WM Mont Sainte Anne: 2010 ein Weltmeister der Herzen

Rückblick auf die beiden ersten WM-Auflagen im Traditionsort

Von Mittwoch bis Sonntag findet im kanadischen Mont Sainte Anne zum dritten Mal nach 1998 und 2010 eine Weltmeisterschaft statt. Für Mountainbiker ist der alpine Skiort am St. Lorenz-Strom der Klassiker schlechthin und vor den 30. Titelkämpfen auf Stollenreifen sei es deshalb erlaubt, ein wenig in Erinnerungen zu kramen.

 

Mont Sainte Anne, 35 Kilometer nördlich von Quebec City, das ist untrennbar verknüpft mit dem UCI Mountainbike-Weltcup. Der Chef der ausrichtenden Agentur Gestev, der Kanadier Patrice Drouin, hat die Serie 1991 mit aus der Taufe gehoben und Mont Sainte Anne war jedes Jahr mit dabei. Nur 1998 und 2010 nicht, weil man da die WM organisierte und 1999 gastierte „nur“ der Downhill-Weltcup in dem kleinen Skigebiet bei Beaupré, der 3500 Einwohner zählenden Gemeinde, zu der das Areal und der Berg gehören.

Vergleichbare Zuschauer-Massen, wie man sie von europäischen Weltcups kennt, strömen nicht nach Mont Sainte Anne. Das liegt aber eher an der dünnen Besiedelung, die man in Kanada vorfindet. Das Medien-Interesse ist durchaus vorhanden und wäre es nicht so, Gestev hätte den Event nicht so lange erfolgreich ausrichten können.

Weltmeister mit Krawatte in der Kathedrale

José Antonio Hermida hat Mont Sainte Anne einmal als eine der „Kathedralen“ des Mountainbike-Sports bezeichnet. Womit wir prompt beim Weltmeister von 2010 angekommen sind. Es gab wohl kaum einen emotionaleren Titelträger als den Spanier. Bei der Pressekonferenz kullerten immer wieder Tränen aus seinen Augen und er sprach mit brüchiger Stimme.

 100904_CAN_MontSainteAnne_XC_Man_Hermida_finishline_by_Kuestenbrueck
José Antonia Hermida ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Und es gab kaum mal einen Weltmeister, dem es nicht nur eine breite Masse an Fans, sondern selbst seine Konkurrenten so sehr gönnten. Der damals durch zwei Defekte entthronte Titelverteidiger Nino Schurter (6.) fand es im Ziel „geil“, als er hörte, dass Hermida das Regenbogen-Jersey überstreifen durfte. Ein Weltmeister der Herzen, sozusagen.

Hermida saß bei der Pressekonferenz zwischen dem Tschechen Jaroslav Kulhavy und dem Südafrikaner Burry Stander, der knapp zweieinhalb Jahre später Opfer eines tödlichen Verkehrsunfalls wurde.

Hermida hatte eine Krawatte um den Hals, ein Geschenk des Schweizer Radsport-Veranstalters Max Hürzeler mit dem Hinweis, dass er ja was Vernünftiges zum Anziehen bräuchte, wenn er Weltmeister würde. Das war allerdings schon 2009.

Der Multivan-Merida-Fahrer musste noch ein Jahr warten, aber dass er die Krawatte damals in den Koffer packte, zeugt vom Glauben daran, dass es passieren könnte.

Der war allerdings so gut wie weg, als er zu Beginn des Rennens in einen Sturz verwickelt wurde, genauso wie Julien Absalon.

Doch in Runde zwei war er wieder dran und in der Schlussrunde nutzte er eine technische Passage mit vielen Richtungsänderungen, um Jaroslav Kulhavy zu distanzieren, der eine Woche zuvor in Windham seinen ersten Weltcup-Sieg gefeiert hatte.

 100904_AUS_MontSainteAnne_XC_Men_Milatz_FumicM_rockgarden_by_Maasewerd.
Manuel Fumic und Moritz Milatz in der „Beatrice“ genannten Felspassage ©Marius Maasewerd/EGO-Promotion

Und die Deutschen? Manuel Fumic war ebenfalls in den Crash am Start verwickelt, der durch den Niederländer Rudy van Houts verursacht wurde . Fumic kam allerdings später aufs Rad als Hermida. Im Getümmel stürzte er dann noch mal. In der vierten Runde zündete er den Turbo, verbesserte sich mit bester Rundenzeit auf Position acht, um sich dann einen Hinterrad-Defekt einzuhandeln. Er wurde 13., einen Platz vor Moritz Milatz.

