Heubach: Am Ende wurde es nochmal spannend

Lisa Brandau (Radon EBE Racing) und Jakob Hartmann (German Technology Racing) holen sich bei der Corona-Challenge den Titel des „Inoffiziellen Deutschen Marathonmeister“

Es war ein Marathon-Einzelzeitfahren, das die Stadt Heubach für die Mountainbiker für das Corona-bedingt ausgefallene „Bike the Rock“ organisiert hatte. Drei Runden à 28,2 km, ein Kampf gegen die Zeit und auch gegen sich selbst. Und, wie sich herausstellte, auch gegen die Tücken der GPS-Technik.

Strecken-Kenntnis bringts
Denn der Kurs um den Rosenstein, den Heubacher Hausberg, war nicht markiert. Die Sportler mussten anhand der GPS-Daten den Weg selbst finden. Deswegen war es höchst hilfreich, den Kurs vorher genau anzuschauen und sich einzuprägen. Vielleicht war es dieser dringend nötige Aufwand, der einige deutsche Athleten davon abhielt, um das von KMC ausgesetzte Preisgeld von insgesamt 3.000 Euro zu kämpfen. Oder das durchwachsene Wetter in den ersten beiden Wochen des Wettkampfs. „In der letzten Woche waren die Teilnehmerzahlen dann aber sehr zufriedenstellend“, resümierte Eckhard Häffner, Hauptamtleiter der Stadt Heubach und damit der Veranstalter der Corona Bike Challenge powered by KMC.

Stiebjahn von Navigation „abgehängt“
Die Ungenauigkeiten der GPS kosteten dem Favoriten den Sieg: Simon Stiebjahn (Team Bulls) musste trotz Bestzeit disqualifiziert werden, weil er eine nur 200 Meter kurze Schleife kurz vor dem Ziel in der vom Cross-Country-Rennen bekannten „Stellung“ wie beim Marathon im Vorjahr nicht gefahren hatte: „Mein GPS sagte: ‚Hier links fahren!‘, doch das war 100 Meter zu früh“, meinte Stiebjahn zerknirscht, nachdem ihm die Disqualifikation mitgeteilt worden war. Allerdings hatte er schon damit gerechnet. Denn am vergangenen Donnerstag war nicht nur er auf die Strecke gegangen, sondern genau eine Stunde nach ihm der Rosenheimer Jakob Hartmann (German Technology Racing). Bei einer Rundenzeit von rund 1:03 Stunde blieb nicht aus, dass die beiden sich ein hartes Rennen lieferten. Beide betonten, dass der real existierende Gegner, auch wenn er je nach Sichtweise eine Stunde voraus oder zurück war, ein guter Anhaltspunkt für die eigene Leistung und eine zusätzliche Motivation war. In Stiebjahns letzter Runde erreichten beide gemeinsam die Stellung, hatten nur noch wenige hundert Meter bis zum Ziel, als Hartmann zu Stiebjahn meinte, sie müssten den Teeranstieg noch weiter nach oben fahren und dürften erst an der nächsten Abzweigung auf den Singletrail abbiegen. Stiebjahn, etwas verunsichert, akzeptierte und fuhr ebenfalls die geringfügig längere und, wie sich herausstellte, die richtige Strecke. Doch die ersten beiden Runden hatte er unabsichtlich abgekürzt. Stiebjahn meldete seinen Fehler sofort an den Veranstalter. „Stiebi ist ein Ehrenmann“, erklärte Hartmann im Interview seinen Respekt vor dem Mitkonkurrenten. Schließlich trennten die beiden nach 84,6 km nur wenige Sekunden zugunsten von Stiebjahn. Vermutlich hätte Hartmann aber über die Gesamtdistanz ohnehin die kürzere Zeit gefahren, wäre Stiebjahn zweimal die letzte kurze Schleife gefahren: somit wurde als offizielle Siegerzeit 3:11:02 Stunden von Hartmann in die Ergebnisliste eingetragen und der oberbayerische Maschinenbaustudent zum Sieger erklärt.

