WM Lenzerheide: Rekord-Kulisse als Meilenstein

Der Cross-Country-Sport ist Patient und zugleich blühendes Leben

Die Weltmeisterschaften in Lenzerheide haben neue Maßstäbe gesetzt. Insgesamt sprechen die Veranstalter von 65000 Zuschauern, allein am Samstag bei den Elite-Rennen im Cross-Country waren es 24000, beim Downhill 20000. Und die Lautstärke an der Strecke dürfte auch kaum noch zu übertreffen sein. Oder anders ausgedrückt: Alles andere wäre eine Gefahr fürs Trommelfell.

 

Wer dort war, wird’s nicht vergessen. So viele Menschen an der Strecke, so ein Enthusiasmus, so eine Stimmung, das war ein Meilenstein in der Geschichte des Mountainbike-Sports.

Die 65000 Zuschauer insgesamt dürften ein Rekord gewesen sein. In Kirchzarten sprach man 1995 von 50000 und in Bromont sollen es ähnlich viele gewesen sein. Es lässt sich das eine mit dem anderen nicht wirklich vergleichen, auch weil ohne Eintritt wohl mehr Leute kommen, doch egal ob es schon mal mehr waren oder nicht: Lenzerheide steht für sich.

Die WM in der Schweiz war in Sachen Publikum noch mal eine Steigerung gegenüber Nove Mesto na Morave 2016. Und sie hat gezeigt – wie im übrigen auch alle anderen Weltcup-Events in diesem Jahr – dass es dem Cross-Country-Sport in punkto Publikums-Attraktivität nicht fehlt. Im Gegenteil.

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Cross-Country in Lenzerheide ©Max Fuchs/EGO-Promotion

 

„Cross-Country ist nicht tot“

Am Freitag war Karl Platt (40) aus seinem Trainingslager in Livigno angereist, um seine beiden U23-Teamkollegen von Bulls, Niklas Schehl und Simon Schneller anzufeuern. „Das ist ja unglaublich hier. Und da sagen mir Leute, der Cross-Country-Sport sei tot“, meinte Karl Platt. „Aber der lebt mehr denn je.“ Und dabei hatte der zweifache Deutsche Marathon-Meister „nur“ den U23-Tag erlebt.

Die Perspektive, dass dem Cross-Country-Sport in den vergangenen Jahren die Budgets mehr und mehr entzogen und in die Vermarktung der boomenden E-Bikes gepumpt wurden, dass es die Szene deshalb schwerer hat, die stimmt. Wenn Leute wie Mathias Flückiger, schon lange Weltklassefahrer und dieses Jahr Weltcupsieger in Mont Sainte Anne, ohne festes Gehalt fahren müssen, dann ist das für den Sport schon ein bedrohlicher Aspekt. Vor allem auch als Signal an den Nachwuchs.

 

Die Bilder von Lenzerheide könnten helfen

Aber es ist nur die halbe Wahrheit, nur ein Blickwinkel. Ein anderes Licht auf den Sport werfen die steigenden User-Zahlen im Red Bull-Livestream. Und eben auch der wachsende Zuschauer-Zuspruch bei den Weltcup-Events. Insofern ist der Sport ein Patient und gleichzeitig das blühende Leben.

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Was für eine Begeisterung ©Thomas Weschta/EGO-Promotion

Was dem Sport nach wie vor fehlt, sind mehr Sponsoren von außerhalb der Branche, die eine Verlagerung von Budgets in der Bike-Industrie abmildern würden. Weltcup Titel-Sponsor Mercedes-Benz ist so einer. Und auch bei Flückigers Team Thömus RN Racing ist man mit solchen im Gespräch. Die Bilder von der WM in Lenzerheide könnten da bei der Entscheidungsfindung etwas helfen, sie könnten insgesamt einen gewissen Schub bringen. Immerhin, eine gewisse Zuversicht war am Rande der WM im Team von Ralph Näf schon zu spüren.

 

Swiss Cycling muss Förderung ersetzen

Die WM in Lenzerheide, das ist klar, hat auch mit den Schweizer Erfolgen der jüngsten Vergangenheit zu tun. Damit, dass Swiss Cycling gleich drei Titelverteidiger ins Rennen schickte, also genügend Identifikationsfiguren vorhanden waren. Jolanda Neff und Nino Schurter sind bereits zu nationalen Sport-Größen aufgestiegen. Insofern ist das nicht einfach zu wiederholen. Was man allerdings von Nove Mesto auch schon gedacht hat.

 

Und Swiss Cycling, der Schweizer Verband selbst, muss sich auch strecken. In den vergangenen vier Jahren hat man von jeweils 300000 Schweizer Franken aus einem Förderprogramm des Bundes profitiert. Das läuft jetzt aus. Die Förderung seitens des Olympischen Verbands Swiss Olympic steigt zwar an, wie die Verantwortlichen bei ihrer Bilanz-Pressekonferenz mitteilten, aber sie aufgefangen wird das Loch im Etat dadurch nicht. Es fehlt wohl noch rund ein Drittel der bisherigen Mittel.

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Cross-Country in Lenzerheide ©Lynn Sigel/EGO-Promotion

 

Weltcup in Lenzerheide 2019 noch nicht sicher

Auch ob Lenzerheide 2019 wieder Weltcup-Standort sein wird, ist noch nicht klar. Die Organisatoren haben sich für nächstes Jahr und 2020 beworben. Doch fix ist es noch nicht.

Die Verkündung des Weltcup-Kalenders 2019 (und 2020), die für die WM-Woche angekündigt worden war, hat die UCI man erneut verschoben. Woran es hakt, ist nicht ganz klar. Möglicherweise an der Suche nach einem Ersatz für Stellenbosch, das im August für das kommende Jahr endgültig absagte. Vielleicht aber gibt’s auch Differenzen mit Veranstaltern in Bezug auf die Anforderungen, die zu erfüllen sind.

Gleichzeitig geht es aktuell auch um die Verlängerung des Vertrags mit Red Bull. Darin könnte die Zahl der Events, bzw. deren Ausgestaltung auch eine Rolle spielen.

Ein Weltcup-Kalender 2019 ohne Lenzerheide, das wäre ganz sicher aber ein Verlust.

 

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