Bei Spitz streikt der Umwerfer, Pendrel verspielt Bronze

Auch bei den Damen steht eine Fahrerin als Weltmeisterin in den Annalen, der es bis dato in der Cross-Country-Disziplin kein zweites Mal gelang sich das Regenbogen-Jersey überzustreifen. Maja Wloszczowska ist, im Gegensatz zu José Hermida, allerdings noch aktiv und könnte das noch ändern.

Wloszczowska holte Gold vor Titelverteidigerin Irina Kalentieva (Russland) und Willow Koerber aus den USA.

100904_AUS_MontSainteAnne_XC_Women_Wloszczowska_finish_backview_by_Maasewerd.
WM-Titel für Maja Wloszczowska ©Marius Maasewerd/EGO-Promotion

Die Polin setzte schon ab Runde drei zu einem Solo an, das sie auch ins Ziel brachte. Hinter ihr wurde es spannend, denn vier Fahrerinnen kämpften um Silber und Bronze.

Dabei machte Sabine Spitz den Eindruck ihre zwölfte WM-Medaille erobern zu können. Sie lag an vierter Stelle, nur zehn Sekunden hinter Silber und schien die Stärkste im Quartett zu sein, zu dem auch noch Catharine Pendrel gehörte.

Doch in der vorletzten Runde verbog sich bei Spitz der Umwerfer, so dass ihr mehrfach die Kette vom Blatt fiel. Damit war sie chancenlos und wurde nur Achte.

100904_AUS_MontSainteAnne_XC_Women_Spitz_pan_by_Maasewerd
Sabine Spitz ©Marius Maasewerd/EGO-Promotion

Das kanadische Publikum musste indes beobachten, wie Catharine Pendrel 150 Meter vor dem Ziel die sicher geglaubte Bronze-Medaille an Willow Koerber verlor, weil sie der US-Amerikanerin mit der gewählten Linie quasi die Tür öffnet.

Irina Kalentieva gewann diese Dreikampf vier Sekunden vor Koerber und sechs Sekunden vor Pendrel. Sie dürfte sich diese Woche bei der letzten WM ihrer Karriere gerne daran erinnern.

Anja Gradl und Hanna Klein wurden 23. und 25., Elisabeth Brandau bei ihrer WM-Premiere auf dem Mountainbike 35.

Staffel-Silber für den BDR und Dreifach-Erfolg für die Schweiz

Erfreuliches aus deutscher Sicht hatte das Staffel-Rennen zu bieten. In der Besetzung Manuel Fumic, Julian Schelb, Sabine Spitz und Marcel Fleschhut holte man hinter der Schweiz (Litscher, Walder, Leumann, Näf) erstmals eine WM-Medaille in dieser Disziplin. Dritter wurden die Tschechen.

Im U23-Rennen der Herren siegte einer, der am Samstag bei der Elite zu den Favoriten zählt: Mathias Flückiger führte einen Schweizer Dreifach-Erfolg an. Thomas Litscher gewann Silber vor Patrik Gallati.

Bester Deutsche: Marcel Fleschhut, Felix Euteneuer, Andy Eyring und Markus Bauer auf den Rängen 22, 23, 27 und 30. Allerdings lag Fleschhut eingangs der letzten Runde auf Position 13, als ihm an einem Stein das Schaltwerk abriss. Schon am Start war ihm die Kette herunter gefallen, so dass er zu einer Aufholjagd gezwungen war.

In der weiblichen U23 triumphierte Alexandra Engen, die damals für das Freiburger Rothaus-Cube-Team fuhr. Sie ließ damals die Britin Annie Last drei Runden lang gewähren, schloss dann die Lücke von 30 Sekunden und fuhr in der Schlussrunde davon. Hinter Last wurde die Polin Paula Gorycka Dritte.

