Deshalb mal wieder ein Erklär-Text zu dem Auftakt-Rennen, das sukzessive immer bedeutender geworden ist, gewissermaßen eine Gebrauchs-Anweisung für den Event, den es bei Weltmeisterschaften seit Aare 1999 gibt, jetzt also zum 20. Mal ausgetragen und von der UCI live gestreamt wird. 

 

Wie wird eine Staffel besetzt?

Jedes Team hat zwei Sportlerinnen und drei Sportler am Start. Ein männlicher Elite-Fahrer, eine weibliche Elite-Fahrerin, ein männlicher U23-Fahrer, eine weibliche U23-Fahrerin und ein männlicher U19-Fahrer. Diese Konstellation gibt es erst seit 2017, als zusätzlich die weibliche U23-Fahrerin eingeführt wurde. Um der Geschlechter-Gleichberechtigung näher zu kommen. Und es gibt sogar Bestrebungen paritätisch zu besetzen, also drei und drei.

Ein „Downgrade“ in Sachen Alterskategorie ist immer möglich. Anstatt einer U23-Fahrerin könnte zum Beispiel auch eine Juniorin, anstatt eines Elite-Fahrers auch einer aus der U23-Kategorie eingesetzt werden. Was manchmal auch gemacht wird.

Eine solche, Kategorien übergreifende, Mixed-Staffel gibt es bei keiner anderen Sport-Disziplin.

 

Wie funktioniert’s?

Alle fünf Sportler fahren nacheinander eine Runde auf dem Cross-Country-Kurs. In der Wechsel-Zone wird durch Berührung an den nächsten Akteur oder die Akteurin weiter gegeben. Wie das bei einer Staffel halt so üblich ist.

Der Clou: Die Reihenfolge der Kategorien ist beliebig. Es ist eine Frage der Taktik. Die jeweiligen Team-Verantwortlichen können frei entscheiden, müssen sich aber vorher festlegen. Während des laufenden Wettkampfs umstellen, das geht nicht. Aber kein Team kennt zum Zeitpunkt der Abgabe der Aufstellung die Reihenfolge der Konkurrenz. Den Wettbewerb hat übrigens der heutige BDR-Generalsekretär Martin Wolf (mit) initiiert.

Für den Zuschauer macht es das spannend, aber auch etwas kompliziert. Denn um die Kräfte-Verhältnisse einschätzen zu können, benötigt man schon Fachwissen.

 

Was ist deshalb gut zu wissen?

1. Frauen, pardon, können auf der einen Runde im Normalfall nicht gegen Männer bestehen. Auch nicht gegenüber Junioren. Das muss man im Kopf haben, wenn eine Staffel es wagt mit den beiden Damen am Schluss zu agieren. Auf einer Zwölf-Minuten-Runde verlieren die schnellsten Damen schon rund eine Minute auf die schnellsten Junioren.

muss man in Betracht ziehen, dass es Sportler gibt, die eine Runde schnell fahren, das aber über eine Cross-Country-Distanz nicht halten können. Man kann also nicht zwingend von der Cross-Country-Leistung auf die Staffel-Leistung schließen.

2. muss man weiter bedenken, dass die Staffel im Grunde ein Zeitfahren ist. Weil es erst zum Schluss um die Platzierung geht, sollten die Athleten nicht auf Position fahren, sondern um Zeit. Sie fahren ja unter Umständen gegen Konkurrenz aus anderen Kategorien. Das Gefühl für diesen Zeitfahr-Modus hat nicht jede(r), das kommt im MTB-Sport ja äußerst selten vor. Vor allem Junioren haben es schon fertig gebracht, sich auf der einen Runde „abzuschießen“. Zum Beispiel, weil sie Vollgas losgefahren sind und sich an Elite-Fahrern orientiert haben.

3. Das schwächste Glied in der Kette ist in der Regel das entscheidende. Das gilt in doppelter Hinsicht. Wenn eine Staffel auf einer Position nicht so stark besetzt ist, dann verliert sie entscheidenden Boden. Zum anderen und wichtiger noch: Die Abstände, die innerhalb der Kategorien auf eine Runde produziert werden sind größer je schwächer die Kategorie. Der schnellste Elite-Fahrer nimmt dem Zehnten vielleicht 30 Sekunden ab, die schnellste U23-Fahrerin der Fünften in ihrer Kategorie aber schon eine Minute. Ungefähr jedenfalls.

