WM Pietermaritzburg nachgedreht (1): Ketten hängen an seidenen Fäden
Eine Weltmeisterin zwei Tritte vor dem Desaster, eine Ex-Weltmeisterin mit Respekt vor der Konkurrenz, ein Team, das seinem Coach einen herausragenden Abschied beschert und eine Südtirolerin, die das L mit einem P tauschen könnte. Nachgedreht, was hier aus der Damen-Welt der WM noch nicht geschrieben stand.
Ein Weltmeistertitel hängt manchmal an einem seidenen Faden. Bzw. an einer Kette. Die ist nun nicht aus Seide, aber die Antriebsriemen der Mountainbikes werden mit der höheren Anzahl an Ritzeln scheinbar immer anfälliger. Kettenriss bei Jaroslav Kulhavy im Team Relay, Kettenriss beim schwedischen Junior, auch bei der Staffel, Kettenriss bei Mitfavoritin Kathrin Stirnemann (Sabine Spitz-Haibike) im Sprint. (Verschiedene Fabrikate).
Weltmeisterin wird hier zum zweiten Mal Alexandra Engen (Ghost Factory Racing), die in einer engen Entscheidung Jolanda Neff (Giant Pro XC) bezwingt. Engen lässt sich im Ziel feiern, gibt das obligatorische Sieger-Interview, derweil der schwedische Betreuer das Ghost-Bike schnappt und damit wegfährt. Weit kommt er damit nicht. Ein, zwei Tritte und – die Kette reißt (!)….in diesem Fall vielleicht doch nur noch aus Seide? Übrigens wurde die Kette an Engens Rad vorher von zwei Leuten sorgfältig überprüft.
Gunn-Rita Dahle-Flesjaa (Multivan-Merida) wurde von vielen als Mitfavoritin behandelt. Doch die Norwegerin hatte sich in der Vorwoche erkältet und deshalb schon das geplante Rennen in Muttenz ausgelassen.
Es wurde bis zum vergangenen Samstag nicht wirklich besser. „Ich habe mich gedanklich damit gar nicht beschäftigt, das lenkt nur von der Vorbereitung ab. Ich mag es auch nicht auf die Erkältung schieben, aber sie hat mich leider beeinträchtigt. Schade, wenn es ausgerechnet am Jahreshöhepunkt passiert“, meinte Dahle-Flesjaa im Ziel, das sie als Achte erreichte.
„Aber ich darf mich nicht beklagen, ich habe ja dieses Jahr ja schon ein Regenbogen-Jersey gewonnen“, fügte sie hinzu, um dann noch einer Konkurrentin besondere Anerkennung zu zollen. „Ich meine, das was Esther (Süss) heute gezeigt hat, das war echt beeindruckend, das verdient großen Respekt.“
Vier Schweizerinnen klassierten sich im Elite-Rennen unter den besten 15. Die Krönung war die Bronzemedaille von Esther Süss, aber auch Kathrin Stirnemann (Sabine Spitz-Haibike) sorgte als Siebte für eine faustdicke Überraschung. Damit hatte sie selbst nicht gerechnet. „Ich kann es gar nicht glauben“, schüttelte sie im Ziel den Kopf. Am erstaunlichsten war, dass sie in der letzten Runde noch einmal zulegen konnte. Bisher hatte sie am Ende eher Probleme bekommen.
Katrin Leumann (Ghost Factory Racing) wurde Zwölfte. An ihrem im Training lädierten Knie spürte sie die Erschütterungen. In der Anfangsphase, klagte Leumann, hätte sie immer Fahrerinnen vor sich gehabt, die in den Steinpassagen nicht so schnell waren wie sie selbst. „In der zweiten Hälfte habe ich gekämpft. Mit meiner Leistung bin ich so weit zufrieden“, meinte Leumann, die es bei einer WM noch nie unter die besten Zehn geschafft hat.
Nathalie Schneitter (Colnago-Südtirol) klagte „ab der dritten Runde“ über Atemprobleme. „Ich habe nicht mehr richtig Luft bekommen“, erklärte Schneitter. In der letzten Runde gelang es ihr aber wieder Boden gut zu machen sich um drei Positionen zu verbessern und 15. zu werden. „Es ist nicht top, aber ein Aufwärtstrend ist zu registrieren“, meinte Schneitter.
Nicht zufrieden war Corina Gantenbein (Fischer BMC), die bis in die dritte Runde hinein unter den besten 20 lag, dann aber noch auf Rang 26 zurückfiel. „Ich habe Krämpfe bekommen. Das ist ein Problem, das ich leider häufiger habe“, erklärte sie.
Für den Schweizer Damen-Coach Rolf Vollenweider war es sein letzter Einsatz als Verantwortlicher für die Schweizer Damen. Auf seinen eigenen Impuls hin, reicht der Schweizer Verband Swiss Cycling das Zepter weiter an Edmund Telser.
„Ich habe gesagt, jetzt muss ein anderer Mann kommen. Die Damen haben sich weiterentwickelt, es muss jetzt mehr um Details gehen. Es muss einfach jemand auch beim Weltcup öfter dabei sein als ich das kann“, erklärte Vollenweider seine selbstlosen Beweggründe. Vollenweider ist im Lebensmittelhandel voll berufstätig.
Er verabschiedete sich mit einer hervorragenden Bilanz. Gold für Jolanda Neff (U23) und Alessandra Keller (Juniorinnen), Silber für Jolanda Neff (Sprint), Bronze für Esther Süss (Elite Damen) und Linda Indergand (Sprint). Viel besser kann es Edmund Telser auch nicht machen. Der Südtiroler war in Pietermaritzburg zum Einlernen übrigens schon dabei.
„Ein bisschen Wehmut ist schon dabei“, bekennt Vollenweider. „Viele der Damen habe ich von jung auf betreut.“ Seit 13 Jahren ist er für den Verband tätig, seit fünf Jahren für den Damen-Bereich zuständig. Als Trainer hat er sich nie gesehen. Eher als Manager, der für das ganze Setup und die atmosphärischen Dinge zuständig ist. „Als Coach bringt Edi (Telser) sicher mehr mit“, meint Vollenweider.
Eva Lechner (Colnago Südtirol) erlebte eine unglückliche WM. Erst stürzte sie in der Führungsgruppe liegend im Cross-Country-Rennen und büßte damit alle Chancen ein. Dann musste sie ihre Hoffnungen im Eliminator Sprint auch noch unverschuldet begraben.
Die Südafrikanerin Mariske Strauss stürzte im Viertelfinale vor ihr an einem Sprung unweit des Ziels. Lechner konnte nicht mehr ausweichen und stürzte ebenfalls, was Helen Grobert zum Halbfinal-Einzug nutzen konnte.
Die bedauernswerte Eva Pechner, pardon: Lechner muss ein ander Mal ihren Frieden mit dem Cascade MTB Park schließen. Vielleicht schon im kommenden April beim Weltcup-Auftakt.