„Locker bleiben ist manchmal das Schwierigste“

Ein Interview mit dem WM-Bronzemedaillengewinner Thomas Litscher


Nächste Woche beginnt für Thomas Litscher beim Cyprus Sunshine Cup die Wettkampf-Saison 2018. Er hat 2017 mit der Bronze-Medaille bei den Weltmeisterschaften in Cairns, Australien, seinen bisher größten Erfolg gefeiert.  Litscher zollt im Interview seinem Team-Chef Joe Broder Respekt für sein Engagement und versucht sich selbst vor der Saison zu positionieren. Allerdings weniger offensiv als man das vielleicht vermuten könnte.

 

Thomas Litscher ist ein freundlicher Mensch. Auf unsere Text-Nachricht mit der Anfrage für ein Interview, meldet er sich prompt – aus dem Sattel. Er ist am Trainieren, in seiner Heimat nahe des Bodensee fällt Schnee vom Himmel. Dass er am Trainieren ist, hört man kaum.

Für die folgende halbe Stunde befindet er sich noch beim Einrollen auf niedrigem Pulsniveau, bevor es in dann in die intensiven Intervalle geht. „Das lenkt mich vom Wetter ab“, erklärt er lachend, warum er trotz Training gleich zurückgerufen hat. Kein Wunder, dass er sich schon auf die Sonne Zyperns freut, die er in Kürze genießen kann.

 

Thomas, die Cross-Country-Saison beginnt in Kürze. Wie geht es Dir, wie ist das Training bis jetzt gelaufen?

Ich habe den Winter bis jetzt gut überstanden und habe gut trainiert. Aber ich bin froh, wenn es jetzt auf Zypern los geht. Das hilft einem den Fokus besser vor Augen zu bringen, das worum es geht.

Du fährst vom 22. bis 25. Februar das Afxentia Etappenrennen. Das ist zwei Wochen vor dem ersten Weltcup-Rennen in Südafrika. Das heißt man muss schon jetzt in guter Form sein.

Klar, der erste Weltcup ist dieses Jahr sehr früh. Alle wollen da schon in Form sein. Aber aus Erfahrung weiß ich: wenn ich zu früh in Form bin, dann passt es hinten raus in der Saison nicht mehr. Und da haben wir ja die Weltmeisterschaft in der Schweiz. Es ist nicht so einfach, das richtige Maß zu finden. Aber ich denke, nach meinem Zypernaufenthalt wird es schon passen. Ich habe mir vorgenommen dort richtig hart zu trainieren und Rennen zu fahren.

Das bedeutet, die vier Etappen des Afxentia wirst Du als Training nutzen?

Jedes Rennen bedeutet für mich: all out. Wir reisen früher an, damit wir in der Wärme noch gut trainieren können. Auf den Etappen kann ich dann richtig harte Reize setzen, so dass es weh tut.

Lässt sich das im Training nicht auch simulieren?

Wenn du Gegner hast, dann geht das noch mal anders, dann kannst du noch mehr aus dir herausholen.

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Auch voriges Jahr war er auf Zypern: Thomas Litscher ©EGO-Promotion/ Thomas Weschta

Wenn Du jetzt Deine Form noch nicht ganz auf die Spitze treiben willst, wie stellst Du das dann für den Weltcup-Auftakt in Stellenbosch vor?

Was ich gehört habe, soll die Strecke dort technisch sehr anspruchsvoll sein. Ich denke, das könnte mir entgegenkommen. Das Ziel ist natürlich vorne rein zu fahren, aber das wollen alle. Top 10, Top 15, ist im Weltcup immer noch ein super Resultat, das werde ich anpeilen.

Als WM-Bronzemedaillengewinner wird man von Dir..

…Litscher lacht

Warum lachst Du?

Alle meinen, wenn du WM-Dritter bist, dann musst du immer da vorne sein. Aber da haben viele Faktoren zusammengespielt. Sicher ist es das Ziel, das zu wiederholen, aber man muss darauf hinarbeiten, es muss alles passen. Ich habe ein neues Bike von Felt, das fühlt sich im Training gut an. Aber Rennen ist noch mal was anderes.

Hat WM-Bronze bei Dir nicht auch die Erwartungshaltung verändert?