4. Die Frage der Aufstellung. Während in den Anfangsjahren des Team Relay noch wild gemixt wurde, beginnen inzwischen die meisten Staffeln mit dem männlichen U23- oder dem männlichen Elite-Fahrer. In Cairns haben nur die Australier mit dem späteren Junioren-Weltmeister Cameron Wright einen Junior auf eins gestellt, der Rest ging mit U23- oder mit Elite-Fahrern ins Rennen.  Dann kommen häufig noch ein männlicher Fahrer und dann die beiden Damen. Würde eine Dame beginnen, müssten die folgenden männlichen Fahrer bei einer Aufholjagd an vor ihnen fahrenden Damen vorbei. In Singletrails wird mann dann möglicherweise aufgehalten. Am Schluss hat man dann gerne wieder einen mental starken männlichen Fahrer. Meistens.

5. Stichwort mental stark. Das is auch so eine Komponente. Wenn’s eine Krise gibt, einen Strauchler, einen Sturz oder auch einfach kurz ein schlechtes Gefühl, hängt ein ganzes Team mit dran. Der Gedanke daran kann zu einer Belastung werden. Andersherum natürlich auch ein Über-Sich-Hinauswachsen produzieren.

 

Wer sind die Favoriten?

Wenn sie denn in Bestbesetzung antreten, sicherlich die Titelverteidiger aus der Schweiz. Seit der Aufstockung auf fünf Athleten noch mehr. Auf allen fünf Positionen sind sie Weltklasse. Sie geben ihr Quintett erst am Dienstagnachmittag in einer Pressekonferenz bekannt. Man darf davon ausgehen, dass sie vor heimischem Publikum gerne mit einer Goldmedaille in die WM einsteigen würden. Allerdings sind sie sowohl bei den Damen als auch bei den Herren so stark besetzt, das sie da durchaus variabel sind.

Die Dänen landeten voriges Jahr auf dem Silber-Rang und könnten in genau der gleichen Besetzung antreten wie 2017. Die Franzosen, im Vorjahr Dritte, dürften auch wieder mitmischen. Die Europameister aus Italien muss man auch mit auf der Rechnung haben.

Das deutsche Quintett fährt mit allen Meistern, also mit Elisabeth Brandau, mit Ronja Eibl, Max Brandl (beide U23), Junior Leon Kaiser und Manuel Fumic. Das Team ist ausgeglichen besetzt, aber es müssen alle fünf ihre Bestleistung abrufen, um wieder in die Top Fünf zu fahren, wie fast immer seit 2010. Die Ausnahme war 2017, als man Siebter wurde. Einmal gab es Silber (2010), zweimal Bronze (2012, 2013).

 

Wer hat’s bisher  gewonnen?

Frankreich 5x (2008, 2011, 2014-2016)

Schweiz 4x (2006, 2007, 2010, 2017)

Italien 3x (2009, 2012, 2013)

Spanien 3x (1999, 2000, 2005)

Kanada 3x (2001, 2002, 2004)

Polen 1x (2003)

Die Bedeutung

Der Team-Wettbewerb hat in den knapp zwanzig Jahren seines Bestehens immer mehr an Bedeutung zugenommen. Nur wenige Athleten führen die Medaillen im Palmares, aber das Team-Erlebnis über die Kategorien hinweg wird als wichtiger Faktor, ein gelungenes Staffelrennen als Motivations-Faktor wahrgenommen.

Zudem gibt es Punkte für das Nationen-Ranking (nicht für die Einzelweltrangliste). Und da wir uns seit Mai in der Periode befinden, die über die Zahl der Startplätze bei Olympia in Tokio entscheiden, ist das für die Verbände auch wichtig. 200 Punkte gibt es für den Sieg, 150 für den Zweiten, 120 für den Dritten (dann 100, 90, 80,..). Zum Vergleich: Für 200 Weltranglistenpunkte muss ein Fahrer im Elite-Weltcup schon Zweiter werden.

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