Hartmann vor Schwarzbauer und Neff
Hartmann kannte auch deswegen die Strecke so genau, weil er mit dem Heubacher Sven Strähle einen Teamkameraden beim German Technology Racing Team hat, der die Strecke aus dem Effeff kennt. Gemeinsam hatten die beiden am Montag und am Mittwoch die Strecke angeschaut, ehe Hartmann am Donnerstag alleine auf die Strecke ging: Strähle hatte zusammen mit ihrem Teamkollegen Luis Neff bereits die erste Richtzeit zu Beginn der Challenge aufgestellt. Und es war wirklich bereits eine bemerkenswerte Richtzeit: 3:25:28 Stunden benötigte Neff für den Rundkurs und wurde damit Gesamtdritter. Strähle belegte mit 3:28:22 Stunden den fünften Platz, dazwischen lag Silas Graf vom Team Texpa-Simplon auf Platz 4 (3:26:58 Stunden). Mit seiner starken Leistung verdrängte Hartmann den eine Woche lang führenden Nürtinger Luca Schwarzbauer (Lexware) auf den zweiten Platz. Schwarzbauer hatte in der Woche zuvor bei noch etwas matschigen Bedingungen 1:19 Minuten länger benötigt als Hartmann, der von fast perfekten Bedingungen auf der Strecke sprach.

Tipps vom Sieger für den Veranstalter
Allerdings betonte auch Hartmann, dass permanente Markierungen, z.B. aufgesprühte Pfeile, an Schlüsselstellen hilfreich gewesen wären, um den Kurs eindeutiger festzulegen. „Wenn ich Sven nicht als Tourguide gehabt hätte, hätte ich mich sicher auch ein paar Mal verfahren“, ist sich Hartmann sicher. „Die GPS-Daten waren an manchen Stellen einfach zu ungenau. Trotzdem haben die Heubacher gute Arbeit geleistet und uns Sportlern die Möglichkeit gegeben, trotz Corona einen Wettkampf zu fahren, auch wenn der komplett anders ausfiel als alle Wettkämpfe, die ich bisher gefahren bin.“ Hartmann liefert auch gleich noch einen konstruktiven Vorschlag für Veranstalter mit: „Vermeidet so kleine Schleifen oder gar Kreuzungen, sondern baut einen großen Rundkurs, wo es gar keine Möglichkeiten gibt, versehentlich abzukürzen.“ In Heubach gab es mehrere Stellen, wo die Strecke mehrfach vorbei kam, zum Beispiel am Grillplatz.

3, Brandau, Elisabeth, Radon-EBE, RSC Schönaich, GER
Elisabeth Brandau, Radon-EBE hoch über Heubach

Brandau siegt mit 23 Minuten Vorsprung
Bei den Frauen war die Siegerzeit von Elisabeth Brandau (Radion EBE Racing), die sie am vergangenen Montag aufgestellt hatte (siehe Bericht hier), zu keiner Zeit in Gefahr: mit 3:47:21 Stunden lag sie souverän vor Nina Benz (jb Brunex Felt, +23:06 min) und Kim Ames (Herzlichst Zypern, +23:11 min). Brandau nahm die Corona-Challenge als Formtest für die kommenden Rennen und freute sich über den positiven Trainingseffekt: „So lange fährt man im Training nie am Limit.“ Sie hatte schon am Montag unmittelbar nach ihrem persönlichen Zeitfahren den Kurs in Heubach gelobt: „Er war sehr abwechslungsreich, Du musstest ständig konzentriert sein, um Dich nicht zu verfahren. Aber der ständige Wechsel von breiten Wegen und schmalen Trails, die tolle Landschaft in der Ostalb, das war voll cool.“

Die meisten Heubacher Protagonisten werden in zwei Wochen wieder aufeinander treffen: beim Engadin Bike Giro (10.-12. Juli) gibt es zwar im Gegensatz zu den Vorjahren keine UCI-Punkte zu verdienen, es ist allerdings das erste große Rennen nach dem Corona-Lockdown im deutschsprachigen Raum mit einer ansehnlichen Besetzungsliste.

Ergebnisse:
http://biketherock.de/pdf/Ergebnisliste%20-%20BiketheRock%20-%20Corona%20Challenge.pdf 

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