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Sie macht den Unterschied, vor allem beim Selbstvertrauen ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Ich würde sagen, mein Selbstvertrauen ist gestiegen. Es ist gut zu wissen, dass vieles möglich ist, wenn alles passt. Die WM im eigenen Land, in Lenzerheide, ist das Saisonhighlight, klar. Aber das ist erst im September.

Dein Landsmann Nino Schurter hat 2017 alle Weltcup-Rennen gewonnen und ist wieder Weltmeister geworden. Ist er dennoch schlagbar?

Nino ist auch nur ein Mensch. 2017 war seine Saison wirklich top, aber jetzt beginnt eine neue Saison. Ich denke, Ende Mai kann man dann einige Schlüsse ziehen. Ich fühle mich aber nicht als erster Konkurrent von Nino. Da gibt es Jaroslav Kulhavy, die Franzosen, meine Schweizer Kollegen. Ich will mit meinen Ansprüchen am Boden bleiben.

Noch mal zurück zu dem, was als nächstes kommt. Man darf Dich schon als Stammgast auf Zypern bezeichnen.

Ja. Seit 2009 komme ich nach Zypern. Ich fühle mich wohl auf der Insel. Für mich ist das einfach die Gelegenheit gut zu Trainieren und beim Afxentia ein anspruchsvolles Rennen zu fahren. Drei Tage plus Prolog, das halte ich für einen guten Reiz.

2017 hat Joe Broder Dir mit seinem Nachwuchs-Team jb Brunex Felt in einer schwierigen Situation geholfen. Das war ein Stück weit eine Notlösung, die als Überbrückung dienen sollte. Doch jetzt ist ein Elite-Team draus geworden. Erwartest Du Dir von den verbesserten Bedingungen einen zusätzlichen Schub?

Ich finde es toll, dass Joe dem Trend entgegenarbeitet und sein Team ausbaut. Es wird eine Herausforderung für alle. Wir müssen eine große Familie sein und gut zusammenarbeiten. Wir müssen das als Fahrer so sehen und das Ganze noch schöner machen. Wenn es harmoniert, dann stimmt auch die Leistung. Davon bin ich überzeugt. Und: es schadet meistens nicht, wenn der Fahrer auch selber was zu tun hat.

Mal Hand aufs Herz: Hast Du in den schwierigen Zeiten, auch in den Jahren zuvor (Verletzungen, Krankheiten) gedanklich auch mal mit dem Karriere-Ende gespielt?

In der letzten Saison, ja. Mitte des Jahres ging es wieder bergab mit der Leistung. Beim Heimweltcup in Lenzerheide war ich am Tiefpunkt. Dann hatte ich aber gute Gespräche, wir haben uns das genau angeschaut und daraus hat sich die Motivation entwickelt, jetzt noch mal richtig anzugreifen. Eine Woche danach war die Schweizer Meisterschaft und von dort aus ging es kontinuierlich aufwärts.

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Litscher bei den Schweizer Meisterschaften in Montsevelier: Platz fünf war ein Wendepunkt ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Es war doch aber nicht die Form das wirkliche Problem, oder?

Nein. Ich hatte wieder Probleme mit dem Rücken und dem Becken.

Wer hat Dich denn zum Weitermachen motiviert?

Ich hatte super Rückhalt im Team, aber auch sonst. Freunde und auch Ausrüster. Wir haben noch mal an der Sitzposition getüftelt.

Du gehst mit anderen Voraussetzungen in die neue Saison. Wie würdest Du Deine  Ziele beschreiben?

Ich versuche das vom letzten Jahr weiter zu führen. Und locker zu bleiben. Das ist manchmal das Schwierigste.

Deine Startposition in Stellenbosch dürfte deutlich besser sein als voriges Jahr beim Auftakt in Nove Mesto.

Mit Startpositionen habe ich mich, ehrlich gesagt, noch nie beschäftigt. Ich habe keine Probleme nach vorne zu kommen. Auch wenn das Risiko hinten größer ist.

Genug des Warmfahrens, es ist Zeit für Litscher seine Intervalle zu beginnen. Zum Sprechen ist jetzt kein Sauerstoff mehr übrig. Wir verabschieden uns… bis wir uns auf Zypern wieder sehen. Dort benötigt der Schweizer vermutlich keinen Interviewpartner mehr, der ihm während des Trainings über schlechtes Wetter hinweg hilft.

Anmerkung: Das Interview wurde in gekürzter Fassung als PR für den Cyprus Sunshine Cup veröffentlicht.

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