Die deutsche Hoffnung Mona Eiberweiser landete auf Rang 24, nachdem sie auf Rang elf liegend in Runde zwei mit dem Schaltwerk an einem Stein hängen blieb und das Schaltauge abriss.

Diese Art von Defekt war damals fast schon charakteristisch.

100904_AUS_MontSainteAnne_XC_Men_Kulhavy_Stander_Hermida_backview_by_Maasewerd.
Jose Hermida, Burry Stander und Jaroslav Kulhavy im Anstieg zum „Zig Zag“ ©Marius Maasewerd/EGO-Promotion

Junioren: Schelb gewinnt Duell um Bronze

Zwei Bronze-Medaillen gab es für den BDR in den Kategorie Juniorinnen. Eine für Julian Schelb, nachdem er durch einen Fehler die mögliche Silbermedaille vergab, dann aber das Duell mit dem Italiener Maximilian Vieider um Bronze gewann. Gold und Silber gingen an Michiel van der Hejden aus den Niederlanden und Julien Trarieux aus Frankreich.

Bei den Juniorinnen stellte Pauline Ferrand Prevot ihr großes Talent unter Beweis und wiederholte ihren Titelgewinn von Canberra 2009. Silber ging an Yana Belomoina aus der Ukraine und Bronze an Helen Grobert, die ihre Karriere unter ominösen Umständen beendet hat, deren Klärung immer noch offen steht.

Übrigens war damals eine Schweizerin auf Titelkurs. Jolanda Neff erlitt mit rund 20 Sekunden Vorsprung in Führung liegend in Runde zwei einen Kreislaufkollaps. Das war ihr als Juniorin und auch noch als U23-Fahrerin bei großer Hitze ein paar Mal passiert.

Auch Johanna Techt taten Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit nicht gut. Die hoch veranlagte Allgäuerin war auf Rang vier unterwegs, büßte dann aber ein und wurde am Ende Neunte. Techt hatte 2012 einen schweren Rodel-Unfall und musste trotz Comeback-Versuchen ihre Karriere beenden.

 

1998: Eine WM der Franzosen und des Dopings

Die ganz alten Geschichten von 1998 kennt der Autor nicht aus persönlichem Erlebnis heraus. Es war eine WM der Franzosen, sie gewannen schlicht alle Gold-Medaillen.

Über diesen Titelkämpfen liegt aber der Schatten des Dopings in der Hoch-Zeit von EPO, für das es damals noch keinen Test gab. Alle drei Medaillengewinner bei den Herren wurden später überführt, gaben zu gedopt zu haben, bzw. gerieten in Zusammenhang mit Doping-Ermittlungen.

Es sind dies die Herren Christophe Dupouey (Fra), Jerome Chiotti (Fra) und Filip Meirhaeghe (Bel). Aber auch der Vierte, Bas van Dooren (Ned), wurde 2002 positiv getestet und auch der Fünfte Lennie Kristensen (Den).

Das heißt natürlich nicht zwingend, dass sie damals auch gedopt waren. Doch in Ehren halten muss man diese Leute nicht.

Bester Deutscher: Carsten Bresser auf Rang 33.

 

Bei den Damen gewann mit Laurence Leboucher auch eine Französin. Silber ging an Gunn-Rita Dahle, Bronze holte die Kanadierin Alison Sydor. Auf Rang 18: Hedda zu Putlitz, 27. Sabine Spitz in den Anfängen ihrer Karriere.

In der U23 gewann Miguel Martinez vor Christoph Sauser und Roel Paulissen.Auf Rang vier: der spätere Tour-de-France-Sieger Cadel Evans.

Lado Fumic wurde Siebter.

Auch bei den Juniorinnen räumten die Französinnen ab. Cecile Rode vor Severine Hansen und Sandrine Guironnet. Die Schweizerin Lea Flückiger wurde Vierte. Auf Rang sieben: Verena Berger und Simone Esslinger wurde 16.

Bei den Junioren begann die Karriere einer Legende. Julien Absalon wurde Weltmeister vor Ryder Hesjedal aus Kanada und Fredrik Modin aus Schweden.

Ralph Näf wurde als bester Schweizer Sechster,

den schnellsten Deutschen fand man mit Jochen Käß auf Rang 22.

Facebook Auto Publish Powered By : XYZScripts.com